
Pläne der Bundesregierung zum LkSG: Echte Entlastung oder Symbolpolitik?
Die neue Bundesregierung hat die Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes angekündigt. Entfallen damit aber auch alle bislang bestehenden Pflichten?
Mit dem Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) im Jahr 2023 hatte Deutschland einen wichtigen Schritt in Richtung menschenrechtlicher und umweltbezogener Verantwortung von Unternehmen entlang globaler Lieferketten unternommen. Das Gesetz stand jedoch schnell in der Kritik des übermäßigen Verwaltungsaufwands. Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD und wiederholend im am 28.05.2025 veröffentlichten Sofortprogramm der Bundesregierung wird nun angekündigt, dass das LkSG durch ein bürokratiearmes und vollzugsfreundliches Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung ersetzt werden soll. Diese Ankündigung steht im Kontext der anstehenden Umsetzung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), die bis zum 26.07.2027 in nationales Recht zu überführen ist. Zur Zukunft des LkSG enthält der Koalitionsvertrag folgende Ausführungen:
„Darüber hinaus schaffen wir das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ab. Es wird ersetzt durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, das die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt. Die Berichtspflicht nach dem LkSG wird unmittelbar abgeschafft und entfällt komplett.
Die geltenden gesetzlichen Sorgfaltspflichten werden bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes, mit Ausnahme von massiven Menschenrechtsverletzungen, nicht sanktioniert. Wir unterstützen den „Omnibus“ der Kommission, um die umfangreichen Vorgaben zum Inhalt der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung insbesondere für die mittelständische Wirtschaft deutlich zu reduzieren und zeitlich zu verschieben“ (Ziffern 1909 bis 1917 des Koalitionsvertrags).
Im Sofortprogramm der Bundesregierung vom 28.05.2025 wird lediglich die Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes und dessen Ersetzung in der stichpunktartigen Aufzählung genannt.
Doch welche Auswirkungen kann diese Ankündigung auf den Verwaltungsaufwand und die unternehmerische Verantwortung in der globalen Lieferkette haben?
Sorgfaltspflichten bleiben erhalten
Die externe Berichtspflicht nach § 10 Abs. 2 bis 4 LkSG über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten soll nach der Ankündigung des Koalitionsvertrages unmittelbar entfallen. Bisher wären nach geltendem Recht für die betroffenen Unternehmen die Jahresberichte für die Geschäftsjahre 2023 und 2024 erstmals zum 31.12.2025 bei der Aufsichtsbehörde BAFA einzureichen gewesen. Obgleich jedoch die externe Berichtspflicht für Unternehmen nun kurzfristig ganz entfallen soll, werden offenbar alle weiteren Sorgfaltspflichten, insbesondere die interne Dokumentationspflicht nach § 10 Abs. 1 LkSG, unverändert bestehen bleiben. Unternehmen müssen für eine gesetzeskonforme Umsetzung des LkSG also weiterhin ihren gesetzlichen LkSG-Sorgfaltspflichten nachkommen. Diese Sorgfaltspflichten sind im Wesentlichen auch in der CSDDD vorgesehen, nach den aktuell diskutierten Änderungen im ersten „Omnibus-Paket“ soll sich die CSDDD ausdrücklich dem deutschen LkSG annähern. Insbesondere die Risikoanalyse wird weiterhin das Herzstück der Sorgfaltspflichten bleiben. Auch die bisher schon unter dem LkSG verpflichtende Einrichtung eines Beschwerdewegs ist in der CSDDD vorgesehen. Ergänzend wird die CSDDD nach aktuellem Stand das Aufstellen eines Klimaplans verlangen.
Künftige Berichtspflichten
Die Europäische Kommission plant die bestehenden und künftigen ESG-Berichtspflichten zu konsolidieren, um Unternehmen diesbezüglich im Verwaltungsaufwand zu entlasten und dadurch die europäische Wettbewerbsfähigkeit weiterhin zu erhalten. Eine Konsolidierung soll insbesondere in Bezug auf redundante und sich überschneidende Berichtspflichten aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der CSDDD und der EU-Taxonomieverordnung erfolgen. Auch für Unternehmen, die weiterhin nach der CSRD zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind, könnten sich die Berichtspflichten durch eine inhaltliche Überarbeitung der europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) reduzieren.
Aussetzen von Sanktionierungen
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Sanktionierung bei Verstößen für die weiterhin geltenden Sorgfaltspflichten entfallen soll. Dies bedeutet, dass Unternehmen bei Verletzungen der Sorgfaltspflichten keine Bußgelder gemäß § 24 LkSG mehr drohen, der Ausschluss von Vergaben öffentlicher Aufträge gemäß § 22 LkSG entfallen und auch keine Eintragungen im Wettbewerbsregister erfolgen sollen. Ausgenommen sind von diesem Entfall der Sanktionierung jedoch „massive Menschenrechtsverletzungen“, wobei dieser Fall weder im Gesetz definiert noch bislang eine von der Aufsichtsbehörde vorgelegte Auslegung bekannt ist. Im Umkehrschluss bekräftigt diese ausdrücklich vorgesehene Freistellung von Sanktionen, dass die Sorgfaltspflichten im Wesentlichen dennoch weitergelten.
