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Kein Spruchverfahren zur Bestimmung einer angemessenen Abfindung nach regulärem Delisting

OLG Karlsruhe 12.3.2015, 12a W 3/15

Ein Spruch­ver­fah­ren zur Be­stim­mung ei­ner an­ge­mes­se­nen Ab­fin­dung nach einem re­gulären De­lis­ting ist auch dann un­statt­haft, wenn das Ver­fah­ren vor der Ent­schei­dung des BGH vom 8.10.2013, II ZB 26/12 ("Frosta") ein­ge­lei­tet wurde. Gründe des Ver­trau­ens­schut­zes und der Rechts­si­cher­heit ste­hen der Zurück­wei­sung des An­trags als un­zulässig nicht ent­ge­gen.

Der Sach­ver­halt:
Ge­gen­stand des Be­schwer­de­ver­fah­rens ist die Frage, ob die Überprüfung ei­ner nach einem re­gulären De­lis­ting an­ge­bo­te­nen Bar­ab­fin­dung im Spruch­ver­fah­ren auch nach der Ent­schei­dung des BGH vom 8.10.2013, II ZB 26/12 ("Frosta"), noch fort­zuführen ist.

Die Ak­tien der Ge­ne­Scan Eu­rope AG wa­ren im ge­re­gel­ten Markt der Frank­fur­ter Wert­pa­pierbörse no­tiert. Die An­trag­stel­ler wa­ren und sind Min­der­heits­ak­tionäre, die An­trags­geg­ne­rin Mehr­heits­ak­tionärin mit über 90 Pro­zent der Ak­tien. Mit Ein­la­dung zur Haupt­ver­samm­lung vom 4.6.2009 schlug die Ver­wal­tung der Ge­ne­Scan nach vor­he­ri­ger Ad-hoc-Ankündi­gung vom 20.5.2009 den Ak­tionären vor, die Ermäch­ti­gung des Vor­stands zum An­trag auf Wi­der­ruf der Zu­las­sung der Ak­tien der Ge­sell­schaft zum ge­re­gel­ten Markt an der Frank­fur­ter Wert­pa­pierbörse (re­guläres De­lis­ting) zu be­schließen. Der Ein­la­dung bei­gefügt war das An­ge­bot der An­trags­geg­ne­rin, die Ak­tien der übri­gen Ak­tionäre zu einem Stück­preis von rd. 577 € zu er­wer­ben.

Die Haupt­ver­samm­lung stimmte dem Be­schluss­vor­schlag am 16.7.2009 zu. Auf An­trag des Vor­stands der Ge­ne­Scan wi­der­rief die Frank­fur­ter Wert­pa­pierbörse mit am 11.11.2009 be­kannt ge­mach­ter Ent­schei­dung die Börsen­zu­las­sung der Ge­ne­Scan mit Wir­kung vom 11.2.2010 und stellte den amt­li­chen Han­del ein. In der Folge fand nur­mehr spo­ra­di­scher Han­del mit Ak­tien der Ge­ne­Scan im all­ge­mei­nen Frei­ver­kehr der Börse Stutt­gart statt. Die An­trag­stel­ler hal­ten die an­ge­bo­tene Bar­ab­fin­dung i.H.v. 577 € für un­an­ge­mes­sen nied­rig und streng­ten ein Spruch­ver­fah­ren an.

Das LG wies die Anträge als un­zulässig ab. Nach der Frosta-Ent­schei­dung des BGH sei für eine Fortführung des Spruch­ver­fah­rens kein Raum. Die Be­schwer­den der An­trag­stel­ler hat­ten vor dem OLG kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das Spruch­ver­fah­ren ist un­statt­haft. Der frei­wil­lige Rück­zug ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft von der Börse durch den Wi­der­ruf der Zu­las­sung ih­rer Ak­tien zum Börsen­han­del (De­lis­ting) eröff­net kein Spruch­ver­fah­ren zur Überprüfung der An­ge­mes­sen­heit ei­ner an­ge­bo­te­nen Ab­fin­dung. Dies gilt auch für Spruch­ver­fah­ren, die - wie im Streit­fall - be­reits vor dem Zeit­punkt der Frosta-Ent­schei­dung des BGH (8.10.2013) rechtshängig ge­macht wur­den.

