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BGH zur Unwirksamkeit von Klauseln in Lebens- und Rentenversicherungsverträgen

Urteil des BGH vom 17.10.2012 - IV ZR 202/10
Der für das Ver­si­che­rungs­ver­trags­recht zuständige IV. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) hat am 17.10.2012 in einem wei­te­ren Ver­fah­ren über die Wirk­sam­keit von Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen u.a. be­tref­fend die Rück­kaufs­werte, den Stor­no­ab­zug so­wie die Ver­rech­nung von Ab­schluss­kos­ten (sog. Zill­me­rung) ent­schie­den. Be­trof­fen sind Klau­seln in All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen für die Ka­pi­tal-Le­bens­ver­si­che­rung, die auf­ge­scho­bene und die fonds­ge­bun­dene Ren­ten­ver­si­che­rung für den Fall der Kündi­gung so­wie der Um­wand­lung in eine bei­trags­freie Ver­si­che­rung.
Der Kläger, ein ge­meinnützi­ger Ver­brau­cher­schutz­ver­ein, nimmt die Be­klagte, einen deut­schen Le­bens­ver­si­che­rer, auf Un­ter­las­sung der Ver­wen­dung der an­ge­grif­fe­nen Klau­seln so­wohl beim Ab­schluss neuer Ver­si­che­rungs­verträge als auch bei der Ab­wick­lung be­reits ge­schlos­se­ner Verträge in An­spruch. Die Par­teien strei­ten über die Wirk­sam­keit von Be­stim­mun­gen der ge­nann­ten Art, die die Be­klagte je­den­falls zeit­weise im Zeit­raum 2001 bis Ende 2006 ver­wen­dete. Die Klage hat in den Vor­in­stan­zen über­wie­gend Er­folg ge­habt. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die an­ge­grif­fe­nen Klau­seln im We­sent­li­chen für in­trans­pa­rent und da­mit un­wirk­sam er­ach­tet. Es hat aber die Klage ab­ge­wie­sen, so­weit der Kläger sich ge­gen die Ver­ur­tei­lung bezüglich der Ver­wen­dung der Klau­seln für Neu­ab­schlüsse ab 1. Ja­nuar 2008 wen­det. Da­ge­gen ha­ben beide Par­teien Re­vi­sion ein­ge­legt, so­weit zu ih­rem Nach­teil er­kannt wurde.
Mit Ur­teil vom 25. Juli 2012 hat der Se­nat im Ver­fah­ren IV ZR 201/10 (vgl. Pres­se­mit­tei­lung Nr. 122/2012), das einen an­de­ren Le­bens­ver­si­che­rer be­traf, ent­schie­den, dass Be­din­gun­gen, die die zu einem er­heb­li­chen Teil aus Ver­mitt­lungs­pro­vi­sio­nen be­ste­hen­den Ab­schluss­kos­ten mit den ers­ten Ver­si­che­rungsprämien ver­rech­nen, eine un­an­ge­mes­sene Be­nach­tei­li­gung des Ver­si­che­rungs­neh­mers dar­stel­len und des­halb un­wirk­sam sind. We­gen Ver­stoßes ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot hat der Se­nat fer­ner Klau­seln für un­wirk­sam erklärt, die nicht hin­rei­chend deut­lich zwi­schen dem im Fall ei­ner vor­zei­ti­gen Ver­trags­be­en­di­gung nach den an­er­kann­ten Re­geln der Ver­si­che­rungs­ma­the­ma­tik zu be­rech­nen­den Rück­kauf­wert (§ 176 Abs. 3 VVG a.F.) ei­ner­seits und dem so­ge­nann­ten Stor­no­ab­zug, der ver­ein­bart und an­ge­mes­sen sein muss (§ 176 Abs. 4 VVG a.F.), an­de­rer­seits dif­fe­ren­zie­ren. We­gen un­an­ge­mes­se­ner Be­nach­tei­li­gung des Ver­si­che­rungs­neh­mers sind fer­ner Be­stim­mun­gen un­wirk­sam, die vor­se­hen, dass dem Ver­si­che­rungs­neh­mer nach al­len Abzügen ver­blei­bende Beträge un­ter 10 € nicht er­stat­tet wer­den.
In dem am 17.10.2012 verkünde­ten Ur­teil hat der Se­nat nun ent­schie­den, dass diese Grundsätze aus dem Ur­teil vom 25. Juli 2012 auf die All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten ent­spre­chend An­wen­dung fin­den und die Be­klagte sich nicht nur bei der Ab­wick­lung be­ste­hen­der Verträge, son­dern auch bei de­ren Neu­ab­schluss nicht auf die für un­wirk­sam erklärten Klau­seln be­ru­fen darf.
§ 307 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB)
Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen sind un­wirk­sam, wenn sie den Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen. Eine un­an­ge­mes­sene Be­nach­tei­li­gung kann sich auch dar­aus er­ge­ben, dass die Be­stim­mung nicht klar und verständ­lich ist. Eine un­an­ge­mes­sene Be­nach­tei­li­gung ist im Zwei­fel an­zu­neh­men, wenn eine Be­stim­mung mit we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken der ge­setz­li­chen Re­ge­lung, von der ab­ge­wi­chen wird, nicht zu ver­ein­ba­ren ist oder we­sent­li­che Rechte oder Pflich­ten, die sich aus der Na­tur des Ver­trags er­ge­ben, so ein­schränkt, dass die Er­rei­chung des Ver­trags­zwecks gefähr­det ist. … § 176 Ver­si­che­rungs­ver­trags­ge­setz (VVG) in der bis zum 31. De­zem­ber 2007 gel­ten­den Fas­sung ... Der Rück­kaufs­wert ist nach den an­er­kann­ten Re­geln der Ver­si­che­rungs­ma­the­ma­tik für den Schluß der lau­fen­den Ver­si­che­rungs­pe­riode als Zeit­wert der Ver­si­che­rung zu be­rech­nen. Prämi­enrückstände wer­den vom Rück­kaufs­wert ab­ge­setzt. Der Ver­si­che­rer ist zu einem Ab­zug nur be­rech­tigt, wenn er ver­ein­bart und an­ge­mes­sen ist. Quelle: Pres­se­mit­tei­lung des BGH Nr. 177/2012 vom 17.10.2012
18.10.2012 nach oben

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