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EuGH: Nationale Regelungen hinsichtlich kürzerer Werbezeiten für Bezahlfernsehen zulässig

EuGH 18.7.2013, C-234/12

Die ita­lie­ni­sche Re­ge­lung über Fern­seh­wer­bung, die für Be­zahl­fern­se­hen eine kürzere ma­xi­male Sen­de­zeit für Wer­bung vor­sieht als für frei emp­fang­ba­res Fern­se­hen, steht grundsätz­lich im Ein­klang mit dem Uni­ons­recht. Al­ler­dings muss der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit be­ach­tet wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Die Richt­li­nie über au­dio­vi­su­elle Me­di­en­dienste sieht für die Fern­seh­wer­bung Min­dest­nor­men und Kri­te­rien vor, um den Schutz der In­ter­es­sen der Ver­brau­cher als Zu­schauer si­cher­zu­stel­len. Dazu legt sie für Fern­seh­wer­be­spots und Te­le­shop­pings­pots eine Be­schränkung auf 20 Pro­zent der Sen­de­zeit pro Stunde fest, lässt aber den Mit­glied­staa­ten die Be­fug­nis, für Me­di­en­diens­te­an­bie­ter, die ih­rer Rechts­ho­heit un­ter­wor­fen sind, stren­gere oder ausführ­li­chere Be­stim­mun­gen vor­zu­se­hen.

Im ita­lie­ni­schen Recht ist vor­ge­se­hen, dass die Aus­strah­lung von Wer­be­mit­tei­lun­gen durch die Kon­zes­sionärin des all­ge­mei­nen öff­ent­lich-recht­li­chen Rund­funk- und Fern­seh­diens­tes 4 Pro­zent der wöchent­li­chen Sen­de­zeit und 12 Pro­zent pro Stunde nicht über­schrei­ten darf. Die Aus­strah­lung von Wer­be­spots durch an­dere frei emp­fang­bare Fern­seh­sen­der darf 15 Pro­zent der tägli­chen Sen­de­zeit und 18 Pro­zent pro Stunde nicht über­schrei­ten, während sie bei Be­zahl­fern­seh­sen­dern im Jahr 2011 14 Pro­zent pro Stunde nicht über­schrei­ten durfte (wo­bei in die­sen bei­den Fällen eine even­tu­elle Über­schrei­tung, die je­den­falls nicht mehr als 2 Pro­zent pro Stunde be­tra­gen darf, in der vor­her­ge­hen­den oder nach­fol­gen­den Stunde aus­ge­gli­chen wer­den muss).

Am 5.3.2011 strahlte Sky Ita­lia zwi­schen 21 Uhr und 22 Uhr auf ih­rem Be­zahl­fern­seh­sen­der Sky Sport 1 24 Wer­be­spots mit ei­ner Ge­samt­dauer von 10 Mi­nu­ten und 4 Se­kun­den aus, was 16,78 Pro­zent der stünd­li­chen Sen­de­zeit ent­sprach und da­mit die für Be­zahl­fern­se­hen gel­tende na­tio­nale Höchst­sen­de­zeit für Fern­seh­wer­bung von 14 Pro­zent pro Stunde über­schritt. Die Auf­sichts­behörde für das Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­sen (AG­COM) verhängte des­halb ge­gen Sky Ita­lia eine Geldbuße i.H.v. 10.329 €. Sky Ita­lia be­an­tragte dar­auf­hin beim zuständi­gen Ver­wal­tungs­ge­richt die Nich­ti­gerklärung der Ent­schei­dung der AG­COM, die sie als uni­ons­rechts­wid­rig an­sieht.

Das ita­lie­ni­sche Ge­richt fragt den EuGH, ob die Richt­li­nie über au­dio­vi­su­elle Me­di­en­dienste so­wie der Grund­satz der Gleich­be­hand­lung und die durch den AEU-Ver­trag ga­ran­tier­ten Grund­frei­hei­ten eine na­tio­nale Re­ge­lung zu­las­sen, die für Be­zahl­fern­se­hen eine kürzere ma­xi­male Sen­de­zeit pro Stunde für Wer­bung vor­sieht als für frei emp­fang­ba­res Fern­se­hen.

