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FG Düsseldorf: Zum Kindergeldanspruch für ein geistig behindertes Kind

Urteil des FG Düsseldorf vom 12.10.2011 - 7 K 2181/10 Kg

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 u. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG be­steht für ein volljähri­ges geis­tig be­hin­der­tes Kind ein An­spruch auf Kin­der­geld, wenn es außer­stande ist, sich selbst zu un­ter­hal­ten. Zu den zur Verfügung ste­hen­den Mit­teln des Kin­des zählen ne­ben den Ar­beits­einkünf­ten auch Zah­lun­gen von So­zi­al­leis­tungsträgern als Bezüge.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin be­gehrte Kin­der­geld für ih­ren heute 38-jähri­gen. Die­ser ist laut ärzt­li­cher Be­schei­ni­gun­gen geis­tig be­hin­dert; er lebt in ei­ner ei­ge­nen Woh­nung und be­zieht seit Juli 2005 ALG II. Die Be­hin­de­rung be­steht min­des­tens seit 1990. Der Sohn lebte seit 2002 in ei­ner stützen­den Ein­rich­tung. Dem­ent­spre­chend setzte die Fa­mi­li­en­kasse ab 2002 Kin­der­geld fest.

Im Fe­bruar 2008 teilte die Kläge­rin mit, der Sohn lebe in einem ei­ge­nen Haus­halt. Bei­gefügt war eine ärzt­li­che Be­schei­ni­gung, wo­nach der Sohn sich seit Jah­ren in ner­venärzt­li­cher Be­hand­lung be­finde und im Rah­men ei­ner Schi­zo­phre­nia-Sim­plex nicht in der Lage sei, al­lein für sei­nen Un­ter­halt zu sor­gen. Aus­weis­lich ärzt­li­cher Gut­ach­ten und ei­ner Mit­tei­lung der Reha-Stelle der Agen­tur für Ar­beit ist er nicht in der Lage, eine Er­werbstätig­keit von drei Stun­den täglich auszuüben.

Ab März 2008 hob die Fa­mi­li­en­kasse die Kin­der­geld­fest­set­zung für den Sohn auf und begründete dies mit der Höhe der ei­ge­nen Einkünfte des Kin­des. Dem Sohn der Kläge­rin stan­den im Ja­nuar 2009 Bezüge von 553,60 € zuz. der Nach­zah­lung von 3.502 € zu. Im Fe­bruar 2009 be­tru­gen die Bezüge 498,54 €. In den Mo­na­ten März bis Juni be­tru­gen sie je 676 €. Im Juli er­hielt der Sohn ne­ben den lau­fen­den Bezügen i.H.v. 684 € eine Nach­zah­lung von 447,59 €, in den Mo­na­ten Au­gust bis De­zem­ber 2009 la­gen die lau­fen­den Bezüge bei mo­nat­lich 684 €.

Das FG gab der Klage teil­weise statt.

Die Gründe:
Die Klage hin­sicht­lich des Kin­der­gel­des für das Jahr 2009 war teil­weise begründet und im Übri­gen un­begründet.

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 u. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG be­steht für ein volljähri­ges Kind ein An­spruch auf Kin­der­geld, wenn es we­gen ei­ner körper­li­chen, geis­ti­gen oder see­li­schen Be­hin­de­rung außer­stande ist, sich selbst zu un­ter­hal­ten. Der exis­ten­ti­elle Le­bens­be­darf des be­hin­der­ten Kin­des setzt sich ty­pi­scher­weise aus dem all­ge­mei­nen Le­bens­be­darf und dem in­di­vi­du­el­len be­hin­de­rungs­be­ding­ten Mehr­be­darf zu­sam­men. Letz­te­rer um­fasst Auf­wen­dun­gen, die ge­sunde Kin­der nicht ha­ben. Dazu gehören alle mit ei­ner Be­hin­de­rung zu­sam­menhängen­den außer­gewöhn­li­chen Be­las­tun­gen, z.B. Wäsche, Hil­fe­leis­tun­gen, Er­ho­lung und ty­pi­sche Er­schwer­nis­auf­wen­dun­gen. Wer­den die Auf­wen­dun­gen nicht im Ein­zel­nen nach­ge­wie­sen, kann der maßgeb­li­che Be­hin­der­ten-Pausch­be­trag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als An­halt für den Mehr­be­darf die­nen.

Zu den zur Verfügung ste­hen­den Mit­teln des Kin­des zählen ne­ben den Ar­beits­einkünf­ten auch Zah­lun­gen von So­zi­al­leis­tungsträgern als Bezüge. Hil­fe­leis­tun­gen der El­tern sind da­ge­gen nicht zu berück­sich­ti­gen. Ob für ein be­hin­der­tes Kind ein An­spruch auf Kin­der­geld be­steht, ist für je­den Mo­nat ge­son­dert zu prüfen. Für die zeit­li­che Berück­sich­ti­gung der Einkünfte und Bezüge gilt das Zu­fluss­prin­zip. Jähr­lich an­fal­lende Son­der­zah­lun­gen, wie z.B. Weih­nachts­geld, sind dem­ge­genüber auf den Zu­fluss­mo­nat und die nach­fol­gen­den elf Mo­nate auf­zu­tei­len. Nach­zah­lun­gen von ALG II wer­den nach An­sicht des FG München (Urt. v. 29.3.2011, Az.: 13 K 617/10) dem volljähri­gen be­hin­der­ten Kind im Mo­nat des tatsäch­li­chen Zu­flus­ses zu­ge­rech­net.

An­ders als bei re­gelmäßig wie­der­keh­ren­den jähr­li­chen Son­der­leis­tun­gen dürfte bei der Nach­zah­lung von So­zi­al­leis­tun­gen eine so­zi­al­recht­li­che Be­trach­tung ge­bo­ten sein. Nach der BSG-Recht­spre­chung v. 7. 5.2009 (Az.: B 14 AS 4/08 R) sind Nach­zah­lun­gen von ALG II ge­rade im Zu­fluss­mo­nat zu berück­sich­ti­gen. So­mit war der Sohn der Kläge­rin im Ja­nuar 2009 nicht außer­stande, sich selbst zu un­ter­hal­ten. Im Fe­bruar 2009 la­gen die Einkünfte hin­ge­gen un­ter dem mo­nat­li­chen Grenz­be­trag. In den Mo­na­ten März bis Juni be­tru­gen die Bezüge je 676 €. Un­ter Berück­sich­ti­gung ei­nes be­hin­de­rungs­be­ding­ten Mehr­be­darf von 25,83 € so­wie des an­tei­li­gen Pausch­be­trags von 15 € war der Sohn außer­stande, den Le­bens­un­ter­halt zu be­strei­ten. Im Juli er­hielt der Sohn eine Nach­zah­lung von 447,59 €, in den Mo­na­ten Au­gust bis De­zem­ber 2009 la­gen die lau­fen­den Bezüge bei mo­nat­lich 684 €, so dass für diese Mo­nate kein Kin­der­geld­an­spruch be­stand.

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