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Künstliche Intelligenz - so verändern Chat GPT & Co. unsere Arbeitswelt

Künst­li­che In­tel­li­genz ist un­auf­halt­sam auf dem Vor­mar­sch - für die breite Bevölke­rung un­mit­tel­bar wahr­nehm­bar seit der Vor­stel­lung von Chat GPT. Die Ar­beits­er­geb­nisse, die er­zielt wer­den, sind verblüffend. Keine Frage, die Ent­wick­lun­gen wer­den zu ei­ner Re­vo­lu­tio­nie­rung der ge­sam­ten Ar­beits­welt führen. Wo KI schon seit ge­raumer Zeit im Ein­satz ist, wo die größten Chan­cen, aber auch Ri­si­ken für die Ar­beits­welt be­ste­hen, darüber spre­chen wir mit dem Di­gi­tal­ex­per­ten und Pu­bli­zis­ten Sa­scha Lobo.

 

Herr Lobo, die Ent­wick­lun­gen im Be­reich der künst­li­chen In­tel­li­genz schrei­ten ra­sant voran. Wo ste­hen die deut­schen Ent­wick­lun­gen und die deut­sche Wirt­schaft im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich?

Wir ste­hen vor ei­ner KI-Trans­for­ma­tion, also vor der nächs­ten Stufe der di­gi­ta­len Trans­for­ma­tion, und da­mit ein­her­ge­hend der Verände­rung von Ge­schäfts­mo­del­len und Ge­schäfts­pro­zes­sen durch KI. Da­von aus­ge­hend muss man lei­der fest­stel­len, dass Deutsch­land ver­gleichs­weise stark zurück­liegt. Ei­ner der wich­tigs­ten Gründe ist ei­gent­lich ein sehr po­si­ti­ver, nämlich ein Lu­xus­pro­blem: Der rie­sige Er­folg der deut­schen Wirt­schaft in den ver­gan­ge­nen Jah­ren. Da­durch hat sich der „Wand­lungs­druck“ für deut­sche Un­ter­neh­men mi­ni­miert. Das be­deu­tet, man hat bis­her zu we­nig Grund dafür ge­se­hen, sich zu ver­wan­deln. Was wir schon in der di­gi­ta­len Trans­for­ma­tion be­ob­ach­ten konn­ten, führt nun dazu, dass zu viele Bran­chen in Deutsch­land das Thema KI noch nicht in den Fo­kus ge­nom­men ha­ben.

Laut ei­ner Um­frage des ifo In­sti­tuts aus dem Juni 2023 set­zen ak­tu­ell 13,3 % der Un­ter­neh­men in Deutsch­land KI ein. Wie können sich die rest­li­chen Un­ter­neh­men dem Thema KI stra­te­gi­sch nähern?

Zu­erst ein­mal soll­ten sich diese Un­ter­neh­men ent­span­nen und dem Hype um Chat GPT et­was ent­flie­hen. Wich­tig ist zu über­le­gen, was die grundsätz­li­chen Me­cha­nis­men bzw. die Di­gi­ta­li­sie­rungs­mus­ter sind, die hin­ter der KI-Trans­for­ma­tion ste­hen.

So können wir plötz­lich ganz viele Pro­zesse kos­ten­spa­rend In­house er­le­di­gen. Das be­deu­tet einen Pro­duk­ti­vitätszu­wachs ein­zel­ner Ab­tei­lun­gen quer durch die Wert­schöpfungs­kette. Das ist aber noch nicht ein­mal et­was, was die rich­tige KI-Trans­for­ma­tion in der Tiefe aus­macht, son­dern et­was, was be­reits mit den nächs­ten Mi­cro­soft Of­fice Ver­sio­nen plötz­lich da­zu­kom­men wird.

