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Festlegungen zur Eigenkapitalverzinsung für Strom- und Gasnetze rechtswidrig

Das OLG Düssel­dorf hat mit Be­schluss vom 30.08.2023 auf­grund Be­schwer­den von rund 900 Netz­be­trei­bern in 14 Mus­ter­ver­fah­ren, die von der Bun­des­netz­agen­tur (BNetzA) er­las­se­nen Fest­le­gun­gen der kal­ku­la­to­ri­schen Ei­gen­ka­pi­tal­zinssätze zur Be­stim­mung der Erlösober­grenze für die Elek­tri­zitäts- und Gas­netz­be­trei­ber für die 4. Re­gu­lie­rungs­pe­riode (Az. BK4-21-055 und BK4-21-056) auf­ge­ho­ben.

Zur Be­rech­nung der von den Netz­be­trei­bern zu­ge­stan­de­nen Erlösober­gren­zen für die Netz­nut­zung durch Strom- und Gas­lie­fe­ran­ten ist eine an­ge­mes­sene Ver­zin­sung des ein­ge­setz­ten Ei­gen­ka­pi­tals zu gewähr­leis­ten. Die Fest­le­gun­gen se­hen hierzu bis­her eine ver­gan­gen­heits­ori­en­tierte Er­mitt­lung der Ver­zin­sung des ein­ge­setz­ten Ei­gen­ka­pi­tals vor.

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Ab der 4. Re­gu­lie­rungs­pe­riode (Strom 2024 bis 2028/Gas 2023 bis 2027) soll der für den kal­ku­la­to­ri­schen Ei­gen­ka­pi­tal­an­teil bis 40 % re­le­vante Ei­gen­ka­pi­tal­zins­satz I (EKI-Zins­satz) nach § 7 Abs. 6 Strom- und Gas­net­zent­gelt­ver­ord­nung für Neu­an­la­gen 5,07 % (3. Re­gu­lie­rungs­pe­riode: 6,91 %) und für Alt­an­la­gen 3,51 % (3. Re­gu­lie­rungs­pe­riode: 5,12 %) vor Steu­ern be­tra­gen. Im Ver­gleich zur 3. Re­gu­lie­rungs­pe­riode wäre da­mit ein er­heb­li­cher Rück­gang der für die Kos­tenprüfun­gen und Ka­pi­tal­kos­ten­auf­schläge wich­ti­gen Zinssätze hin­zu­neh­men.

Ab der 4. Re­gu­lie­rungs­pe­riode sieht die Be­rech­nungs­grund­lage des Fremd­ka­pi­tal­zin­ses - also des für die kal­ku­la­to­ri­schen Ei­gen­ka­pi­tal­an­teile > 40 % re­le­van­ten Ei­gen­ka­pi­tal­zins­satz II (EKII-Zins­satz) - vor, gemäß § 7 Abs. 7 Strom- und Gas­net­zent­gelt­ver­ord­nung die Um­lauf­ren­di­ten der An­lei­hen der öff­ent­li­chen Hand und der An­lei­hen von Un­ter­neh­men im Verhält­nis 1:2 ein­zu­be­zie­hen. Auf­grund der neuen Be­rech­nungs­mo­da­litäten re­du­ziert sich der EKII-Zins­satz für die 4. Re­gu­lie­rungs­pe­riode für Gas­netz­be­trei­ber auf 2,02 % und für Elek­tri­zitätsnetz­be­trei­ber auf 1,71 %.

Bedeutung für die Netzbetreiber

Im Ver­gleich zur 3. Re­gu­lie­rungs­pe­riode er­ge­ben sich ne­ga­tive Ef­fekte aus der Sen­kung der EK-Zinssätze. Diese Zins­satz­sen­kun­gen ste­hen im Wi­der­spruch zur ak­tu­el­len Zins­ent­wick­lung an den Ka­pi­talmärk­ten und der Um­set­zung der am­bi­tio­nier­ten Ziele der Bun­des­re­gie­rung zur Kli­ma­neu­tra­lität und dem Aus­bau der Er­neu­er­ba­ren En­er­gien, die In­ves­ti­tio­nen in die Netze not­wen­dig ma­chen.

Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf

Das OLG Düssel­dorf hatte keine for­mel­len Mängel der Fest­le­gun­gen fest­ge­stellt oder Be­an­stan­dun­gen ge­gen den me­tho­di­schen An­satz der BNetzA. Die bis­he­rige Recht­spre­chung des OLG Düssel­dorf und des BGH zum sog. Ca­pi­tal-As­set-Pri­cing-Mo­del (CAPM) als zulässige Me­thode zur Er­mitt­lung des Wag­nis­zu­schlags wurde noch­mals bestätigt. Eben­falls wurde die Ver­wen­dung der DMS-Da­ten aus dem „Cre­dit Suisse Glo­bal In­vest­ment Re­turns Ye­ar­book 2021“ nicht be­an­stan­det. Zu be­an­stan­den sei aber, so das OLG, dass auf­grund Schätz­un­si­cher­hei­ten und wei­te­rer As­pekte kon­krete An­halts­punkte vor­lie­gen, dass die Zinssätze vor dem Hin­ter­grund der Aus­wir­kun­gen der an­hal­ten­den Nied­rig­zins­phase auf die Ba­sis­zinssätze nicht dem Grund­satz der An­ge­mes­sen­heit nach § 21 Abs. 2 EnWG ent­spre­chen. Die BNetzA hat es un­ter­las­sen, die von ihr al­lein un­ter Her­an­zie­hung his­to­ri­scher Da­ten­rei­hen er­mit­telte Markt­ri­si­koprämie als Be­stand­teil des Ei­gen­ka­pi­tal­zins­sat­zes ei­ner zusätz­li­chen Plau­si­bi­li­sie­rung zu un­ter­zie­hen. Die er­mit­telte Markt­ri­si­koprämie und der Ei­gen­ka­pi­tal­zins­satz lie­gen zu­dem im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich am un­teren Ende der Band­breite. Die BNetzA habe sich mit die­sen Er­geb­nis­sen rechts­wid­rig un­zu­rei­chend aus­ein­an­der­ge­setzt.

BNetzA bessert bei den Zinssätzen für Strom- und Gasnetze nach

Mit den bis­her zu­ge­stan­de­nen Zinssätzen für die 4. Re­gu­lie­rungs­pe­riode er­folgt für Strom- und Gas­netz­be­trei­ber keine an­ge­mes­sene Ren­dite des ein­ge­setz­ten Ei­gen­ka­pi­tals. Die BNetzA sieht vor, die ak­tu­el­len Ent­wick­lun­gen der Zin­sen an Ka­pi­talmärk­ten zu berück­sich­ti­gen und eine an­ge­mes­sene, wett­be­werbsfähige und ri­si­ko­an­ge­passte kal­ku­la­to­ri­sche Ei­gen­ka­pi­tal­ver­zin­sung zu gewähr­leis­ten und An­reize für In­ves­ti­tio­nen zu schaf­fen. Die we­sent­li­chen Eck­punkte be­tref­fen:

  • An­pas­sung im Ka­pi­tal­kos­ten­auf­schlag (KKa) nach § 10 ARegV

Ab­wei­chend von der bis­he­ri­gen Fest­le­gung soll der Ei­gen­ka­pi­tal­zins­satz nur für Neu­in­ves­ti­tio­nen nach dem 31.12.2023 ei­ner höheren Ka­pi­tal­ver­zin­sung un­ter­lie­gen. Nach den neuen Be­rech­nungs­mo­da­litäten wird für In­ves­ti­tio­nen des Jah­res 2024 ein höherer EKI-Zins­satz von 7,09 % er­war­tet und eben­falls ein höherer Fremd­ka­pi­tal­zins­satz. In­ves­ti­tio­nen vor 2024 (Be­stands­vermögen) sol­len wei­ter­hin mit einem EKI-Zins­satz von 5,07 % ver­zinst wer­den. Die BNetzA sieht vor, die neue Fest­le­gung auf die 4. Re­gu­lie­rungs­pe­riode zu be­schränken.

