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Anspruch der Gläubiger einer abhängigen Gesellschaft auf Sicherheitsleistung für Verbindlichkeiten nach Beendigung des GAV

BGH 7.10.2014, II ZR 361/13

Der An­spruch der Gläubi­ger ei­ner abhängi­gen Ge­sell­schaft auf eine Si­cher­heits­leis­tung für Ver­bind­lich­kei­ten, die bis zur Be­kannt­ma­chung der Ein­tra­gung der Be­en­di­gung des Be­herr­schungs- oder Ge­winn­abführungs­ver­trags begründet, aber erst da­nach fällig wer­den, ist ent­spre­chend den Nach­haf­tungs­re­geln in §§ 26, 160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG auf An­sprüche, die vor Ab­lauf von fünf Jah­ren nach der Be­kannt­ma­chung fällig wer­den, be­grenzt.

http://ju­ris.bun­des­ge­richts­hof.de/cgi-bin/recht­spre­chung/do­cu­ment.py?Ge­richt=bgh&Art=en&Da­tum=Ak­tu­ell&Sort=12288&nr=69339&pos=6&anz=482&Blank=1.pdfDer Sach­ver­halt:
Die s. GmbH U. mie­tete im De­zem­ber 2007 von der Kläge­rin ein ei­gens zu die­sem Zweck er­rich­te­tes ge­werb­li­ches Ob­jekt für die Dauer von 15 Jah­ren. Die Be­klagte hatte als herr­schen­des Un­ter­neh­men im April 2006 mit der am glei­chen Tag gegründe­ten s. GmbH U. für die Dauer von zehn Jah­ren einen Be­herr­schungs- und Ge­winn­abführungs­ver­trag ab­ge­schlos­sen. Mit Ver­trag vom 30.11./1.12.2010 ho­ben die Be­klagte und die s. GmbH U. den Be­herr­schungs- und Ge­winn­abführungs­ver­trag zum 31.12.2010 auf. Die Ein­tra­gung der Auf­he­bung wurde am 17.1.2011 im Han­dels­re­gis­ter be­kannt ge­macht. Die Be­klagte gab ge­genüber der Kläge­rin ana­log § 303 Abs. 3 AktG ein Bürg­schafts­ver­spre­chen ab, das zeit­lich bis zum 16.1.2016 be­fris­tet ist.

Mit der Klage ver­langte die Kläge­rin von der Be­klag­ten die Leis­tung ei­ner Si­cher­heit gem. § 232 Abs. 1 BGB bis zum 17.1.2017 in Höhe ei­nes Be­trags von rd. 292.000 €. Das LG wies die Klage ab. Im Be­ru­fungs­ver­fah­ren be­an­tragte die Kläge­rin zusätz­lich hilfs­weise fest­zu­stel­len, dass die Be­klagte ver­pflich­tet sei, der Kläge­rin je­den wei­te­ren Scha­den zu er­set­zen, der aus der Auf­he­bung des zwi­schen der Be­klag­ten und der s. GmbH U. am 10.4.2006 ab­ge­schlos­se­nen Be­herr­schungs- und Ge­winn­abführungs­ver­trags in der Zeit vom 17.1.2016 bis 17.1.2017 ent­ste­hen wird. Das OLG wies die Be­ru­fung zurück. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch auf Leis­tung ei­ner Si­cher­heit gem. § 232 Abs. 1 BGB über den 16.1.2016 hin­aus bis zum 17.1.2017. Das OLG hat den Si­che­rungs­an­spruch zeit­lich zu Recht ent­spre­chend §§ 26, 160 HGB, § 327 Abs. 4 AktG auf An­sprüche, die in­ner­halb von fünf Jah­ren ab der Be­kannt­ma­chung der Ein­tra­gung der Be­en­di­gung des Be­herr­schungs- und Ge­winn­abführungs­ver­trags fällig wer­den, be­grenzt.