Da­mit die KI-Trans­for­ma­tion wirk­sam wird, müssen wir in je­der ein­zel­nen Bran­che ge­nau hin­schauen, wo das Po­ten­zial für ge­ne­ra­tive KI und nicht ge­ne­ra­tive KI liegt. Chat GPT kann jetzt et­was, was vor­her selbst Fach­leute in die­ser Ge­schwin­dig­keit nicht für möglich ge­hal­ten ha­ben. Aber KI ist ja viel größer. Hin­ter KI steht eine be­stimmte Form von An­wen­dung von Re­chen­power, die ein gi­gan­ti­sches Po­ten­zial aus­schöpft, das dem Men­schen bis­her ein­fach ver­bor­gen ge­blie­ben ist. Das gilt es, für jede ein­zelne Bran­che, teil­weise so­gar für jede ein­zelne Firma, über­haupt erst ein­mal zu er­ken­nen. Das ist al­les an­dere als leicht, weil die Ent­wick­lung sehr schnell, sehr über­ra­schend und un­vor­her­seh­bar ge­sche­hen ist.

Was be­deu­tet das nun kon­kret? Wie kann ein Un­ter­neh­men für sich er­ken­nen, wo Po­ten­tial für die An­wen­dung von KI be­steht?

In den meis­ten Fällen geht das, ähn­lich wie bei den ers­ten Schrit­ten der Di­gi­ta­li­sie­rung, nicht ohne Ex­per­ten, die sich spe­zi­ell mit der An­wen­dung von KI in Un­ter­neh­men aus­ken­nen. Ge­rade mit­telständi­sche Un­ter­neh­men dürfen nicht wie­der den glei­chen Feh­ler ma­chen wie an­fangs bei der di­gi­ta­len Trans­for­ma­tion und das Thema KI al­lein der EDV-Ab­tei­lung über­las­sen.

Es gibt einen Grund, wa­rum die KI-Trans­for­ma­tion, ge­rade was Ge­schäfts­mo­delle und Wei­ter­ent­wick­lung an­geht, eine ei­gene Dis­zi­plin ist. Sie be­wegt sich an der Schnitt­stelle zwi­schen Dis­rup­tion, also der krea­ti­ven Zerstörung, und der Ent­wick­lung von ganz neuen Ge­schäfts­mo­del­len. Diese Dis­zi­plin um­fasst auch be­stimmte As­pekte von Busi­ness In­tel­li­gence, die dar­auf ab­zielt, noch neue Po­ten­ziale zu iden­ti­fi­zie­ren. Es braucht da­her am Ende Schlüssel­stel­len, die so­wohl einen Über­blick über die tech­no­lo­gi­schen Möglich­kei­ten ha­ben, als auch in öko­no­mi­schen bzw. den re­le­van­ten fach­li­chen und re­gu­la­to­ri­schen Zu­sam­menhängen den­ken können. Da­her kann es ge­rade am An­fang hilf­reich sein, ex­terne Be­ra­ter hin­zu­zu­zie­hen, die wis­sen, was möglich ist und das dann auch um­set­zen können.

Ohne Da­ten - keine KI. Ist da­mit die Da­ten­qua­lität der Knack­punkt für eine er­folg­rei­che An­wen­dung von KI?

Jein - in vie­len Be­rei­chen ist die Da­ten­qua­lität wich­tig, in man­chen Be­rei­chen hin­ge­gen ist sie gar nicht so zen­tral. Es gibt Ansätze, die be­reits mit vir­tu­el­len Trai­nings­da­ten in­ter­es­sante Er­folge er­zie­len. Rich­tig ist je­doch, dass viele Pro­zesse Da­ten und Lern­mo­delle brau­chen, um über­haupt an­ge­stoßen zu wer­den. Al­ler­dings ist der Da­ten­schutz in Deutsch­land, ins­be­son­dere die sehr strenge deut­sche Aus­le­gung der DS­GVO im Ver­gleich zu an­de­ren eu­ropäischen Staa­ten, oft­mals ein sehr großes Hin­der­nis. Aus mei­ner Sicht brau­chen wir ein grundsätz­lich an­de­res Verständ­nis da­von, was Da­ten­schutz ist und wie man da­mit um­geht. Das be­ginnt be­reits da­mit, dass in der Öff­ent­lich­keit oft­mals Da­ten­schutz und Da­ten­si­cher­heit ver­wech­selt wer­den.

