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FG Hamburg zur Reisekostenerstattung für auswärtigen Rechtsanwalt mit Spezialkenntnissen

Beschluss des FG Hamburg vom 15.6.2012 - 3 KO 208/11

Die Mehr­kos­ten für einen auswärti­gen Rechts­an­walt sind als not­wen­dige Kos­ten er­stat­tungsfähig, wenn ein ver­gleich­ba­rer orts­ansässi­ger Rechts­an­walt nicht be­auf­tragt wer­den kann. Die Frage der Ver­gleich­bar­keit ist aus Sicht ei­nes verständi­gen, nicht not­wen­di­ger­weise rechts­kun­di­gen, Be­tei­lig­ten zu be­ant­wor­ten.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine GmbH, die in Deutsch­land eine Kon­zert­agen­tur be­treibt. Im Streit­jahr 2001 schloss sie Verträge mit Künst­lern und Agen­tu­ren, die in Eng­land, Schwe­den und den USA ansässig wa­ren und die Staats­an­gehörig­keit des ent­spre­chen­den Staa­tes besaßen bzw. nach den Vor­schrif­ten des be­tref­fen­den Staa­tes gegründet wor­den wa­ren. Dem­zu­folge mel­dete sie im Streit­jahr Steu­er­ab­zugs­beträge gem. § 50a Abs. 4 EStG an. Hierzu be­auf­tragte die Kläge­rin ih­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten, mit dem sie be­reits seit An­fang der neun­zi­ger Jahre zu­sam­men­ar­bei­tet. Die­ser un­terhält sei­nen Sitz je­doch we­der am Ort des FG noch an dem mit dem Ge­richts­ort iden­ti­schen Sitz der Kläge­rin.

Der Pro­zess­be­vollmäch­tigte ist al­ler­dings Fach­an­walt für Steu­er­recht so­wie Steu­er­be­ra­ter und tritt in sei­ner Außendar­stel­lung als Spe­zia­list für die recht­li­che Ver­tre­tung von Künst­lern, Agen­tu­ren und ähn­li­chen Man­dan­ten im Hin­blick auf die Künst­le­rab­zugs­be­steue­rung nach § 50a EStG auf. Er ver­trat - wie se­natsüberg­rei­fend ge­richts­be­kannt ist - wie kein an­de­rer über viele Jahre Be­tei­ligte in ein­schlägi­gen Ver­fah­ren. Darüber hin­aus ver­trat er die Kläge­rin und an­dere Be­tei­ligte in Rechts­strei­tig­kei­ten be­tref­fend § 50a EStG vor dem BFH und dem EuGH.

Nach teil­wei­sem Ob­sie­gen in der Klage-Haupt­sa­che machte die Kläge­rin im Er­in­ne­rungs­ver­fah­ren als Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten Rei­se­kos­ten (Fahrt­kos­ten und Tage- und Ab­we­sen­heits­gel­der) ih­res Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten gel­tend. Die Ur­kunds- und Kos­ten­be­am­tin des FG ver­wei­gerte der Kläge­rin diese al­ler­dings. Die Rei­se­kos­ten ei­nes nicht am Ort des Ge­richts ansässi­gen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten seien nach der Recht­spre­chung in der Re­gel keine zur zweck­ent­spre­chen­den Rechts­ver­fol­gung not­wen­di­gen Kos­ten und da­her nicht er­stat­tungsfähig.

Das FG half der Er­in­ne­rung der Kläge­rin hin­sicht­lich der Rei­se­kos­ten schließlich ab.

Die Gründe:
Zu Un­recht hatte die Ur­kunds- und Kos­ten­be­am­tin des FG die Fahrt­kos­ten und die Tage- und Ab­we­sen­heits­gel­der des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin nicht als er­stat­tungsfähige Kos­ten fest­ge­setzt.

Zu er­stat­ten sind gem. § 139 Abs. 1 FGO die Ge­richts­kos­ten (Gebühren und Aus­la­gen) und die zur zweck­ent­spre­chen­den Rechts­ver­fol­gung oder Rechts­ver­tei­di­gung not­wen­di­gen Auf­wen­dun­gen der Be­tei­lig­ten, ein­schließlich der Kos­ten des Vor­ver­fah­rens. Er­stat­tungsfähig sind so­mit nur not­wen­dige Auf­wen­dun­gen. Die FGO sieht zwar keine § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO ent­spre­chende ge­setz­li­che Ein­schränkung der Er­stat­tungsfähig­keit von Rei­se­kos­ten auswärti­ger Rechts­anwälte vor. In der ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung wird je­doch zu der § 139 Abs. 1 FGO wort­glei­chen Vor­schrift des § 162 Abs. 1 VwGO ein­hel­lig ver­tre­ten, dass sich eine § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO ver­gleich­bare Ein­schränkung bei der Be­auf­tra­gung auswärti­ger Rechts­anwälte über die Ge­ne­ral­ver­wei­sung § 173 VwGO aus dem das ge­samte Kos­ten­recht durch­zie­hen­den Spar­sam­keits­ge­bot er­gebe.

In der bei der An­wen­dung von § 139 FGO her­an­zieh­ba­ren Recht­spre­chung des BGH zu § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO hat die­ser an sei­ner bis­he­ri­gen Auf­fas­sung fest­ge­hal­ten, dass die (Rei­se­kos­ten auslösende) Be­auf­tra­gung ei­nes spe­zia­li­sier­ten auswärti­gen Rechts­an­walts, der sei­nen Sitz we­der am Ge­richts­ort noch am Wohn­sitz bzw. Sitz der Kläge­rin oder des Klägers un­terhält ("Rechts­an­walt-am-drit­ten-Ort"), nur dann aus­nahms­weise not­wen­dig ist, wenn ein ver­gleich­ba­rer orts­ansässi­ger Rechts­an­walt nicht be­auf­tragt wer­den kann. Ein be­son­de­res Ver­trau­ens­verhält­nis zwi­schen einem Be­tei­lig­ten und sei­nem Pro­zess­be­vollmäch­ti­gen reicht da­bei nicht aus, um orts­ansässige Rechts­anwälte als nicht ver­gleich­bar er­schei­nen zu las­sen. Viel­mehr ist die Frage der Ver­gleich­bar­keit aus Sicht ei­nes verständi­gen, nicht not­wen­di­ger­weise rechts­kun­di­gen, Be­tei­lig­ten zu be­ant­wor­ten.

Über be­son­dere Kennt­nisse in tatsäch­li­cher Hin­sicht verfügt so­mit ein "Rechts­an­walt-am-drit­ten-Ort" dann, wenn er na­hezu aus­schließlich eine be­stimmte Gruppe von Man­dan­ten oder Man­dan­ten aus ei­ner be­stimm­ten Bran­che ver­tritt und da­durch über ver­tiefte Kennt­nisse der bran­chenübli­chen Ge­pflo­gen­hei­ten und der den Rechts­strei­tig­kei­ten zu Grunde lie­gen­den wirt­schaft­li­chen Sach­ver­halte verfügt oder ein­schlägig be­son­ders um­fang­reich, also über die bloße vor­pro­zes­suale Ver­tre­tung hin­aus, mit den An­ge­le­gen­hei­ten des Man­dan­ten vor­be­fasst war. All dies traf im vor­lie­gen­den Fall zu. Bun­des­weit ist kein ver­gleich­ba­rer Rechts­an­walt ansässig.

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