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BGH: Ärzte können nach eigenen Behandlungsfehlern auch noch für Schädigungen durch Dritte haften

Urteil des BGH vom 22.5.2012 - VI ZR 157/11

Der gel­tend ge­machte Scha­den muss in einem in­ne­ren Zu­sam­men­hang mit der durch den Schädi­ger ge­schaf­fe­nen Ge­fah­ren­lage ste­hen; ein "äußer­li­cher", gleich­sam "zufälli­ger" Zu­sam­men­hang genügt nicht. Diese Grundsätze gel­ten auch dann, wenn nach einem Be­hand­lungs­feh­ler durch den erst­be­han­deln­den Arzt Fol­ge­schäden aus ei­ner Be­hand­lung durch einen nach­be­han­deln­den Arzt zu be­ur­tei­len sind.

Der Sach­ver­halt:
Bei der Kläge­rin wa­ren im De­zem­ber 2004 im Rah­men ei­ner Ko­lo­sko­pie ein ca. 5 cm großer Darm­tu­mor so­wie ein klei­ner ge­sti­el­ter Po­lyp fest­ge­stellt wor­den. Der Be­klagte zu 2) nahm in dem von der Be­klag­ten zu 1) be­trie­be­nen Kli­ni­kum dar­auf­hin bei der Kläge­rin eine Rek­tum­re­sek­tion vor. Er ent­fernte den Po­ly­pen, nicht hin­ge­gen den tie­fer ge­le­ge­nen Tu­mor. Nach­dem im Rah­men ei­ner Kon­trol­len­do­sko­pie im Ok­to­ber 2005 fest­ge­stellt wor­den war, dass der Tu­mor nicht ent­fernt wor­den war, un­ter­zog sich die Kläge­rin um­ge­hend einem er­neu­ten Ein­griff, bei dem der vom Tu­mor be­trof­fene Darm­ab­schnitt ent­fernt und ein künst­li­cher Darm­aus­gang ge­legt wurde.

In der Folge stell­ten sich eine Wund­hei­lungsstörung im Be­reich der Bauch­de­cke so­wie eine Ana­st­omos­ein­suf­fi­zi­enz im Be­reich der Darm­naht ein. Der wei­tere Hei­lungs­ver­lauf war äußerst kom­pli­ka­ti­ons­be­haf­tet. Den nach­be­han­deln­den Ärz­ten konnte kein Be­hand­lungs­feh­ler vor­ge­wor­fen wer­den.

Mit der Klage machte die Kläge­rin die Zah­lung von Schmer­zens­geld i.H.v. min­des­tens 50.000 € so­wie Er­satz ma­te­ri­el­len Scha­dens i.H.v. 25.193 € gel­tend. Das LG sprach der Kläge­rin ein Schmer­zens­geld i.H.v. 5.000 € zu und wies die Klage im Übri­gen ab; das OLG ver­ur­teilte die Be­klag­ten als Ge­samt­schuld­ner zu einem Schmer­zens­geld i.H.v. 40.000 € so­wie ma­te­ri­el­len Scha­dens­er­satz i.H.v. 14.369 €. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion der Be­klag­ten blieb vor dem BGH er­folg­los.

Die Gründe:
Das Be­ru­fungs­ge­richt hatte zu Recht an­ge­nom­men, dass die Kläge­rin von den Be­klag­ten we­gen feh­ler­haf­ter ärzt­li­cher Be­hand­lung gem. § 280 Abs. 1, §§ 278, 823 Abs. 1, §§ 831, 253 Abs. 2 BGB Er­satz der ihr in­folge der Nach­ope­ra­tion ent­stan­de­nen ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Schäden ver­lan­gen kann.

Die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­rich­tes, die Fol­ge­schäden seien adäquat kau­sal auf die Primärschädi­gung zurück­zuführen, be­geg­nete kei­nen Be­den­ken. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten war der haf­tungs­recht­li­che Zu­rech­nungs­zu­sam­men­hang zwi­schen der vom Be­klag­ten zu 2) ver­ur­sach­ten Rechts­guts­ver­let­zung und den von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten Ge­sund­heits­schäden nicht auf­grund des Schutz­zwecks der haf­tungs­begründen­den Norm zu ver­nei­nen. Der gel­tend ge­machte Scha­den muss in einem in­ne­ren Zu­sam­men­hang mit der durch den Schädi­ger ge­schaf­fe­nen Ge­fah­ren­lage ste­hen; ein "äußer­li­cher", gleich­sam "zufälli­ger" Zu­sam­men­hang genügt nicht. In­so­weit ist eine wer­tende Be­trach­tung ge­bo­ten.

Diese Grundsätze gel­ten auch dann, wenn nach einem Be­hand­lungs­feh­ler durch den erst­be­han­deln­den Arzt Fol­ge­schäden aus ei­ner Be­hand­lung durch einen nach­be­han­deln­den Arzt zu be­ur­tei­len sind. In sol­chen Fällen kann es an dem er­for­der­li­chen in­ne­ren Zu­sam­men­hang feh­len, wenn das Scha­dens­ri­siko der Erst­be­hand­lung im Zeit­punkt der Wei­ter­be­hand­lung schon gänz­lich ab­ge­klun­gen war, sich der Be­hand­lungs­feh­ler des Erst­be­han­deln­den auf den wei­te­ren Krank­heits­ver­lauf also nicht mehr aus­ge­wirkt hat.

Die im vor­lie­gen­den Fall ein­ge­tre­te­nen Schäden fie­len nach Art und Ent­ste­hungs­weise un­ter den Schutz­zweck der ver­letz­ten Norm. Die die Be­klag­ten tref­fende Ver­pflich­tung zu ei­ner den Re­geln der ärzt­li­chen Kunst ent­spre­chen­den Ver­sor­gung der Kläge­rin diente u.a. dem Zweck, sie vor einem an sich nicht er­for­der­li­chen Zweit­ein­griff und den da­mit ein­her­ge­hen­den Fol­gen zu be­wah­ren. Die von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten Ge­sund­heits­schäden stan­den auch in einem in­ne­ren Zu­sam­men­hang mit der durch die Be­klag­ten ge­schaf­fe­nen Ge­fah­ren­lage. Denn der den Be­klag­ten vor­zu­wer­fende Be­hand­lungs­feh­ler hatte den wei­te­ren Krank­heits­ver­lauf ent­schei­dend geprägt, zu­mal den nach­be­han­deln­den Ärz­ten kein Be­hand­lungs­feh­ler vor­zu­wer­fen war.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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