Im Ver­trags­kon­zern mit ei­ner GmbH als abhängi­ger Ge­sell­schaft ist der Rechts­ge­danke des § 302 AktG ent­spre­chend an­zu­wen­den. Das gilt auch für die Be­si­che­rung nach § 303 AktG. Der An­spruch der Gläubi­ger ei­ner abhängi­gen Ge­sell­schaft auf eine Si­cher­heits­leis­tung für Ver­bind­lich­kei­ten, die bis zur Be­kannt­ma­chung der Ein­tra­gung der Be­en­di­gung des Be­herr­schungs- oder Ge­winn­abführungs­ver­trags begründet, aber erst da­nach fällig wer­den, ist ent­spre­chend den Nach­haf­tungs­re­geln in §§ 26, 160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG auf An­sprüche, die vor Ab­lauf von fünf Jah­ren nach der Be­kannt­ma­chung fällig wer­den, be­grenzt.

§ 303 AktG enthält in­so­weit eine Re­ge­lungslücke. An­sprüche aus Dau­er­schuld­verhält­nis­sen sind be­reits dann vor der Be­kannt­ma­chung der Ein­tra­gung der Be­en­di­gung des Un­ter­neh­mens­ver­trags i.S.v. § 303 Abs. 1 S. 1 AktG begründet, wenn das Dau­er­schuld­verhält­nis selbst ent­stan­den ist. Auf die Fällig­keit des ein­zel­nen An­spruchs ist nicht ab­zu­he­ben. Da­mit be­steht die Ge­fahr ei­ner end­lo­sen oder je­den­falls weit über den Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Be­herr­schungs- bzw. Ge­winn­abführungs­ver­tra­ges hin­aus­rei­chen­den Haf­tung des herr­schen­den Ver­trags­teils, ob­wohl die Gläubi­ger ei­ner ver­trag­lich kon­zer­nier­ten Ge­sell­schaft kei­nen An­spruch auf einen Fort­be­stand des Be­herr­schungs- bzw. Ge­winn­abführungs­ver­tra­ges und der Ver­lust­aus­gleichs­pflicht nach § 302 AktG ha­ben.

Eine sol­che zeit­lich weit rei­chende Haf­tung lässt sich mit dem Zweck des An­spruchs auf die Si­cher­heits­leis­tung nicht ver­ein­ba­ren. Der An­spruch auf Si­cher­heits­leis­tung nach § 303 AktG soll der Ge­fahr be­geg­nen, dass die früher abhängige Ge­sell­schaft, de­ren ei­genständige Le­bensfähig­keit we­gen der vor­he­ri­gen Aus­rich­tung auf das Kon­zern­in­ter­esse zwei­fel­haft er­scheint, ihre Ver­bind­lich­kei­ten nicht mehr be­zah­len kann, nach­dem die Ver­pflich­tung der Ober­ge­sell­schaft zur Ver­lust­de­ckung nach § 302 AktG in­folge der Be­en­di­gung des Ver­trags ent­fal­len ist. Diese mit der früheren Kon­zer­nie­rung ver­bun­dene Ge­fahr ver­min­dert sich aber im Lauf der Zeit nach Be­en­di­gung des Be­herr­schungs- oder Ge­winn­abführungs­ver­trags.

Die Re­ge­lungslücke ist un­be­ab­sich­tigt. Sie ist ent­spre­chend §§ 26, 160 HGB, § 327 Abs. 4 AktG durch eine Be­gren­zung der Si­cher­heits­leis­tung auf An­sprüche, die in­ner­halb von fünf Jah­ren ab der Be­kannt­ma­chung der Ein­tra­gung der Be­en­di­gung des Ver­trags fällig wer­den, zu schließen. Die ent­spre­chende An­wen­dung der Ent­haf­tungs­re­geln der §§ 26, 160 HGB, § 327 Abs. 4 AktG ist ge­genüber ei­ner Be­gren­zung nach dem kon­kret zu be­stim­men­den, an­ge­mes­se­nen Si­che­rungs­in­ter­esse des je­wei­li­gen Gläubi­gers vor­zugswürdig. Eine nach den Si­che­rungs­bedürf­nis­sen des Gläubi­gers be­stimmte Frist ist we­gen ih­rer Un­be­stimmt­heit we­ni­ger ge­eig­net, der Ge­fahr ei­ner End­los­haf­tung zu be­geg­nen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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