Diese Motivation nimmt der Gesetzgeber zum Anlass für diverse Maßnahmen, mit denen er die Attraktivität des Fondsstandorts anheben möchte. Neben verschiedenen Einzelregelungen sind vor allem die folgenden Maßnahmen zu nennen:
Ausweitung der Angebotspalette für Fondsanbieter bzw. Anleger
Mit Blick auf die schon seit langem als Nachteil für den deutschen Fondsstandort empfundenen größeren Freiheiten in Bezug auf die Fondsgestaltung für Fondsanbieter bzw. in Bezug auf Anlagemöglichkeiten für Anleger an anderen EU-Fondsstandorten hat sich der deutsche Gesetzgeber nunmehr zur Ausweitung der Fondspalette für Fondsanbieter bzw. Anleger entschlossen. Konkret geht es um die Aufnahme der offenen Investmentkommanditgesellschaft, des geschlossenen Sondervermögens, des Infrastruktur-Sondervermögens und des geschlossene Master-Feeder-Fonds in das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB):
- Offene Investmentkommanditgesellschaften
Als neue Gestaltungsmöglichkeit für offene inländische Investmentvermögen, die nach den Anlagebedingungen das bei ihnen eingelegte Geld in Immobilien anlegen, sieht der Referentenentwurf vor, dass dies zukünftig nicht mehr nur in der Form von Sondervermögen erfolgen kann (Immobilien-Sondervermögen), sondern auch in der Form der offenen Investmentkommanditgesellschaft. Die Aufhebung der bisherigen Gestaltungsbeschränkung auf Sondervermögen bei offenen Immobilienfonds ist zu begrüßen, war sie doch schon bisher nicht gerechtfertigt. - Geschlossene Sondervermögen
Durch eine Rechtsgrundverweisung in die Vorschriften des KAGB für Sondervermögen werden diese für geschlossene inländische Spezial-AIF für entsprechend anwendbar erklärt. Somit können zukünftig geschlossene Spezial-AIF nicht nur als geschlossene Investmentgesellschaften in Form der geschlossenen Investmentkommanditgesellschaft und der Investmentaktiengesellschaft mit fixem Kapital, sondern auch in Vertragsform aufgelegt werden. Maßgebliches aufsichtsrechtliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber offenen Spezial-AIF in Form des Sondervermögens wird dann die Rücknahme von Anteilen bei den offenen Spezial-AIF sein, die bei den geschlossenen Sondervermögen nicht möglich sein wird. Insofern erfolgt die Rechtsgrundverweisung in die Vorschriften über das Sondervermögen nicht vollständig. Auch unterliegt das geschlossene Spezial-Sondervermögen mangels Rechtsverweis keinen produktspezifischen Vorschriften wie sie für offene Spezial-Sondervermögen gelten. Zu dieser größeren Flexibilität geschlossener Sondervermögen kommt hinzu, dass die geschlossenen Sondervermögen ebenso wie offenen Sondervermögen Teilsondervermögen bilden können. Dies komplettiert die Möglichkeit zur Bildung von Umbrellastrukturen im geschlossenen Fondsbereich. Erst unlängst im März 2020 hatte der Gesetzgeber diese Möglichkeit für geschlossene Investmentgesellschaften geschaffen, indem er die Bildung geschlossener Teilinvestment- bzw. Teilgesellschaftsvermögen neu in das KAGB aufgenommen hat (siehe dazu ausführlich Verfürth/Hecht, BB 2020, 1927). In steuerrechtlicher Hinsicht ist festzustellen, dass das geschlossene Spezial-Sondervermögen, sollte nicht noch eine andere steuerrechtliche Regelung erfolgen, dem Steuerregime des Investmentsteuergesetzes unterfallen wird.
Hinweis: Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sollte durch eine Ergänzung der Registrierungsvorschriften noch geregelt werden, dass die Möglichkeit geschlossener Spezial-Sondervermögen auch für die Verwaltung durch registrierte Kapitalverwaltungsgesellschaften gilt. Triftige Gründe, hier zu differenzieren, bestehen nicht.
- Infrastruktur-Sondervermögen
Neu in das KAGB aufgenommen werden Vorschriften, die das Infrastruktur-Sondervermögen regeln. Mit dieser neuen Investmentform soll ein geeignetes Fondsvehikel für Kleinanleger zur Investition in Infrastrukturprojekte geschaffen werden. Da es sich bei Infrastruktur, ähnlich wie bei Immobilien, um hoch illiquide Assets handelt, erklärt der Gesetzgeber die Vorschriften für Immobilien-Sondervermögen für entsprechend anwendbar, soweit sich aus den neuen Vorschriften für das Infrastruktur-Sondervermögen keine Abweichungen ergeben. Damit das Sondervermögen seinen Charakter als Infrastruktur-Sondervermögen wahrt, ist vorgesehen, dass mindestens 60% des Fondswertes in Infrastruktur-Projektgesellschaften, Immobilien und Nießbrauchrechten an Immobilien angelegt werden muss. Die Rücknahmemöglichkeit ist mit Rücksicht auf die Illiquidität der Assetklasse zwar auf eine höchstens halbjährliche, mindestens aber jährliche, Rücknahme beschränkt.
