
Kundenanlage: Der BGH hat gesprochen, die Sache ist noch nicht erledigt
Mit Beschluss vom 13.05.2025 hat der BGH die Vorabentscheidung des EuGH umgesetzt und die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung der Landesregulierungsbehörde zurückgewiesen. Damit steht fest, dass das Quartier, um das gestritten wurde keine Kundenanlage ist. Der EuGH hatte im November entschieden, dass die Anlagenkategorie der Kundenanlage im EnWG gegen EU-Recht verstößt. Offen ist, wie es jetzt weiter geht.
Die Entscheidung des BGH
Wie nach dem EuGH-Urteil 28.11.2024 (Rs. C-293/23) nicht anders zu erwarten war, hat der BGH mit Beschluss vom 13.05.2025 (Az. EnVR 83/20) entschieden, dass die elektrischen Anlagen der Antragstellerin nicht als Kundenanlage anzuschließen sind und der Netzbetreiber auch nicht verpflichtet ist, eine Abrechnung über Unterzähler nach dem Summenzählermodell gemäß § 20 Abs. 1d EnWG zu ermöglichen.
Hinweis: Im Streitfall versorgte ein Energieversorgungsunternehmen aufgrund eines Wärmelieferungsvertrags mit einer Grundstückseigentümerin vier Wohnblöcke mit 96 Wohneinheiten sowie sechs Wohnblöcke mit 160 Wohneinheiten durch jeweils eine Energiezentrale und ein daran angeschlossenes Nahwärmenetz mit Wärme und Warmwasser. Die Stromversorgung der Wohnblöcke erfolgte über das Elektrizitätsverteilernetz der Antragsgegnerin. 2018 plante das Energieversorgungsunternehmen die Errichtung und den Betrieb von zwei Blockheizkraftwerken und zwei getrennten elektrischen Leitungssystemen, an die die in den Wohnblöcken wohnenden Mieter angeschlossen werden sollten. Der in den Blockheizkraftwerken erzeugten Strom sollte an die Mieter verkauft werden. Deshalb meldete das Energieversorgungsunternehmen bei der örtlichen Verteilernetzbetreiberin Netzanschlüsse für zwei getrennte Kundenanlagen an und beantragte den Anschluss an deren Netz sowie die Bereitstellung der erforderlichen Zählpunkte gemäß § 20 Abs. 1d EnWG. Diese Anträge wurden abgelehnt, weil es sich nicht um Kundenanlagen gemäß § 3 Nr. 24a EnWG handele.
Der Begriff der Kundenanlage in § 3 Nr. 24a EnWG ist laut BGH richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Kundenanlage nur gegeben ist, wenn sie kein Verteilernetz im Sinne von Art. 2 Nr. 28 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie darstellt. Da die Anlage der Antragstellerin aber ein Netz sei, könne sie keine Kundenanlage sein.
Hinweis: Die vollständigen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Bislang gibt es lediglich eine Pressemeldung des BGH (Nr. 095/2025).
Die Auswirkungen des Beschlusses
Bereits nach dem EuGH Urteil haben sich Netzbetreiber vielfach geweigert, neue Anschlüsse als „Kundenanlagen“ zu realisieren. Nach der Entscheidung des BGH steht nunmehr zu erwarten, dass kaum mehr ein Netzbetreiber Kundenanlagen realisieren wird, die mehr als ein Gebäude umfassen.
Solange alle Marktteilnehmer sowie die Steuer- und Regulierungsbehörden die bestehenden Kundenanlagenkonstellationen unterstützen, gibt es für die Betreiber bestehender Anlagen keine Notwendigkeit, Änderung zu veranlassen. Allenfalls könnte geprüft werden, ob insbesondere bei größeren Anlagen eine Einstufung als geschlossenes Verteilernetz einen Ausweg bietet. Sollten bestehende Anlagen allerdings als Netze zu qualifizieren sein, entsteht verstärkter Handlungsbedarf.
Der BGH sieht offenbar die Möglichkeit, die Regelungen zur Kundenanlage richtlinienkonform auszulegen. Voraussetzung für die Annahme einer Kundenanlage ist danach, dass es sich nicht um ein Verteilernetz im Sinne von Art. 2 Nr. 28 Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie handelt. Die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie definiert allerdings nur den Begriff der Verteilung (Transport von Elektrizität über Verteilernetze zur Belieferung von Kunden), nicht aber den Begriff des Netzes. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH in den Entscheidungsgründen Hinweise darauf gibt, wie nicht regulierungsbedürftige Gebäudeanlagen von Netzen im Sinne der Binnenmarktrichtlinie abzugrenzen sind.
Lösungsmöglichkeiten
Es ist unbestritten, dass dezentrale Gebäude- und Quartierskonzepte einen wichtigen Beitrag zum Umbau der Energieversorgung leisten können. Diese Konzepte dürfen nicht durch eine überbordende Regulierungsbürokratie verhindert werden. Es wäre daher wünschenswert, wenn in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie selbst verbindlich geregelt würde, anhand welcher Kriterien die Abgrenzung von nicht Regulierung bedürftigen Gebäudeanlagen zu regulierungsbedürftigen Netzen zu erfolgen hat. Die Bundesregierung sollte sich bei der EU-Kommission zügig für eine entsprechende Regelung stark machen. Entsprechende Anregungen von Seiten der Verbände gibt es bereits.
Bei neu anzuschließenden Anlagen sollte Konstellationen der Vorzug gegeben werden, die sich möglichst auf einzelne Gebäude beschränken. Das Risiko, dass gebäudeinterne Verteilungsanlagen als „Netz“ zu qualifizieren sind, dürfte eher gering sein.
Die Betreiber bestehender Anlagen könnten prüfen, ob eine Einstufung als geschlossenes Verteilernetz Rechtssicherheit bietet. Möglicherweise werden die Entscheidungsgründe des BGH weiteren Aufschluss über die Abgrenzung von nicht regulierungsbedürftigen Anlagen zu regulierungsbedürftigen Netzen geben.
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