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OLG Frankfurt a.M. zur Zulässigkeit der Streitwertbeschwerde nach "Einigung" über den Streitwert in Vergleichsverhandlungen

Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 21.5.2013 - 17 W 15/13

Der Zulässig­keit ei­ner Streit­wert­be­schwerde steht es nicht ent­ge­gen, dass sich die an­walt­lich ver­tre­tene Par­tei in außer­ge­richt­lich geführ­ten Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen mit die­sem Streit­wert ein­ver­stan­den erklärt hat und die­ser Streit­wert der Kos­ten­quote des ge­richt­lich fest­ge­stell­ten Ver­gleichs zu­grunde ge­legt wurde. Dies lässt we­der die Be­schwer ent­fal­len noch ist die­sem Ver­hal­ten ein Rechts­mit­tel­ver­zicht zu ent­neh­men.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin nahm die be­klagte Bank we­gen feh­ler­haf­ter An­la­ge­be­ra­tung und vorsätz­li­chen Ka­pi­tal­an­la­ge­be­trugs im Zu­sam­men­hang mit ih­rer Be­tei­li­gung an einem ge­schlos­se­nen Me­di­en­fonds auf Scha­den­er­satz in An­spruch. Da­bei be­gehrte sie u.a. die Zah­lung des An­la­ge­be­tra­ges zzgl. Agio i.H.v. rd. 27.000 € (Kla­ge­an­trag zu 1). Da­ne­ben nahm sie die Be­klagte auf Zah­lung ent­gan­ge­ner An­la­ge­zinsen i.H.v. 12.000 € in An­spruch (Kla­ge­an­trag zu 2). Zu­dem be­an­tragte die Kläge­rin die Fest­stel­lung, dass die Be­klagte sie von al­len steu­er­li­chen und wirt­schaft­li­chen Nach­tei­len im Zu­sam­men­hang mit der Be­tei­li­gung frei­zu­stel­len hat (Kla­ge­an­trag zu 3).

Die Be­klagte teilte dem Ge­richt mit, dass sich die Par­teien auf einen Ver­gleich da­hin­ge­hend ge­ei­nigt hätten, dass die Be­klagte an die Kläge­rin einen Be­trag i.H.v. 40 Pro­zent des No­mi­nal­be­tra­ges der Be­tei­li­gung (10.000 €) zahlt, wo­bei von den Kos­ten des Rechts­streits und des Ver­gleichs die Kläge­rin gut drei Vier­tel und die Be­klagte knapp ein Vier­tel zu tra­gen hat. Die Be­klagte gab an, dass sich die Par­teien auch auf den Streit­wert und die dar­aus re­sul­tie­rende Kos­ten­quote ge­eig­net hätten. Der Ge­samt­streit­wert be­trage 44.000 €, wo­bei auf den Kla­ge­an­trag zu 1) 27.000 €, auf den Kla­ge­an­trag zu 2) 12.000 € und auf den Kla­ge­an­trag zu 3) 5.000 € ent­fie­len. Nach­dem die Kläge­rin ge­genüber dem LG ihr Ein­verständ­nis mit dem mit­ge­teil­ten Ver­gleich erklärt hatte, stellte das LG das Zu­stan­de­kom­mens die­ses Ver­gleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO fest und setzte den Streit­wert auf "bis 45.000 €" fest.