Hinweis: Damit qualifiziert das Sondervermögen als offen und ist flexibler als der auf europäischer Ebene für Infrastrukturinvestments eingeführte European Long Term Investment Fund (ELTIF), der bereits 2015 eingeführt wurde, bis dato jedoch keine nennenswerten Erfolge verzeichnen konnte. Insofern bleibt abzuwarten, ob das Infrastruktur-Sondervermögen mehr Erfolg haben wird. Zweifel sind hier angebracht, denn neu sind die Vorschriften nur insofern, als sie bisher nicht im KAGB enthalten waren. Im Investmentgesetz, dem Vorläufer zum KAGB, waren Infrastruktur-Sondervermögen jedoch bereits geregelt, wurden aber gerade wegen ihrer Erfolglosigkeit nicht in das KAGB übernommen.
- Geschlossene Master-Feeder-Fonds
Zukünftig sollen auch geschlossene Master-Feeder-Strukturen möglich sein. Die neuen Vorschriften orientieren sich an den bereits geregelten offenen Master-Feeder-Strukturen, weichen aber insofern ab, wie es der geschlossene Charakter der Struktur verlangt. Mit den neuen Vorschriften sollen Fondsverwaltern mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Anlegern mehr Auswahl an möglichen Produkten gegeben werden. Formal wird dieses Ziel mit der Aufnahme der neuen Vorschriften in das KAGB erreicht. Ob von ihnen in der Praxis umfassend Gebrauch gemacht wird, bleibt abzuwarten.
Erweiterung der Finanzierungs- und Belastungskonditionen bei Immobilien-Sondervermögen bzw. offenen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen
Größere Flexibilität soll auch mit neuen Vorschriften, die die Finanzierungs- und Belastungskonditionen bei Immobilien-Sondervermögen bzw. bei Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen betreffen, erreicht werden. So sollen die Beschränkungen der Darlehensvergabe von Immobilien-Sondervermögen an Immobiliengesellschaften nicht gelten, wenn die Verwaltungsgesellschaft an der Immobiliengesellschaft für Rechnung des Sondervermögens unmittelbar oder mittelbar zu hundert Prozent beteiligt ist und diese selbst unmittelbar Grundstücke hält. Die vorgenannten Beschränkungen bei der Fremdkapitalausstattung galten schon seit jeher nicht im Fall der Eigenkapitalausstattung. Da der Risikogehalt in beiden Fällen aber gleich ist, ist die nunmehrige Anpassung im Hinblick auf die Fremdkapitalausstattung nur konsequent und überfällig. Neben dieser vorgesehenen Ausnahme sollen die zulässigen Belastungs- und Kreditaufnahmegrenzen bei offenen (Immobilien) Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen von bisher 50% auf zukünftig 60% des Verkehrswertes der im Sondervermögen befindlichen Immobilien angehoben werden. Mit der Anhebung soll Fondsverwaltern insbesondere in Krisenzeiten mehr Flexibilität geboten werden. Die Anhebung bedeutet eine weitere Erleichterung gegenüber Publikumsinvestmentvermögen, wo die Grenze bei 30% liegt.
Entbürokratisierung und Digitalisierung
Die Bemühungen der Bundesregierung zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung erstrecken sich auch auf die Kommunikation der vom KAGB Betroffenen mit der BaFin. So soll zukünftig ausschließlich ein von der BaFin noch einzurichtendes elektronisches Kommunikationssystem genutzt werden. Der Gesetzgeber hat hierzu das KAGB einer systematischen Durchsicht unterzogen und passt mit dem vorliegenden Referentenentwurf die gesamten Regelungen zur Kommunikation an die BaFin (dies betrifft u.a. Anzeigen, Anträge, Mitteilungen, Unterlagen, Informationen und Nachweise) und der BaFin an die Betroffenen (u.a. durch Verwaltungsakte) an die gewünschte Nutzung des elektronischen Kommunikationssystems an. Die vorgesehenen Maßnahmen führen auch zur Entbürokratisierung, wie etwa zur Abschaffung der Verwendung eines dauerhaften Datenträgers zur Information von Anlegern, soweit nicht durch EU-Recht vorgegeben, und zu mehr Flexibilität für Fondsverwalter bei Änderungen von Fondsregeln.
Steuerliche Erleichterungen bei Mitarbeiterbeteiligungen und zur steuerlichen Förderung im Wagniskapitalbereich
Zur Erhöhung der Attraktivität von Mitarbeiterbeteiligungen soll im Einkommensteuergesetz der steuerfreie Höchstbetrag von 360 Euro auf 720 Euro angehoben werden. Zudem ist eine steuerliche Regelung zur weiteren Förderung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen insbesondere bei Start-up-Unternehmen vorgesehen. Darüber hinaus sind Rechtsänderungen im Umsatzsteuergesetz vorgesehen, mit denen die Umsatzsteuerbefreiung auf die Verwaltung von Wagniskapitalfonds ausgedehnt wird. Damit entfällt zukünftig die umsatzsteuerliche Belastung der Management-Fee, die bislang einen großen Nachteil für den Fondsstandort Deutschland darstellte.
