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Rechtsberatung

Trilog-Verfahren zum EU-Renaturierungsgesetz startet

Das EU-Par­la­ment stimmte am 12.07.2023 mit knap­per Mehr­heit für ein Ge­setz zur Re­na­tu­rie­rung der Na­tur („EU Na­ture Re­sto­ra­tion Law“), das für je­den EU-Mit­glied­staat ver­bind­li­che Ziele und Maßnah­men zur Wie­der­her­stel­lung der Na­tur in ge­schädig­ten Öko­sys­te­men fest­legt.

Das Ge­setz zielt dar­auf ab, zerstörtes Na­tur­ka­pi­tal in der Union wie­der in einen in­tak­ten öko­lo­gi­schen Zu­stand zu brin­gen, die bio­lo­gi­sche Viel­falt zu stärken und einen Bei­trag zur Bekämp­fung des Kli­ma­wan­dels zu gewähr­leis­ten. Denn nach An­ga­ben der EU-Um­welt­agen­tur sind über 80 % der Le­bensräume in der EU in einem schlech­ten Zu­stand. Bis­he­rige Maßnah­men und Bemühun­gen der EU ge­gen den fort­schrei­ten­den Ver­lust der Le­bensräume und zum Schutz der Bio­di­ver­sität konn­ten diese Ent­wick­lung nicht auf­hal­ten. Hieran knüpft das EU-Re­na­tu­rie­rungs­ge­setz mit erst­ma­lig ver­bind­li­chen Vor­ga­ben für die ein­zel­nen Mit­glied­staa­ten an; bis 2030 sol­len min­des­tens 20 % al­ler Land- und Mee­res­ge­biete in der EU wie­der­her­ge­stellt und bis 2050 soll dann ein gu­ter Zu­stand al­ler schützens­wer­ten Öko­sys­teme er­reicht wer­den. Vor al­lem setzt das EU-Re­na­tu­rie­rungs­ge­setz auf Maßnah­men, die der Ein­spa­rung und Spei­che­rung von CO2 die­nen, in dem z. B. Auen re­na­tu­riert und Wälder auf­ge­fors­tet wer­den. Da­mit soll vor al­lem auch künf­ti­gen Na­tur­ka­ta­stro­phen vor­ge­beugt wer­den. Außer­dem sol­len Bestäuber­po­pu­la­tio­nen, Wie­sen­schmet­ter­lings- und Feldvögel­bestände wie­der an­wach­sen.

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Hin­ter­grund der Ab­stim­mung war die im Rah­men des eu­ropäischen Green Deals am 22.06.2022 vor­ge­schla­gene Ver­ord­nung des eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes über die Wie­der­her­stel­lung der Na­tur. Eine Schlüsselmaßnahme zur Er­rei­chung der Kli­ma­ziele des eu­ropäischen Green Deals und auch der EU-Bio­di­ver­sitäts­stra­te­gie war im Rah­men des­sen die Schaf­fung ei­nes recht­li­chen Rah­mens mit ver­bind­li­chen Vor­schrif­ten zur Re­na­tu­rie­rung.

Die Ver­ord­nung sieht fol­gende Wie­der­her­stel­lungsmaßnah­men der ver­schie­de­nen Öko­sys­teme vor:

Maßnahmen bis 2030

Maßnahmen bis 2040

Maßnahmen bis 2050

Land-, Küsten- und Süßwasser-ökosysteme

(Art. 4)

Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 30 % der Flächen jeder in Anhang I aufgeführten Gruppe von Lebensraumtypen

Wiederherstellungsmaßnahmen zur erneuten Etablierung von Lebensraumtypen auf mindestens 30 % der zusätzlichen Gesamtfläche

Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 60 % der Flächen jeder in Anhang I

aufgeführten Gruppe von Lebensraumtypen

Wiederherstellungsmaßnahmen zur erneuten Etablierung von Lebensraumtypen auf mindestens 60 % der zusätzlichen Gesamtfläche

Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 90 % der Flächen jeder in Anhang I aufgeführten Gruppe von Lebensraumtypen

Wiederherstellungsmaßnahmen zur erneuten Etablierung von Lebensraumtypen auf mindestens 100 % der zusätzlichen Gesamtfläche

Meeresökosysteme (Art. 5)

Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 30 % der Flächen jeder in Anhang II aufgeführten Gruppe von Lebensraumtypen

Wiederherstellungsmaßnahmen zur erneuten Etablierung von Lebensraumtypen auf mindestens 30 % der zusätzlichen Gesamtfläche

Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 60 % der Flächen jeder in Anhang II aufgeführten Gruppe von Lebensraumtypen

Wiederherstellungsmaßnahmen zur erneuten Etablierung von Lebensraumtypen auf mindestens 60 % der zusätzlichen Gesamtfläche

Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 90 % der Flächen jeder in Anhang II aufgeführten Gruppe von Lebensraumtypen

Wiederherstellungsmaßnahmen zur erneuten Etablierung von Lebensraumtypen auf mindestens 100 % der zusätzlichen Gesamtfläche

Städtische Ökosysteme (Art. 6)

Kein Nettoverlust an städtischer Grünfläche und städtischer Baumüberschirmung gegenüber 2021

Vergrößerung der nationalen Gesamtfläche städtischer Grünflächen in Städten sowie kleineren Städten und Vororten um mindestens 3 % gegenüber 2021