Der Wi­der­ruf der Börsen­zu­las­sung für den re­gu­lier­ten Markt auf An­trag des Emit­ten­ten berührt grundsätz­lich nicht den Schutz­be­reich der Ei­gen­tums­frei­heit des Ak­tionärs aus Art. 14 Abs. 1 GG. Ein - im Spruch­ver­fah­ren auf seine An­ge­mes­sen­heit überprüfba­res - Ab­fin­dungs­an­ge­bot des Mehr­heits­ak­tionärs an die Min­der­heits­ak­tionäre zum Er­werb ih­rer Ak­tien ist für die­sen Fall da­her ver­fas­sungs­recht­lich nicht ge­bo­ten. Eine sol­che Ver­pflich­tung er­gibt sich auch nicht aus ein­fa­chem Recht ("Frosta"-Ent­schei­dung des BGH un­ter Auf­gabe der früheren Recht­spre­chung - "Macro­tron"). Die vom BGH in der Frosta-Ent­schei­dung zum Down­gra­ding an­geführ­ten Erwägun­gen grei­fen un­ter­schieds­los auch für den Fall des re­gulären De­lis­tings; eine Un­ter­schei­dung wäre in­so­weit nach den Erwägun­gen des BVerfGE ver­fas­sungs­recht­lich auch nicht ver­an­lasst. Der An­wen­dungs­be­reich des Spruch­ver­fah­rens­ge­set­zes ist beim De­lis­ting da­her nicht eröff­net.

Auch be­reits vor der Frosta-Ent­schei­dung des BGH rechtshängige Spruch­ver­fah­ren sind un­statt­haft und nicht fort­zuführen. Grundsätze der Rechts­si­cher­heit und des Ver­trau­ens­schut­zes ste­hen nicht ent­ge­gen. Ins­be­son­dere sind die Grundsätze des ver­fas­sungs­recht­li­chen Rück­wir­kungs­ver­bots nicht ver­letzt. Die ver­fas­sungs­recht­li­chen Gren­zen für eine rück­wir­kende Recht­set­zung sind nicht ohne wei­te­res auf eine Auf­gabe früherer Recht­spre­chung zu über­tra­gen. Die Auf­gabe der früheren Macro­tron-Recht­spre­chung durch die Frosta-Ent­schei­dung des BGH ist un­mit­tel­bare Folge der Ent­schei­dung des BVerfGE und fin­det in ihr eine hin­rei­chende Begründung. Sie hält sich im Rah­men ei­ner vor­her­seh­ba­ren Ent­wick­lung, nach­dem die Reich­weite der Macro­tron-Recht­spre­chung be­reits zu­vor ober­ge­richt­lich um­strit­ten war.

So­weit die Be­schwer­deführer im Ver­trauen auf die be­ste­hende höchstrich­ter­li­che Recht­spre­chung schützens­werte Dis­po­si­tio­nen ge­trof­fen ha­ben, be­schränken sich diese im Streit­fall auf die Ver­aus­la­gung von Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten zur Be­strei­tung des Spruch­ver­fah­rens. Die­sem Ver­trauen hat das LG durch seine Bil­lig­keits­erwägun­gen im Rah­men der Kos­ten­ent­schei­dung hin­rei­chend Rech­nung ge­tra­gen. Im Übri­gen hat die An­trags­geg­ne­rin vor­lie­gend im An­schluss an das De­lis­ting ein Squeeze-Out durch­geführt, das am 12.5.2011 wirk­sam wurde. Durch den Squeeze-Out er­lang­ten alle ver­blei­ben­den Ak­tionäre er­neut einen An­spruch auf eine an­ge­mes­sene Bar­ab­fin­dung, de­ren Höhe der­zeit in einem Spruch­ver­fah­ren überprüft wird. Sämt­li­che Be­schwer­deführer sind als An­trag­stel­ler an die­sem Spruch­ver­fah­ren be­tei­ligt.

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