Kom­men wir nun zum Ar­beits­markt. Der Fachkräfte­man­gel ist das eine: hier kann KI si­cher­lich hel­fen, Engpässe aus­zu­glei­chen. Aber die Ent­wick­lun­gen ge­hen ja viel wei­ter, was be­deu­tet das mit­tel­fris­tig für den Ar­beits­markt?

Der große Vor­teil am Ein­satz von KI ist der Pro­duk­ti­vitätszu­wachs. Dies be­deu­tet, dass per­spek­ti­vi­sch neue For­men ge­fun­den wer­den müssen, und auch ge­fun­den wer­den, das Wis­sen und die Pro­duk­ti­vität der Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer sinn­voll ein­zu­set­zen.

Zu­min­dest mit­tel­fris­tig wird der Ar­beits­platz der meis­ten Ar­beit­neh­mer nicht durch KI er­setzt, son­dern eher durch eine an­dere Per­son, die KI be­dient. Das ist ein wich­ti­ger Un­ter­schied. Die KI-Trans­for­ma­tion ist so­mit in ers­ter Li­nie eine Aus- und Fort­bil­dungs­frage.

Jüngere Men­schen wer­den mit KI le­ben müssen. Können sie sich heute schon in ir­gend­ei­ner Form auf den tech­no­lo­gi­schen Wan­del vor­be­rei­ten?

Der Wan­del ist ge­genwärtig so schnell und tief­grei­fend, dass wir sehr we­nig über die Welt in fünf Jah­ren sa­gen können. Für jüngere Men­schen, die ge­rade in der Aus­bil­dung sind oder sich ori­en­tie­ren wol­len, ist es des­halb gar nicht so leicht, de­fi­ni­tive Aus­sa­gen zu tref­fen. Ist es viel­leicht auf der einen Seite über­haupt sinn­voll und er­for­der­lich, Pro­gram­mie­ren zu ler­nen, weil das die KI ja heute schon von selbst macht? Auf der an­de­ren Seite ist aber die Kennt­nis von be­stimm­ten Pro­gram­mier­zu­sam­menhängen ziem­lich es­sen­zi­ell, um die Tech­no­lo­gie bes­ser be­grei­fen zu können. Mo­men­tan heißt also die klare Emp­feh­lung, Au­gen of­fen hal­ten und die Ent­wick­lun­gen ste­tig ver­fol­gen.

Ich sehe aber, dass viele junge Leute die An­wen­dung von KI längst ad­ap­tiert ha­ben. Sie ver­ste­hen, wie KI funk­tio­niert und nut­zen diese auch schon, sei es zur Er­le­di­gung von Haus­auf­ga­ben oder etwa teil­weise im Zu­sam­men­hang Haus- bzw. Di­plom­ar­bei­ten.

Wer­den sich viele be­ste­hende Be­rufe da­hin­ge­hend verändern, dass die von KI ge­schaf­fe­nen Ar­beits­er­geb­nisse kon­trol­liert wer­den? Be­steht also ein Wan­del von ei­ner er­stel­len­den zu ei­ner kon­trol­lie­ren­den Tätig­keit?

Die meis­ten Men­schen sind nicht in der Lage, die Ar­beits­er­geb­nisse ei­ner KI sinn­voll zu kon­trol­lie­ren. Die KI ist ziem­lich gut darin, Fak­ten zu er­fin­den, die sich nur mit großer Mühe als falsch iden­ti­fi­zie­ren las­sen.

Aber Men­schen können ein­schätzen, in­wie­weit eine KI in der Lage ist, die Ar­beits­er­geb­nisse ei­ner an­de­ren KI zu überprüfen. Die­ses Prin­zip ken­nen wir be­reits aus an­de­ren Be­rei­chen, in de­nen Au­to­ma­ti­sie­rung eine Rolle spielt und etwa eine Ma­schine die an­dere überprüft.

Der Ein­satz von KI birgt auch ge­wal­tige Ri­si­ken - Thema “Hal­lu­zi­na­tio­nen“. Wie weit kann man den Ar­beits­er­geb­nis­sen glau­ben? Bzw. wie kann man sich vor Fa­kes schützen?