  • Er­mitt­lung des Ba­sis­zins­sat­zes

Bis­lang wurde für den Ba­sis­zins­satz der 4. Re­gu­lie­rungs­pe­riode ein 10-Jah­res­durch­schnitt des ri­si­ko­lo­sen Zins­sat­zes (2011 bis 2020) her­an­ge­zo­gen. Der so er­mit­telte Ba­sis­zins be­trug 0,74 %. Künf­tig soll ein jähr­lich va­ria­bler Ba­sis­zins für Neu­in­ves­ti­tio­nen auf Ba­sis des ers­ten Quar­tals ei­nes je­den Ka­len­der­jah­res als Plan­wert her­an­ge­zo­gen wer­den. Der tatsäch­lich ein­tre­tende Ba­sis­zins des je­wei­li­gen Jah­res fin­det letzt­lich Ein­gang in die Net­zent­gelte. Dif­fe­ren­zen zwi­schen Plan-Wer­ten und Ist-Wer­ten sind später im Rah­men ei­nes Plan-Ist-Ab­gleichs so­wohl für die Zin­sen als auch für die In­ves­ti­tio­nen über das Re­gu­lie­rungs­konto aus­zu­glei­chen. An­hand des Ba­sis­zin­ses im ers­ten Quar­tal 2023 pro­gnos­ti­ziert die BNetzA einen Wert von 2,79 %. Un­ter Berück­sich­ti­gung ei­nes un­veränder­ten Wag­nis­zu­schlags er­gibt sich ins­ge­samt ein höherer EKI-Zins­satz von 7,09 % (inkl. GewSt ca. 8,1 %). Bei der­zeit stei­gen­den Ba­sis­zinssätzen wird sich dem­zu­folge ein höherer endgülti­ger EKI-Zins­satz er­ge­ben.

EKI-Zinssatz
(4. RP neu)

EKI-Zinssatz
(4. RP alt)

EKI-Zinssatz
(3. RP)

Neuanlagen


Altanlagen

Jahreswert (z.B. 7,09% bei Investitionen in 2024)
5,07 % (Investitionen bis 31.12.2023)

3,51 %

5,07 %


3,51 %

6,91 %


5,12 %

  • Höherer kal­ku­la­to­ri­scher Fremd­ka­pi­tal­zins­satz

Mit der Fest­le­gung zur Be­stim­mung des Fremd­ka­pi­tal­zins für Ver­tei­ler­netz­be­trei­ber (Az. BK4-23-001) vom 14.08.2023 hat die BNetzA für die Fremd­ka­pi­tal­ver­zin­sung (§ 10a Abs. 7 ARegV) eben­falls eine Ab­kehr von der Ab­stel­lung auf einen 10-Jah­res­durch­schnitts­zin­satz be­schlos­sen. Es wer­den für neue In­ves­ti­tio­nen ab dem 01.01.2024 die Re­ge­lun­gen für Über­tra­gungs- und Fern­lei­tungs­netz­be­trei­ber in § 10 Abs. 7 Sätze 5 bis 8 ARegV zur Er­mitt­lung des kal­ku­la­to­ri­schen Fremd­ka­pi­tal­zins­sat­zes über­nom­men und auch hier ein Jah­res­wert an­ge­setzt, der erst nachträglich fest­steht. Für das Jahr 2024 er­gibt sich der­zeit ein Fremd­ka­pi­tal­zins­satz von 4,17 % statt 2,02 % für Gas­netz­be­trei­ber und 1,71 % für Elek­tri­zitätsnetz­be­trei­ber.

EKII-Zinssatz
(4. RP neu)

EKII-Zinssatz
(4. RP)

EKII-Zinssatz
(3. RP)

Gasnetz


Elektrizitätsnetz

Jahreswert (z. B. 4,17 % für Investitionen in 2024)
2,02 % (Investitionen bis 31.12.2023)

Jahreswert (z. B. 4,17 % für Investitionen in 2024)

1,71 % (Investitionen bis 31.12.2023)

2,02 %


1,71 %

3,03 %


2,71 %

Hin­weise:

Die Ge­richts­ent­schei­dung ist noch nicht rechtskräftig und die BNetzA hat am 29.09.2023 beim Bun­des­ge­richts­hof (BGH) ge­gen diese Ent­schei­dung Rechts­be­schwerde ein­ge­legt. Wann sich der BGH mit der Be­schwerde be­fas­sen wird, ist der­zeit noch nicht be­kannt.

Auch vor dem Hin­ter­grund der wei­te­ren re­gu­la­to­ri­schen Ent­wick­lun­gen (Fest­le­gung KANU, Gebäude­en­er­gie­ge­setz (GEG), Wärme­pla­nungs­ge­setz, etc.) sollte die Fi­nan­zie­rung (Ei­gen­ka­pi­tal/Fremd­ka­pi­tal) und In­ves­ti­ti­ons­pla­nung in­so­fern eng mit­ein­an­der ab­ge­stimmt wer­den.

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