Die Gründe:
Die Richt­li­nie nimmt keine vollständige Har­mo­ni­sie­rung in den von ihr er­fass­ten Be­rei­chen vor, son­dern sieht le­dig­lich Min­dest­nor­men vor. Die Mit­glied­staa­ten sind da­her be­fugt, stren­gere oder ausführ­li­chere Be­stim­mun­gen und in be­stimm­ten Fällen un­ter­schied­li­che Be­din­gun­gen vor­zu­se­hen, so­fern sie im Ein­klang mit dem Uni­ons­recht ste­hen. So­weit die Richt­li­nie be­stimmt, dass der An­teil von Fern­seh­wer­be­spots und Te­le­shop­pings­pots 20 Pro­zent nicht über­schrei­ten darf, schließt sie es da­her nicht aus, dass die Mit­glied­staa­ten un­ter­schied­li­che Gren­zen un­ter­halb die­ser Schwelle vor­schrei­ben können. Die na­tio­na­len Vor­schrif­ten müssen al­ler­dings den Grund­satz der Gleich­be­hand­lung be­ach­ten.

Die Grundsätze und Ziele der Re­ge­lun­gen über die Sen­de­zeit für Fern­seh­wer­bung be­zwe­cken einen aus­ge­wo­ge­nen Schutz der fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen der Fern­seh­sen­der und der Wer­be­trei­ben­den ei­ner­seits so­wie der In­ter­es­sen der Au­to­ren und Ur­he­ber so­wie der Ver­brau­cher als Zu­schauer an­de­rer­seits. Die fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen der Be­zahl­fern­seh­sen­der un­ter­schei­den sich da­bei von de­nen der frei emp­fang­ba­ren Fern­seh­sen­der, die über keine un­mit­tel­bare Fi­nan­zie­rungs­quelle verfügen und die benötig­ten Mit­tel u.a. durch mit Fern­seh­wer­bung er­zielte Ein­nah­men auf­brin­gen müssen. Ein sol­cher Un­ter­schied ist grundsätz­lich ge­eig­net, die Be­zahl­fern­seh­sen­der in eine ob­jek­tiv an­dere Si­tua­tion zu ver­set­zen.

Auch die Si­tua­tion der Zu­schauer, die Abon­nen­ten ei­nes Be­zahl­fern­se­hens sind (und dem Sen­der einen Preis zah­len, um in den Ge­nuss der Pro­gramme zu kom­men), un­ter­schei­det sich von der Si­tua­tion der Zu­schauer von frei emp­fang­ba­rem Fern­se­hen. Dar­aus folgt, dass der na­tio­nale Ge­setz­ge­ber bei der Su­che nach einem aus­ge­wo­ge­nen Schutz der fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen der Fern­seh­sen­der und der In­ter­es­sen der Fern­seh­zu­schauer die Sen­de­zeit pro Stunde für Wer­bung un­ter­schied­lich be­gren­zen kann, je nach­dem, ob es sich um Be­zahl­fern­se­hen oder frei emp­fang­ba­res Fern­se­hen han­delt.

Die ita­lie­ni­sche Re­ge­lung könnte zwar eine Be­schränkung des freien Dienst­leis­tungs­ver­kehrs mit sich brin­gen. Der Schutz der Ver­brau­cher ge­gen ein Übermaß an ge­schäft­li­cher Wer­bung stellt in­so­weit aber einen zwin­gen­den Grund des All­ge­mein­in­ter­es­ses dar, der Be­schränkun­gen des freien Dienst­leis­tungs­ver­kehrs recht­fer­ti­gen kann, so­weit die ent­spre­chen­den Be­schränkun­gen ge­eig­net sind, die Er­rei­chung des ver­folg­ten Ziels zu gewähr­leis­ten, und nicht über das hin­aus­ge­hen, was hierzu er­for­der­lich ist. Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, zu prüfen, ob diese Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind.

Link­hin­weis:

Für den auf den Web­sei­ten des EuGH veröff­ent­lich­ten Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.

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