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EuGH-Vorlage: Lizenzvorlage schon im Ausfuhrverfahren?

BFH 16.4.2013, VII R 67/11

Ist bei der Ent­schei­dung über die Gewährung von Aus­fuh­rer­stat­tung von der ord­nungs­gemäßen Vor­lage ei­ner Aus­fuhr­li­zenz aus­zu­ge­hen, wenn die Aus­fuhr­zoll­stelle die Aus­fuhr­an­mel­dung ohne Vor­lage der Li­zenz an­ge­nom­men hat, dem Ausführer da­bei ge­stat­tet hat, die Li­zenz bin­nen ei­ner be­stimm­ten Frist nach­zu­rei­chen, und die­ser dem nach­ge­kom­men ist? Dies ist eine von vier Fra­gen, die der BFH dem EuGH zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt hat, weil ihm die Ant­wort dar­auf nicht klar und ein­deu­tig er­schien.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin hatte 2002 Fetakäse zur Aus­fuhr un­ter Gewährung von (dif­fe­ren­ziert fest­ge­setz­ter) Aus­fuh­rer­stat­tung an­ge­mel­det und da­bei auf eine von däni­schen Behörden aus­ge­stellte Li­zenz hin­ge­wie­sen. Diese legte sie je­doch nicht mit der Aus­fuhr­an­mel­dung vor. Das deut­sche Aus­fuhr­zoll­amt gewährte ihr des­halb nach Be­schau eine "Vor­la­ge­frist" von ei­ner Wo­che. Als die Li­zenz, die be­reits vor Ab­gabe der Aus­fuhr­an­mel­dung aus­ge­stellt wor­den war, in­ner­halb die­ser Frist vor­ge­legt wurde, schrieb das Zoll­amt die Ware auf ihr ab.

Das Haupt­zoll­amt lehnte je­doch den Zah­lungs­an­trag der Kläge­rin ab, weil die Aus­fuhr ohne gültige Li­zenz er­folgt sei. Die Vor­aus­set­zun­gen für eine nachträgli­che Vor­lage der Li­zenz hätten nicht vor­ge­le­gen. Außer­dem for­derte die Behörde von der Kläge­rin eine Sank­tion an, nach­dem diese zum Nach­weis der Erfüllung der Zollförm­lich­kei­ten in dem Be­stim­mungs­land (Ju­go­sla­wien/Ko­sovo) ein gefälsch­tes Zoll­do­ku­ment vor­ge­legt hatte, das erst im Ver­lauf des wei­te­ren Ver­wal­tungs­ver­fah­rens durch ein ech­tes Do­ku­ment er­setzt wurde.

Das FG wies die ge­gen die Ab­leh­nung des Er­stat­tungs­an­tra­ges und den Sank­ti­ons­be­scheid ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin setzte der BFH das Ver­fah­ren aus und legte dem EuGH fol­gende die rich­tige Aus­le­gung des Uni­ons­rechts be­tref­fen­den Rechts­fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor:

1. Ist bei der Ent­schei­dung über die Gewährung von Aus­fuh­rer­stat­tung von der ord­nungs­gemäßen Vor­lage ei­ner Aus­fuhr­li­zenz gem. Art. 4 Abs. 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 800/1999 über ge­mein­same Durchführungs­vor­schrif­ten für Aus­fuh­rer­stat­tun­gen bei land­wirt­schaft­li­chen Er­zeug­nis­sen aus­zu­ge­hen, wenn die Aus­fuhr­zoll­stelle die Aus­fuhr­an­mel­dung ohne Vor­lage der Li­zenz an­ge­nom­men hat, dem Ausführer da­bei ge­stat­tet hat, die Li­zenz bin­nen ei­ner be­stimm­ten Frist nach­zu­rei­chen, und die­ser dem nach­ge­kom­men ist?

2. So­fern diese Frage zu ver­nei­nen ist: Ver­langt Art. 4 Abs. 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 800/1999 über ge­mein­same Durchführungs­vor­schrif­ten für Aus­fuh­rer­stat­tun­gen bei land­wirt­schaft­li­chen Er­zeug­nis­sen zwin­gend die Vor­lage der Aus­fuhr­li­zenz schon bei der Ab­gabe der Aus­fuhr­an­mel­dung oder reicht es aus, wenn der Ausführer eine (ihm vor der Aus­fuhr er­teilte) Aus­fuhr­li­zenz erst im Zah­lungs­ver­fah­ren vor­legt?

3. Kann der Ausführer, der zunächst gefälschte Zoll­do­ku­mente für die An­kunft der Aus­fuhr­ware im Be­stim­mungs­land vor­ge­legt hat, gültige Zoll­do­ku­mente noch nach Ab­lauf der für die Vor­lage in der Ver­ord­nung (EG) Nr. 800/1999 über ge­mein­same Durchführungs­vor­schrif­ten für Aus­fuh­rer­stat­tun­gen bei land­wirt­schaft­li­chen Er­zeug­nis­sen fest­ge­leg­ten Fris­ten an­spruchs­wah­rend vor­le­gen, wenn die verspätete Vor­lage die Ab­wick­lung des Zah­lungs­ver­fah­rens nicht verzögert oder be­hin­dert hat, weil der Er­stat­tungs­an­trag zunächst aus an­de­ren Gründen als der feh­len­den Vor­lage sol­cher An­kunfts­nach­weise ab­ge­lehnt wor­den ist und diese vor­ge­legt wer­den, nach­dem die Fälschung je­ner Do­ku­mente er­kannt wor­den ist?