Es gibt be­reits tech­no­lo­gi­sche Mit­tel ge­gen Hal­lu­zi­na­tio­nen. Zwar kann man Hal­lu­zi­na­tio­nen nicht kom­plett ver­hin­dern. Aber man kann zu­min­dest da­mit an­fan­gen, sich des­sen ge­wahr zu wer­den. Da­mit ist dann be­reits ein wich­ti­ger Schritt er­reicht. In an­de­ren Be­rei­chen ist es ja auch so, dass uns das nicht kom­plett da­von abhält, Tech­no­lo­gien zu nut­zen. Im Ge­gen­teil, man kann ja auch in Google durch­aus fal­sche Er­geb­nisse er­zie­len und nutzt des­halb trotz­dem Google wei­ter. Man muss nur die rich­ti­gen Schlüsse zie­hen. Und ganz ehr­lich - so ähn­lich ist es bei Chat GPT.

Ich möchte da auf Ge­off­rey E. Hin­ton hin­wei­sen, den sog. „God­fa­ther of AI“ der seit vier­zig Jah­ren an KI forscht. Ich teile seine Mei­nung zwar nicht un­ein­ge­schränkt, aber in die­sem Punkt schon. Er sagt, dass der Haupt­grund für Hal­lu­zi­na­tio­nen darin be­steht, dass die KI mit mensch­lich ge­ne­rier­ten Da­ten, im We­sent­li­chen Sprache, ar­bei­tet und eine große An­zahl die­ser „Trai­nings­da­ten“, ggf. nicht ganz stim­mig, sub­jek­tiv und so­mit nicht wirk­lich mus­tergültig für nicht-hal­lu­zi­na­tive In­halte ist. Wenn man also weiß, dass die KI mit Hal­lu­zi­na­tio­nen „ver­seucht“ ist, kann man das zwar nicht ver­hin­dern, aber dem zu­min­dest ent­ge­gen­wir­ken.

Ei­gent­lich bedürfte es doch erst ein­mal ethi­scher und ge­setz­li­cher Grund­la­gen, be­vor KI flächen­de­ckend zum Ein­satz kommt? Aber bis wir da­mit so weit sind, wer­den wir doch von den Ent­wick­lun­gen über­rollt. Ha­ben wir ei­gent­lich noch eine Wahl, wenn wir wett­be­werbsfähig blei­ben wol­len?

Der tech­no­lo­gi­sche Fort­schritt ist der Re­gu­la­to­rik seit vie­len hun­dert Jah­ren weit vor­aus. Die ge­samte In­dus­tria­li­sie­rung ba­sierte am An­fang auf dem Feh­len von sinn­vol­ler Re­gu­la­to­rik und das war nicht nur gut. Aus mei­ner Sicht ist die ge­ne­ra­tive KI in der jet­zi­gen Größenord­nung mit der In­dus­tria­li­sie­rung ver­gleich­bar. Das be­deu­tet: Ja - wir brau­chen eine Re­gu­lie­rung von KI. Wir brau­chen aber noch viel mehr das Be­wusst­sein dafür, dass wir einen Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess in Gang set­zen müssen, der nicht ge­stoppt wer­den darf. Die Frage, wie wohl­ha­bend Deutsch­land in zehn bis fünf­zehn Jah­ren sein wird, ist eine Frage, die mit dem Ein­satz von KI be­ant­wor­tet wer­den wird. Deutsch­land hat dafür in vie­len Be­rei­chen gute Vor­aus­set­zun­gen, u. a. ist die KI-For­schung gar nicht so schlecht. Woran es aber sehr ha­pert, ist ei­ner­seits bei der Di­gi­ta­li­sie­rung ins­ge­samt, der In­fra­struk­tur zum Bei­spiel, an­de­rer­seits bei dem Be­wusst­sein für die Di­gi­ta­li­sie­rung und der Me­cha­nik, die da­hin­ter­steht, und schließlich auch an der po­li­ti­schen Hal­tung, die Trans­for­ma­tion zu ermögli­chen. Lei­der wird der­zeit die KI-Trans­for­ma­tion von aber­wit­zi­ger Re­gu­lie­rung zurück­gedrängt.

Vie­len Dank für das Ge­spräch, Herr Lobo.

 

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