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BGH: Vorlage an den Europäischen Gerichtshof: Aufteilung einer unionsrechtlichen Geldbuße unter Gesamtschuldnern

Beschluss des BGH vom 9. Juli 2013 - KZR 15/12
Die Kläge­rin ist ein Un­ter­neh­men, das un­ter an­de­rem Te­le­fon­geräte her­stellt. Sie ver­langt von den bei­den Be­klag­ten in­ter­nen Aus­gleich nach Zah­lung ei­ner Geldbuße, die die Eu­ropäische Kom­mis­sion ge­gen alle drei Par­teien als Ge­samt­schuld­ner verhängt hat.
Die Kläge­rin war al­lei­nige Ge­sell­schaf­te­rin der Be­klag­ten zu 2, die im Au­gust 2004 sämt­li­che An­teile an der Be­klag­ten zu 1 er­warb. Zu die­sem Zeit­punkt nah­men Be­schäftigte der Be­klag­ten zu 1 be­reits seit ei­ni­gen Mo­na­ten an Kar­tell­ab­spra­chen zum Ver­trieb von Cal­ci­um­car­bid teil, die sie ab Juli 2005 auf den Ver­trieb von Ma­gne­si­um­gra­nu­lat aus­wei­te­ten. Ab No­vem­ber 2006 veräußerte die Kläge­rin ihre An­teile an der Be­klag­ten zu 2, bis sie zum 22. Juli 2007 vollständig aus­schied.
Mit Ent­schei­dung vom 22. Juli 2009 verhängte die Eu­ropäische Kom­mis­sion (COMP/39.396, K(2009) 5791 endg) ge­gen die Kläge­rin und die Be­klag­ten als Ge­samt­schuld­ner eine Geldbuße in Höhe von 13,3 Mio. Euro we­gen Zu­wi­der­hand­lung ge­gen das eu­ropäische Kar­tell­recht im Zeit­raum vom 22. April 2004 (Be­klagte zu 1) bzw. 30. Au­gust 2004 (Be­klagte zu 2 und Kläge­rin) bis zum 16. Ja­nuar 2007. Die Kläge­rin und die Be­klag­ten ha­ben die Verhängung der Geldbuße vor dem Ge­richt der Eu­ropäischen Union an­ge­foch­ten; das Ge­richt hat noch nicht ent­schie­den.
Die Kläge­rin zahlte auf die (schon vor Rechts­kraft fällige) Geldbuße und an­ge­fal­lene Zin­sen etwa 6,8 Mio. Euro. Die Be­klag­ten stell­ten der Kom­mis­sion Bank­ga­ran­tien in Höhe von ins­ge­samt 6,7 Mio. Euro. Im vor­lie­gen­den Rechts­streit be­gehrt die Kläge­rin von den Be­klag­ten als Ge­samt­schuld­nern die Er­stat­tung des von ihr ge­zahl­ten Be­trags. Sie ist der An­sicht, dass die Geldbuße im In­nen­verhält­nis al­lein von den Be­klag­ten zu tra­gen sei, da sie, die Kläge­rin, sich nicht selbst an dem Kar­tell be­tei­ligt habe.
Land­ge­richt und Be­ru­fungs­ge­richt (Ober­lan­des­ge­richt) ha­ben die Klage ab­ge­wie­sen. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat an­ge­nom­men, der In­nen­aus­gleich un­ter­liege deut­schem Recht. Da­nach habe die Kläge­rin die Geldbuße im In­nen­verhält­nis al­lein zu tra­gen, weil ihr mögli­che wirt­schaft­li­che Er­folge aus dem kar­tell­rechts­wid­ri­gen Ver­hal­ten - durch Ge­winn­aus­schüttun­gen oder Wert­stei­ge­rung der von ihr ge­hal­te­nen Ge­schäfts­an­teile - zu­ge­flos­sen seien. Ob das Kar­tell tatsäch­lich eine Ren­dite be­wirkt habe, sei un­er­heb­lich. Auf Ver­ur­sa­chungs- oder Ver­schul­dens­beiträge komme es nicht an. Scha­dens­er­satz­an­sprüche der Kläge­rin bestünden nicht.
Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­sion ver­folgt die Kläge­rin ihr Zah­lungs­be­geh­ren in vol­ler Höhe wei­ter. Hilfs­weise be­an­tragt sie, die Be­klag­ten je­weils zur Zah­lung ei­nes Drit­tels der Kla­ge­summe zu ver­ur­tei­len. Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Union vor­ge­legt. In der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs ist geklärt, dass die Kom­mis­sion bei einem Ver­stoß ge­gen das uni­ons­recht­li­che Kar­tell­ver­bot (Art. 101 AEUV) eine Geldbuße gemäß § 23 Abs. 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 1/2003* ge­gen meh­rere natürli­che oder ju­ris­ti­sche Per­so­nen als Ge­samt­schuld­ner verhängen darf, wenn diese eine wirt­schaft­li­che Ein­heit bil­den und da­her als ein Un­ter­neh­men an­zu­se­hen sind. Nicht hin­rei­chend geklärt ist, ob die Kom­mis­sion in ei­ner Ent­schei­dung, mit der sie eine sol­che Geldbuße verhängt, auch eine ab­schließende Re­ge­lung zu der Frage tref­fen muss, in wel­chem Verhält­nis die Geldbuße in­tern auf die ein­zel­nen Ge­samt­schuld­ner auf­zu­tei­len ist. Sollte dies zu be­ja­hen sein, wäre wei­ter zu prüfen, ob eine Ent­schei­dung der Kom­mis­sion, die - wie im Streit­fall - keine ausdrück­li­che An­ord­nung zur Ver­tei­lung im In­nen­verhält­nis enthält, da­hin aus­zu­le­gen ist, dass die Geldbuße in­tern von al­len Ge­samt­schuld­nern zu glei­chen Tei­len zu tra­gen ist (so die Recht­spre­chung des für die An­fech­tung von eu­ropäischen Bußgeldent­schei­dun­gen erst­in­stanz­lich zuständi­gen Ge­richts der Eu­ropäischen Union), oder ob die Ent­schei­dung der Kom­mis­sion in sol­chen Fällen ei­ner nachträgli­chen Ergänzung be­darf. So­fern an Stelle oder ne­ben der Kom­mis­sion auch na­tio­nale Ge­richte zur Ent­schei­dung über die Ver­tei­lung im In­nen­verhält­nis be­ru­fen sind, stellt sich fer­ner die Frage, nach wel­chen Maßstäben diese Ver­tei­lung vor­zu­neh­men ist. Da alle diese Fra­gen die Aus­le­gung des Uni­ons­rechts be­tref­fen, hat der Bun­des­ge­richts­hof sie dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Union zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt. Quelle: Pres­se­mit­tei­lung des BGH Nr. 115/2013 vom 09.07.2013 
10.07.2013 nach oben

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