4. Ist eine Sank­tion gem. Art. 51 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 800/1999 über ge­mein­same Durchführungs­vor­schrif­ten für Aus­fuh­rer­stat­tun­gen bei land­wirt­schaft­li­chen Er­zeug­nis­sen auch dann ver­wirkt, wenn die be­an­tragte Aus­fuh­rer­stat­tung zwar der tatsäch­lich zu gewähren­den ent­spricht, der Ausführer aber im Zah­lungs­ver­fah­ren zunächst Do­ku­mente vor­ge­legt hat, auf Grund de­rer ihm Aus­fuh­rer­stat­tung nicht hätte gewährt wer­den können?

Die Gründe:
Hat ein Ausführer nicht den von Art. 16 Ver­ord­nung Nr. 800/1999 ge­for­der­ten Nach­weis der Ein­fuhr der Wa­ren in das Dritt­land (bzw. ei­nes der Drittländer, für das die von ihm be­an­spruchte dif­fe­ren­zierte Aus­fuh­rer­stat­tung fest­ge­setzt ist) vor­ge­legt bzw. nur einen schein­ba­ren, in Wahr­heit gefälsch­ten Nach­weis, kann ihm die Aus­fuh­rer­stat­tung nicht gewährt wer­den.

Der EuGH hat die darüber hin­aus zu be­ach­tende Sank­ti­ons­re­ge­lung des Art. 51 Abs. 1 Ver­ord­nung Nr. 800/1999 in sei­nem Ur­teil vom 14.4.2005 (C-385/03) zunächst maßgeb­lich mit den von ei­ner Aus­fuhr­an­mel­dung aus­ge­hen­den Ge­fah­ren ge­recht­fer­tigt, mit wel­cher eine höhere als die dem Ausführer tatsäch­lich zu­ste­hende Er­stat­tung be­gehrt wird. Er hat dazu aus­geführt, es genüge für die An­wen­dung der Sank­tion be­reits die Möglich­keit, dass un­rich­tige An­ga­ben in der Aus­fuhr­an­mel­dung oder einem an­de­ren bei der Aus­fuhr ver­wen­de­ten Do­ku­ment zur un­rechtmäßigen Zah­lung von Er­stat­tun­gen führen.

Nach dem EuGH-Ur­teil vom 24.4.2008 (C-143/07) ist al­ler­dings eine Sank­tion auch dann zu verhängen, wenn sich erst nach der An­trag­stel­lung ein Sach­ver­halt zu­ge­tra­gen hat, auf Grund des­sen dem Ausführer die mit der Aus­fuhr­an­mel­dung be­an­tragte Aus­fuh­rer­stat­tung nicht oder nicht in der nach sei­nen An­ga­ben zu er­war­ten­den Höhe zu­steht, etwa weil die Aus­fuhr des Er­zeug­nis­ses nicht statt­fin­det. Dies zeigt, dass die Sank­ti­ons­re­ge­lung auch dann an­zu­wen­den ist, wenn nicht schon bei der Ab­gabe der Aus­fuhr­an­mel­dung von dem Ausführer eine höhere als die ihm tatsäch­lich zu­ste­hende Er­stat­tung be­an­tragt wird, wohl aber auf Grund bei Durchführung des Zah­lungs­ver­fah­rens ein­ge­tre­te­ner Umstände der in der Aus­fuhr­an­mel­dung ent­hal­tene Er­stat­tungs­an­trag rück­bli­ckend un­be­rech­tigt er­scheint.

Ist aber un­ge­ach­tet ei­ner ma­te­ri­ell-recht­lich be­ste­hen­den Be­rech­ti­gung des Be­geh­rens, Er­stat­tung zu er­hal­ten, von einem sol­chen un­be­rech­tig­ten Er­stat­tungs­an­trag schon des­halb aus­zu­ge­hen, weil der Ausführer mit sei­nem Zah­lungs­an­trag zunächst Do­ku­mente vor­ge­legt hat, auf Grund de­ren ihm (weil sie gefälscht sind) Aus­fuh­rer­stat­tung nicht gewährt wer­den kann, wenn er doch nachträglich in den Be­sitz von Do­ku­men­ten ge­langt, die den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen an die Gewährung von Aus­fuh­rer­stat­tung genügen, und er diese - mögli­cher­weise so­gar noch in einem aus an­de­ren Gründen anhängi­gen Rechts­be­helfs­ver­fah­ren - der Behörde vor­legt? Auch in einem sol­chen Fall ge­hen al­ler­dings von dem Ver­hal­ten des Ausführers er­heb­li­che Ge­fah­ren für die fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen der Union aus, weil die Ver­nei­nung die­ser Frage dazu ein­la­den könnte, im Zah­lungs­ver­fah­ren be­wei­sun­ge­eig­nete Un­ter­la­gen in der Hoff­nung vor­zu­le­gen, diese würden nicht als sol­che er­kannt wer­den, und die Vor­lage in die­sem Fall zur un­rechtmäßigen Zah­lung von Er­stat­tun­gen führen würde.

In­fol­ge­des­sen hat der be­schließende Se­nat das bei ihm anhängige Re­vi­si­ons­ver­fah­ren aus­ge­setzt und er­bit­tet vom EuGH eine Vor­ab­ent­schei­dung zu den vier for­mu­lier­ten Fra­gen.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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