Umsetzung von EU-Richtlinie bzw. Anpassung an EU-Verordnungen:
- Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1160 über den grenzüberschreitenden Fondsvertrieb
Erfolgen die vorstehenden Neuerungen im Bemühen, den Fondsstandort Deutschland attraktiver zu machen, hat der Gesetzgeber die nachfolgend genannten Änderungen quasi als Hausaufgabe durch den EU-Gesetzgeber aufgegeben bekommen. Diese Änderungen beruhen zum einen auf der bis zum 2.8.2021 vorzunehmenden Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1160. Mit dieser EU-Richtlinie wurden Änderungen zur OGAW-IV Richtlinie und zur AIFM-Richtlinie im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Fondsvertrieb vorgenommen. Die umzusetzenden Änderungen betreffen u.a. die Voraussetzungen des Widerrufs grenzüberschreitenden Inbound- und Outbound-Vertriebs, jeweils in Bezug auf bestimmte Verwaltungsgesellschaften und Investmentvermögen, und diesbezügliche Informationspflichten gegenüber Anlegern. Ferner betreffen die umzusetzenden Änderungen Vorgaben für das Pre-Marketing, d.h. für die in-/direkte Bereitstellung von Informationen und Mitteilungen über Anlagestrategien oder Anlagekonzepte an potenzielle professionelle und semiprofessionelle Anleger mit Sitz im Inland oder an professionelle Anleger mit Sitz in Mitglied- bzw. Vertragsstaaten der EU bzw. des EWR mit dem Ziel festzustellen, inwieweit Interesse an einem noch nicht zugelassenen oder noch nicht angezeigten AIF oder Teilinvestmentvermögen besteht. Die Umsetzung der EU-Vorschriften führt zu einer Harmonisierung des aufsichtsrechtlich EU-weit bislang unterschiedlich gehandhabten Pre-Marketings; zugleich führt sie zu einer Regulierung dieser in Deutschland bislang unregulierten Materie. Schließlich sehen die Änderungen zum KAGB in Umsetzung der Richtlinie 2019/1160 die Bereitstellung von Einrichtungen für den Vertrieb an Privat- bzw. Kleinanleger vor. - Anpassungen im Hinblick auf die europäische Taxonomie-Verordnung und Transparenz-Verordnung
Im Rahmen des Sustainable-Finance-Aktionsplans der Europäischen Kommission wurden unter anderem die Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Transparenz-Verordnung) und die Verordnung (EU) 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (Taxonomie-Verordnung) verabschiedet. Die Verordnungen sollen zu einer stärkeren Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in den Investitionsentscheidungen von Finanzmarktakteuren beitragen. Als Verordnungen gelten deren Vorschriften zwar unmittelbar in Deutschland; dennoch hält es der Gesetzgeber für erforderlich, durch explizite Anwendbarkeitsbestimmungen im KAGB, im Wertpapierhandelsgesetz und im Versicherungsaufsichtsgesetz im Hinblick auf die beiden Verordnungen dem Rechtsanwender Klarheit zu verschaffen. Hinzu kommen Klarstellungen zu den Überwachungsbefugnissen der BaFin im Hinblick auf die Einhaltung der beiden Verordnungen sowie die Einbeziehung in Ordnungswidrigkeitsvorschriften.
Inkrafttreten
Bis auf einige steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Vorschriften, deren Inkrafttreten zum 1.7.2021 vorgesehen ist, und Neuerungen, die die Nutzung des von der BaFin bereitgestellten, aber noch einzurichtenden, elektronischen Kommunikationsverfahrens betreffen und zum 1.4.2023 in Kraft treten sollen, ist vorgesehen, dass das Gesetz am Tag nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft tritt. Hierbei sind spezifische Übergangsregelungen betreffend die EU-Nachhaltigkeitsverordnungen (Taxonomie, Transparenz) abhängig vom verfolgten Umweltziel zum 1.1.2022 bzw. 1.1.2023, einerseits und betreffend die Vorschriften zum grenzüberschreitenden Vertrieb und zum Pre-Marketing zum 2.8.2021 andererseits vorgesehen.
Fazit/Ausblick
Ob die geplanten Vorschriften Deutschland im europäischen Vergleich zu einem attraktiven Fondsstandort machen und dazu beitragen, dass Fondsgeschäft nicht weiter in andere Jurisdiktionen abwandert oder gar zurückverlagert wird, bleibt abzuwarten. Trotz aller berechtigter Kritik dahingehend, dass die Vorschriften noch nicht weit genug gehen, sind sie gleichwohl als Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen. Denn immerhin wird schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten Kritik an den teilweise prohibitiven deutschen investmentrechtlichen Regelungen geübt, ohne dass sich der Gesetzgeber bisher nennenswert bewegt hat.