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Schleswig-Holsteinisches FG: Aufwendungen für Heileurythmie können außergewöhnliche Belastungen darstellen

Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 17.4.2013 - 5 K 71/11

Auf­wen­dun­gen für hei­leu­ryth­mi­sche Be­hand­lun­gen können als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen i.S.d. § 33 EStG berück­sich­tigt wer­den, wenn eine vor den Be­hand­lun­gen aus­ge­stellte ärzt­li­che Ver­ord­nung vor­liegt. Ob eine Be­hand­lungs­me­thode auf einem nach me­di­zi­ni­schen Er­kennt­nis­sen nach­voll­zieh­ba­ren An­satz be­ruht, ist nicht aus schul­me­di­zi­ni­scher Sicht zu be­ur­tei­len, son­dern viel­mehr nach der na­tur­heil­kund­li­chen Lehre selbst.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist Pen­sionärin. Mit ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Jahr 2009 hatte sie Auf­wen­dun­gen für hei­leu­ryth­mi­sche Be­hand­lun­gen als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen i.S.v. § 33 EStG gel­tend ge­macht. Hierzu legte die Kläge­rin ärzt­li­che Ver­ord­nun­gen ei­nes All­ge­mein­me­di­zi­ners vor, auf de­nen je­weils "12 x Hei­leu­ryth­mie" ver­ord­net wurde und als Dia­gnose "Z. n. Dis­cu­spro­laps" (= Band­schei­ben­vor­fall) so­wie chro­ni­sch re­zi­di­ves LWS-Syn­drom (= chro­ni­sch wie­der­keh­ren­des Syn­drom der Len­den­wir­belsäule) ver­merkt war. Die Kläge­rin reichte Rech­nun­gen ei­ner Hei­leu­ryth­mis­tin über je­weils 12 Be­hand­lun­gen ein.

Das Fi­nanz­amt berück­sich­tigte die Auf­wen­dun­gen i. H.v. 1.080 € al­ler­dings nicht im Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für 2009. Es war der An­sicht, dass kein hin­rei­chen­der Nach­weis be­stehe, dass die Be­hand­lun­gen im Fall der Kläge­rin aus ärzt­li­cher Sicht eine zwin­gend me­di­zi­ni­sch not­wen­dige und an­ge­mes­sene Me­thode ge­we­sen seien. Mit ih­rer Klage reichte die Kläge­rin eine ärzt­li­che Stel­lung­nahme des be­han­deln­den Arz­tes so­wie Stu­dien zur Wirk­sam­keit der an­thro­po­so­phi­schen Me­di­zin ein.

Das FG gab der Klage statt. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion ge­gen das Ur­teil zu­ge­las­sen. Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ist bei dem BFH un­ter dem Az.: VI R 27/13 anhängig.

Die Gründe:
Der Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für 2009 war rechts­wid­rig und ver­letzte die Kläge­rin in ih­ren Rech­ten, so­weit außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen i.H.v. 1.080 € nicht berück­sich­tigt wor­den wa­ren.

Der BFH geht da­von aus, dass Krank­heits­kos­ten - ohne Rück­sicht auf die Art und die Ur­sa­che der Er­kran­kung - dem Steu­er­pflich­ti­gen aus tatsäch­li­chen Gründen zwangsläufig er­wach­sen. Al­ler­dings muss der Steu­er­pflich­tige die Zwangsläufig­keit in ei­ner Reihe von Fällen for­ma­li­siert nach­wei­sen. Bei krank­heits­be­ding­ten Auf­wen­dun­gen für Arz­nei-, Heil- und Hilfs­mit­tel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V ist die­ser Nach­weis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV (i.d.F. des StVer­einfG 2011) durch eine Ver­ord­nung ei­nes Arz­tes oder Heil­prak­ti­kers zu führen; bei Auf­wen­dun­gen für Maßnah­men, die ih­rer Art nach nicht ein­deu­tig nur der Hei­lung oder Lin­de­rung ei­ner Krank­heit die­nen können und de­ren me­di­zi­ni­sche In­di­ka­tion des­halb schwer zu be­ur­tei­len ist, ver­langt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ein vor Be­ginn der Heilmaßnahme oder dem Er­werb des me­di­zi­ni­schen Hilfs­mit­tels aus­ge­stell­tes amtsärzt­li­ches Gut­ach­ten oder eine vor­he­rige ärzt­li­che Be­schei­ni­gung ei­nes Me­di­zi­ni­schen Diens­tes der Kran­ken­ver­si­che­rung.

Die Be­hand­lungs­me­tho­den der in § 2 Abs. 1 S. 2 SGB V auf­geführ­ten be­son­de­ren The­ra­pie­rich­tun­gen, zu de­nen die Homöopa­thie, An­thro­po­so­phie und Phyto­the­ra­pie gehören, sind wis­sen­schaft­lich an­er­kannte Heil­me­tho­den, die nach fest­ge­leg­ten Re­geln in der Pra­xis in­di­vi­du­ell an­ge­wandt und kon­ti­nu­ier­lich mit mo­der­nen wis­sen­schaft­li­chen Me­tho­den wei­ter ent­wi­ckelt wer­den (BSG-Ur­teil v. 22.3.2005, Az.: B 1 A 1/03 R). In­fol­ge­des­sen wa­ren die im vor­lie­gen­den Fall aus­ge­stell­ten ärzt­li­chen Ver­ord­nun­gen zum Nach­weis der Zwangsläufig­keit der Auf­wen­dun­gen aus­rei­chend, da der Nach­weis von der Kläge­rin nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV zu er­brin­gen war. Bei der Hei­leu­ryth­mie han­delt es sich nämlich um ein Heil­mit­tel i.S.d. §§ 2 und 32 SGB-V. Die Kran­ken­kas­sen können der­ar­tige Leis­tun­gen über­neh­men, sind aber nicht dazu ver­pflich­tet (BFH-Ur­teil v. 8.3.2012, Az.: V R 30/09).

Ein amtsärzt­li­ches Gut­ach­ten war für den Nach­weis der Zwangsläufig­keit nicht er­for­der­lich. Die hei­leu­ryth­mi­sche Be­hand­lung ist als an­thro­po­so­phi­sche Be­hand­lungs­me­thode ei­ner der in § 2 Abs. 1 S. 2 SGB V auf­geführ­ten be­son­de­ren The­ra­pie­rich­tun­gen zu­zu­ord­nen, zu de­nen die An­thro­po­so­phie gehört. Ob eine Be­hand­lungs­me­thode auf einem nach me­di­zi­ni­schen Er­kennt­nis­sen nach­voll­zieh­ba­ren An­satz be­ruht, der die pro­gnos­ti­zierte Wirk­weise der Be­hand­lung auf das an­ge­strebte Be­hand­lungs­ziel zu erklären ver­mag, ist nicht aus schul­me­di­zi­ni­scher Sicht zu be­ur­tei­len. Maßstab ist viel­mehr nur die na­tur­heil­kund­li­che Lehre selbst (BFH-Ur­teil v. 5.10.2011, Az.: VI R 49/10.

Link­hin­weis:

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