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FG Münster zum Eintritt der Rechtsfolgen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG

Urteil des FG Münster vom 22.5.2013 - 10 K 15/12 E

Für den Ein­tritt der Rechts­fol­gen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG bei ei­ner pri­va­ten Grundstücks­veräußerung reicht es nicht aus, wenn die Ver­trags­be­tei­lig­ten zwar bin­dende Wil­lens­erklärun­gen ab­ge­ge­ben ha­ben, der Ver­trag aber we­gen Ver­ein­ba­rung ei­ner auf­schie­ben­den Be­din­gung oder ei­nes Ge­neh­mi­gungs­vor­be­halts noch schwe­bend un­wirk­sam ist. Maßgeb­lich ist der Zeit­punkt der zi­vil­recht­li­chen Wirk­sam­keit und da­mit des Be­din­gungs­ein­tritts bzw. der Er­tei­lung der Ge­neh­mi­gung.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hatte mit Kauf­ver­trag vom 3.3.1998 von der Deut­sche Bahn ein Teil­grundstück er­wor­ben. Als Stich­tag für den Be­sitzüberg­ang wurde der 1.4.1998 ver­ein­bart. Der Kläger ver­mie­tete das Grundstück zunächst. Am 30.1.2008 schloss er dann mit der Stadt A. einen no­ta­ri­el­len Kauf­ver­trag über das be­baute Grundstück zu Kauf­preis von 309.632 €. Die Ei­gen­tums­um­schrei­bung im Grund­buch sollte u.a. erst mit Ent­wid­mung durch die Deut­sche Bun­des­bahn er­fol­gen. Außer­dem wurde die Käuferin über die Ri­si­ken ei­ner Kauf­preis­zah­lung bei schwe­ben­der Un­wirk­sam­keit des Ver­tra­ges hin­ge­wie­sen. Am 10.12.2008 er­teilte das Ei­sen­bahn-Bun­des­amt ge­genüber der Stadt A. einen Frei­stel­lungs­be­scheid.

In sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung 2008 gab der Kläger an, dass pri­vate Veräußerungs­ge­schäfte, ins­be­son­dere Grundstücks- und Wert­pa­pier­veräußerun­gen, nicht getätigt wor­den seien. Das Fi­nanz­amt berück­sich­tigte bei der Fest­set­zung der Ein­kom­men­steuer aber trotz­dem die Einkünfte aus einem pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäft i.H.v. 124.776 € auf­grund der Veräußerung des Grundstücks. Es war der An­sicht, dass für die Be­rech­nung des Zehn­jah­res­zeit­raums gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG grundsätz­lich der Zeit­punkt maßge­bend sei, in dem der ob­li­ga­to­ri­sche Ver­trag ab­ge­schlos­sen werde. Der Kläger hielt da­ge­gen, es komme nicht al­lein auf den Zeit­punkt der no­ta­ri­el­len Ur­kund­ser­rich­tung an, son­dern auf den Ver­trags­schluss und den Überg­ang des wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tums.

Das FG gab der Klage statt. Al­ler­dings wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che die Re­vi­sion zu­ge­las­sen. Die Sa­che ist beim BFH un­ter dem Az.: IX R 22/13 anhängig.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt durfte den Ge­winn aus der Veräußerung des Grundstücks nicht der Be­steue­rung gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG un­ter­wer­fen.

Maßgeb­li­cher An­schaf­fungs­zeit­punkt i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG für das Grundstück war der Tag des Ab­schlus­ses des Kauf­ver­tra­ges mit der Deut­sche Bahn am 3.3.1998. Für den Zeit­punkt der An­schaf­fung ist der Ab­schluss des Ver­pflich­tungs­ge­schäfts, der schuld­recht­li­chen Ver­ein­ba­rung maßgeb­lich. Auf den ding­li­chen Voll­zug kommt es nicht an. Für den Zeit­punkt der Veräußerung ei­nes Grundstücks und da­mit für die Be­rech­nung des Zehn­jah­res-Zeit­raums gem. § 23 Abs. 1 S. 1  Nr. 1 EStG kommt es eben­falls auf den Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des ob­li­ga­to­ri­schen (Ver­kaufs-) Ver­tra­ges, also des zi­vil­recht­li­chen Ver­pflich­tungs­ge­schäfts an. In­fol­ge­des­sen war die die zehnjährige Veräußerungs­frist i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG vor­lie­gend ab­ge­lau­fen, denn eine Veräußerung war nicht schon im Zeit­punkt der Un­ter­zeich­nung des no­ta­ri­el­len Kauf­ver­tra­ges am 30.1.2008 an­zu­neh­men, weil der Kauf­ver­trag zu die­sem Zeit­punkt noch nicht zi­vil­recht­lich wirk­sam war.

Der Kauf­ver­trag zwi­schen dem Kläger und der Stadt A. sah vor, dass die­ser nur dann wirk­sam werde (schwe­bend be­dingt), wenn die Deut­sche Bun­des­bahn bzw. die dafür zuständige Behörde die Ent­wid­mung des Grundstücks erkläre. Diese ver­trag­li­che Be­stim­mung war un­ter Berück­sich­ti­gung des Wil­lens der Ver­trags­par­teien und des Ge­samt­zu­sam­men­hangs der ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen als auf­schie­bende Be­din­gung i.S.v. § 158 Abs. 1 BGB aus­zu­le­gen. Für den Ein­tritt der Rechts­fol­gen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG reicht es nicht aus, wenn die Ver­trags­be­tei­lig­ten - wie hier - zwar bin­dende Wil­lens­erklärun­gen ab­ge­ge­ben ha­ben, der Ver­trag aber we­gen Ver­ein­ba­rung ei­ner auf­schie­ben­den Be­din­gung oder ei­nes Ge­neh­mi­gungs­vor­be­halts noch schwe­bend un­wirk­sam ist. Maßgeb­lich ist der Zeit­punkt der zi­vil­recht­li­chen Wirk­sam­keit und da­mit des Be­din­gungs­ein­tritts bzw. der Er­tei­lung der Ge­neh­mi­gung, also hier der 10.12.2008.

Die spätere Er­tei­lung der Frei­stel­lungs­be­schei­ni­gung führte auch nicht dazu, dass der Grundstücks­kauf­ver­trag rück­wir­kend gem. § 184 BGB wirk­sam wurde. Bei der Er­tei­lung der Frei­stel­lungs­be­schei­ni­gung han­delte es sich nicht um eine Ge­neh­mi­gung des Kauf­ver­tra­ges i.S.v. § 184 BGB, son­dern um eine auf­schie­bende Be­din­gung gem. § 158 BGB, de­ren Ein­tritt keine rück­wir­kende Wir­kung ent­fal­tet. Im Übri­gen wäre auch eine Rück­wir­kung gem. § 184 BGB nach ständi­ger BFH-Recht­spre­chung nicht in die Spe­ku­la­ti­ons­frist­be­rech­nung ein­zu­be­zie­hen.

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