Ge­gen die Streit­wert­fest­set­zung legte der Kläger­ver­tre­ter "na­mens und im Auf­trag der hin­ter der kla­gen­den Par­tei ste­hen­den Rechts­schutz­ver­si­che­rung" Be­schwerde ein, mit der er die Her­ab­set­zung des Streit­wer­tes um den für die ent­gan­ge­nen An­la­ge­zinsen (Kla­ge­an­trag zu 2) berück­sich­tig­ten Be­trag (12.000 €) be­gehrt. Nach der höchstrich­ter­li­chen Recht­spre­chung stelle ein sol­cher Zins­scha­den eine Ne­ben­for­de­rung dar, die den Streit­wert der Haupt­sa­che nicht erhöhe. Die Be­klagte hält die Kläge­rin schon nicht für be­schwer­de­be­fugt, weil der dem ge­richt­li­chen Ver­gleich zu­grunde ge­legte Streit­wert auf ei­ner ausdrück­li­chen Ver­ein­ba­rung der Par­teien be­ruhe. Dies sei als Ver­zicht auf eine Streit­wert­be­schwerde aus­zu­le­gen.

Das OLG gab der Be­schwerde statt.

Die Gründe:
Der Gebühren­streit­wert des Rechts­streits und der Ge­gen­stands­wert des Ver­gleichs wer­den auf 32.000 € fest­ge­setzt.

Der Zulässig­keit der Be­schwerde steht nicht ent­ge­gen, dass sich die Kläge­rin im Zuge der außer­ge­richt­lich geführ­ten Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen mit einem Streit­wert i.H.v. 44.000 € "ein­ver­stan­den" erklärt hat und dies dem Ge­richt mit­ge­teilt wurde. Auch wenn das LG den Streit­wert "an­trags­gemäß" fest­ge­setzt hat, ist die Kläge­rin den­noch be­schwert. Für das Ver­fah­ren der Streit­wert­be­schwerde kommt es nicht dar­auf an, ob der Be­schwer­deführer durch eine von sei­nem An­trag ab­wei­chende Ent­schei­dung for­mell be­schwert ist.

Der Be­klag­ten steht auch nicht die Ein­rede ei­nes ihr ge­genüber erklärten Rechts­mit­tel­ver­zichts zu. Dass die Kläge­rin im Zuge der Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen ausdrück­lich erklärt hätte, auf die Er­he­bung ei­ner Streit­wert­be­schwerde zu ver­zich­ten, be­haup­tet auch die Be­klagte nicht. Sie will einen da­hin­ge­hen­den Ver­zicht viel­mehr dar­aus ab­lei­ten, dass im außer­ge­richt­lich ge­schlos­se­nen Ver­gleich eine Ver­ein­ba­rung über die Höhe des Streit­wer­tes statt­ge­fun­den habe. Eine Ver­zichts­erklärung durch schlüssi­ges Han­deln kann je­doch nur dann an­ge­nom­men wer­den, wenn sich der Hand­lung ob­jek­tiv be­trach­tet un­zwei­deu­tig der Wille ent­neh­men lässt, sich mit die­ser Ent­schei­dung ohne Vor­be­halt ab­fin­den zu wol­len und das pro­zes­suale Recht, diese in ei­ner über­ge­ord­ne­ten In­stanz überprüfen zu las­sen, endgültig auf­ge­ben zu wol­len. Dies ist hier im Hin­blick auf den Streit­wert nicht der Fall.

Die Be­schwerde der Kläge­rin ge­gen die Streit­wert­fest­set­zung ist auch begründet. Die im Kla­ge­an­trag zu 2) ur­sprüng­lich gel­tend ge­mach­ten ent­gan­ge­nen An­la­ge­zinsen i.H.v. 12.000 € erhöhen den Gebühren­streit­wert nicht, so dass der Streit­wert des Rechts­streits und der Ge­gen­stands­wert des Ver­gleichs auf le­dig­lich 32.000 € fest­zu­set­zen sind. Wie der BGH be­reits wie­der­holt aus­ge­spro­chen hat, han­delt es sich bei ent­gan­ge­nen An­la­ge­zinsen, die ein Kläger als gleich blei­ben­den Hun­dert­satz von der in­ves­tier­ten An­la­ge­summe be­rech­net, um eine Ne­ben­for­de­rung der Haupt­for­de­rung auf Rück­zah­lung des in­ves­tier­ten Ka­pi­tals i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.

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