Es ist anzunehmen, dass im Falle einer Menschenrechtsverletzung innerhalb des eigenen Geschäftsbereiches oder der Lieferkette grundsätzlich eine einzelfallbezogene Prüfung erforderlich ist, um festzustellen, ob die Schwelle zu einer „Massivität“ überschritten wurde. Da das LkSG keine Hierarchisierung der geschützten Menschenrechte vorsieht, ist anzunehmen, dass jede im Anwendungsbereich des Gesetzes erfasste Menschenrechtsposition potenziell Gegenstand einer „massiven“ Verletzung sein kann. Unternehmen sollten daher nicht irrtümlich davon ausgehen, dass lediglich nach eigener Einschätzung besonders gewichtige Menschenrechte eines erhöhten Schutzes bedürfen. Vielmehr wird auf das Ausmaß der Beeinträchtigung, die Anzahl der betroffenen Personen sowie die Irreversibilität der Verletzung abzustellen sein. Da der Koalitionsvertrag explizit auf Menschenrechtsverletzungen abstellt, ist davon auszugehen, dass eine Sanktionierung des Verstoßes von massiven umweltbezogenen Sorgfaltspflichten aktuell unterbleiben soll.
Unsere Empfehlung
Um analysieren zu können, innerhalb welcher Lieferbeziehungen bzw. an welchen Stellen im eigenen Geschäftsbereich sich potenziell massive Menschenrechtsverletzungen ereignen könnten, und diesen entsprechend vorzubeugen, sollten Unternehmen im Anwendungsbereich des LkSG weiterhin ihre individuelle Risikolage im Blick haben und darauf aufbauend präventive Maßnahmen zur Risikovermeidung oder Risikominimierung implementieren.
Unternehmen sollten darüber hinaus beachten, dass auch mit dem weitestgehenden Wegfall der Sanktionierungsmöglichkeiten nach dem LkSG weiterhin Haftungsrisiken auf Grundlage bestehender Gesetze wie bspw. dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) oder dem Strafgesetzbuch (StGB) bestehen. Darüber hinaus sind Vorstände und Geschäftsführungen nach der gesellschaftsrechtlichen Legalitätspflicht ohnehin zur Organisation der Einhaltung von Gesetzen in ihren Unternehmen verpflichtet.
Fazit
Die neue Regierungskoalition bekennt sich zur Umsetzungspflicht der europäischen CSDDD. Es ist daher zu erwarten, dass ein entsprechendes Umsetzungsgesetz das aktuell geltende LkSG nahtlos ablösen wird. Da die CSDDD auch nach einer Umsetzung der Änderungen aus dem sog. „Omnibus-Paket“ im Wesentlichen dem Inhalt des LkSG entsprechen wird, sind bei einer Umsetzung der CSDDD in der zu erwartenden modifizierten Fassung in nationales Recht für Deutschland keine tiefgreifenden Änderungen gegenüber der aktuellen Rechtslage unter dem LkSG zu erwarten. Die CSDDD gestattet es ausdrücklich nicht, das in einem Mitgliedsstaat bereits vorherrschende Schutzniveau auf nationaler Ebene bei der Umsetzung der CSDDD abzusenken (sog. Verschlechterungsverbot). Dies bedeutet, dass eine Auseinandersetzung der Unternehmen mit ihren Lieferketten weiterhin und nahtlos erforderlich bleibt. Allerdings sieht die CSDDD für den Anwendungsbereich neben dem auch schon für das LkSG geltenden Schwellenwert der Mitarbeiterzahl gleichzeitig kumulativ einen weltweiten Mindestumsatz vor, den einige der heute von dem LkSG erfassten Unternehmen voraussichtlich nicht erreichen werden. Diese Unternehmen könnten perspektivisch aus dem Anwendungsbereich eines Umsetzungsgesetzes herausfallen, falls dies nicht als von dem Verschlechterungsverbot umfasst zu sehen ist. Gleichzeitig ist von der Koalition angekündigt, einen überarbeiteten nationalen Aktionsplan für Deutschland vorzulegen, der für sämtliche Unternehmen gelten und die Kernziele der Stärkung der Menschenrechte und Umweltbelange in den Lieferketten einfordern wird. In diesem Zusammenhang wird zu berücksichtigen sein, dass insbesondere für kapitalmarktfinanzierte Unternehmen Nachhaltigkeitskriterien, zu denen auch das LkSG zählt, bereits einen wichtigen Stellenwert haben. Gleiches gilt für die Wahrnehmung von Verbrauchern bei der Kaufentscheidung, so dass Nachhaltigkeit zur Reputation von Unternehmen beiträgt. Die Achtung der Menschenrechte und Umweltbelange wird daher auch in Zukunft eine große Rolle bei den deutschen Unternehmen spielen müssen.
Ansprechpartner