Vergrößerung der nationalen Gesamtfläche städtischer Grünflächen in Städten sowie kleineren Städten und Vororten um mindestens 5 % gegenüber 2021 und mindestens 10 % städtische Baumüberschirmung in allen Städten sowie kleineren Städten und Vororten

Natürliche Vernetzung von Flüssen und der natürlichen Funktionen damit verbundener Überschwemmungsflächen (Auen) (Art. 7)

Ermittlung und Beseitigung der Hindernisse zur Vernetzung von Oberflächengewässern

Umwandlung von mindestens 25 000 Flusskilometern in der Union in frei fließende Flüsse

 

 

Landwirtschaftliche Ökosysteme (Art. 9)

Aufwärtstrend bei jedem der Indikatoren für landwirtschaftliche Ökosysteme gemäß Anhang IV zu erreichen

Index häufiger Feldvögel erreicht Wert von 110 in den Mitgliedstaaten mit historisch stärker erschöpften

Index häufiger Feldvogelarten erreicht Wert von 105 in den Mitgliedstaaten mit historisch nicht so stark erschöpften Feldvogelpopulationen

Wiederherstellungsmaßnahmen für 30 % landwirtschaftlich genutzter trockengelegter Torfmoorflächen, von denen mindestens ein Viertel wiedervernässt werde muss

Index häufiger Feldvogelarten erreicht Wert von 120 in den Mitgliedstaaten mit historisch stärker erschöpften Feldvogelpopulationen

Index häufiger Feldvogelarten erreicht Wert von 110 in den Mitgliedstaaten mit historisch nicht so stark erschöpften Feldvogelpopulationen

Wiederherstellungsmaßnahmen für 50 % landwirtschaftlich genutzter trockengelegter Torf-moorflächen, von denen mindestens die Hälfte wiedervernässt werden muss

Index häufiger Feldvogelarten erreicht Wert von 130 in den Mitgliedstaaten mit historisch stärker erschöpften Feldvogelpopulationen

Index häufiger Feldvogelarten erreicht Wert von 115 in den Mitgliedstaaten mit historisch nicht so stark erschöpften

Feldvogelpopulationen

Wiederherstellungsmaßnahmen für 70 % landwirtschaftlich genutzter

trockengelegter Torfmoorflächen, von denen mindestens die Hälfte wiedervernässt werden muss

Waldökosysteme (Art. 10)

Aufwärtstrend bei jedem der Indikatoren für Waldökosysteme gemäß Anhang VI zu erreichen

 

 

Das Ge­set­zes­vor­ha­ben stößt al­ler­dings nicht übe­rall auf Ge­gen­liebe. Land­wirt­schafts- und Bau­ern­verbände mah­nen den ho­hen Ver­lust von land­wirt­schaft­li­chen Flächen und der da­mit be­ding­ten Stei­ge­rung der Le­bens­mit­tel­preise so­wie der Gefähr­dung der Ernährungs­si­cher­heit in der Bevölke­rung. Ei­nige Ab­ge­ord­nete des EU-Par­la­ments befürch­ten eine Be­hin­de­rung des Aus­baus er­neu­er­ba­rer En­er­gien und plädie­ren für mehr Zu­sam­men­ar­beit der EU mit Land­wir­ten, statt ver­bind­li­che Re­geln zu set­zen.

Um­welt­verbände wie der NABU hin­ge­gen se­hen das Ge­setz als wich­ti­gen und längst überfälli­gen Schritt im Kampf ge­gen die fort­schrei­tende Be­schädi­gung der Öko­sys­teme und ge­gen den Kli­ma­wan­del. Gleich­zei­tig bemängeln sie, dass der Ge­set­zes­ent­wurf in der ent­schei­den­den Phase Ende Juni 2023 von den Um­welt­mi­nis­tern im EU-Par­la­ment ab­ge­schwächt wurde. So wurde die Re­na­tu­rie­rung land­wirt­schaft­li­cher Flächen so­wie die Wie­der­vernässung von Moo­ren aus dem Ent­wurf ge­nom­men. Ge­rade diese Maßnah­men seien aber nach An­sicht vie­ler Wis­sen­schaft­ler und Ex­per­ten not­wen­dig, um die Na­tur lang­fris­tig wi­der­standsfähig ge­gen veränderte Kli­ma­be­din­gun­gen zu ma­chen und die Bio­di­ver­sität zu schützen.

Auch in der Zi­vil­ge­sell­schaft so­wie in der Wis­sen­schaft und Wirt­schaft fand das Ge­set­zes­vor­ha­ben große Un­terstützung. Im Vor­feld der Ab­stim­mung wur­den 800.000 Un­ter­schrif­ten für das Ge­setz ge­sam­melt und über 6000 Wis­sen­schaft­ler setz­ten sich für den Er­lass des Re­na­tu­rie­rungs­ge­set­zes ein.

Der abgeänderte Ge­set­zes­ent­wurf durchläuft nun das sog. Tri­log-Ver­fah­ren. Es bleibt ab­zu­war­ten, ob das Ge­setz in sei­ner jet­zi­gen Fas­sung be­schlos­sen wird, ob wei­tere Ände­run­gen vor­ge­nom­men wer­den und wel­che Aus­wir­kun­gen das Re­na­tu­rie­rungs­ge­setz auf Un­ter­neh­men des Mit­tel­stands ha­ben wird.

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