deen

Themen

BVerwG zum isolierten Austritt aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts

Urteil des BVerwG vom 26. September 2012 - 6 C 7.12

Wer auf­grund staat­li­cher Vor­schrif­ten aus ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft mit dem Sta­tus ei­ner Körper­schaft des öff­ent­li­chen Rechts aus­tre­ten will, kann seine Erklärung nicht auf die Körper­schaft des öff­ent­li­chen Rechts un­ter Ver­bleib in der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft als Glau­bens­ge­mein­schaft be­schränken. Dies hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG)  in Leip­zig mit Ur­teil vom 26.09.2012 ent­schie­den.

Der Bei­ge­la­dene, ein eme­ri­tier­ter Uni­ver­sitätspro­fes­sor für ka­tho­li­sches Kir­chen­recht, erklärte ge­genüber dem Stan­des­amt sei­nes Wohn­orts sei­nen Aus­tritt aus der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft, die er da­bei mit den Worten be­zeich­nete "römisch-ka­tho­li­sch, Körper­schaft des öff­ent­li­chen Rechts". Das Erz­bis­tum Frei­burg sah in den Worten "Körper­schaft des öff­ent­li­chen Rechts" einen Zu­satz, der zum Aus­druck brin­gen solle, dass der Bei­ge­la­dene nur aus der Körper­schaft des öff­ent­li­chen Rechts, nicht aber aus der römisch-ka­tho­li­schen Kir­che aus­tre­ten wolle. Weil das Erz­bis­tum einen sol­chen Zu­satz nach der ein­schlägi­gen Be­stim­mung des Kir­chen­steu­er­ge­set­zes Ba­den-Würt­tem­berg für un­zulässig hielt, hat es beim Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg Klage ge­gen die Be­schei­ni­gung er­ho­ben, durch die das Stan­des­amt dem Bei­ge­la­de­nen den Aus­tritt aus sei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft bestätigt hat. Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Klage ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung des Erz­bis­tums hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Mann­heim der Klage statt­ge­ge­ben und die Be­schei­ni­gung auf­ge­ho­ben. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat auf die Re­vi­sion des Bei­ge­la­de­nen das die Klage ab­wei­sende Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts wie­der­her­ge­stellt.

Mit der Mit­glied­schaft in ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft mit dem Sta­tus ei­ner Körper­schaft des öff­ent­li­chen Rechts, wie der römisch-ka­tho­li­schen Kir­che, sind über die Wir­kun­gen im Be­reich der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft hin­aus auch Rechts­fol­gen im staat­li­chen Be­reich ver­bun­den, bei­spiels­weise die Kir­chen­steu­er­pflicht. Die im Grund­ge­setz ga­ran­tierte Glau­bens­frei­heit um­fasst auch die Frei­heit, kei­nen Glau­ben zu ha­ben und ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft fern­zu­blei­ben. Des­halb darf der Staat mit sol­chen Rechts­fol­gen nur an eine Mit­glied­schaft in der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft anknüpfen, die frei­wil­lig begründet wurde und noch frei­wil­lig fort­be­steht. Staat­li­che Vor­schrif­ten über den Aus­tritt aus ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft si­chern die­sen As­pekt der Glau­bens­frei­heit. Die Aus­le­gung sol­cher Vor­schrif­ten muss ei­ner­seits gewähr­leis­ten, dass je­mand durch Ab­gabe ei­ner ent­spre­chend ein­deu­ti­gen Erklärung seine Mit­glied­schaft in ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft auf­ge­ben kann und die­ser Aus­tritt die Wir­kun­gen be­sei­tigt, die nach staat­li­chem Recht mit der Mit­glied­schaft in der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft verknüpft sind. Die Aus­le­gung die­ser Aus­tritts­vor­schrif­ten muss an­de­rer­seits si­cher­stel­len, dass die eben­falls ver­fas­sungs­recht­lich verbürg­ten Körper­schafts­rechte der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft, die an die Mit­glied­schaft in ihr anknüpfen, nicht stärker be­schränkt wer­den, als es zur Gewähr­leis­tung der (ne­ga­ti­ven) Glau­bens­frei­heit des Ein­zel­nen er­for­der­lich ist. Da­nach muss sich die Erklärung des Aus­tritts­wil­li­gen auf seine Mit­glied­schaft in der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft be­zie­hen und die Auf­gabe der Zu­gehörig­keit zu ihr zum Ge­gen­stand ha­ben. Un­zulässig ist eine Erklärung, die selbst oder durch Zusätze den Wil­len zum Aus­druck bringt, nur die mit der Mit­glied­schaft ver­bun­de­nen Wir­kun­gen im staat­li­chen Be­reich zu be­sei­ti­gen, also aus der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft in ih­rer recht­li­chen Ge­stalt ei­ner Körper­schaft des öff­ent­li­chen Rechts aus­zu­tre­ten, in der Glau­bens­ge­mein­schaft selbst aber zu ver­blei­ben. Soll die Mit­glied­schaft nach der ab­ge­ge­be­nen Erklärung frei­wil­lig fort­dau­ern, wird von der ne­ga­ti­ven Glau­bens­frei­heit nicht Ge­brauch ge­macht. Des­halb kann dort der Schutz des Staa­tes nicht ein­grei­fen und das Selbst­be­stim­mungs­recht der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft nicht be­schränken.

Ab­wei­chend von der Auf­fas­sung des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt aber ent­schie­den, dass es in dem for­ma­li­sier­ten staat­li­chen Aus­tritts­ver­fah­ren nur auf die Erklärung an­kommt, die der Aus­tritts­wil­lige vor der zuständi­gen staat­li­chen Stelle, in Ba­den-Würt­tem­berg dem Stan­des­be­am­ten, ab­ge­ge­ben hat. Hin­ge­gen dürfen nicht wei­tere äußere, sie be­glei­tende Umstände her­an­ge­zo­gen wer­den, na­ment­lich nicht an­dere Äußerun­gen, die der Aus­tritts­wil­lige im zeit­li­chen Um­feld sei­nes Aus­tritts ge­genüber Drit­ten, der Öff­ent­lich­keit oder sei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft über die Mo­tive und Vor­stel­lun­gen ge­macht hat, die er mit sei­ner Erklärung ver­bin­det.

Hier­von aus­ge­hend ist das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt zu der Auf­fas­sung ge­langt, dass der Bei­ge­la­dene mit sei­ner Erklärung ge­genüber dem Stan­des­be­am­ten sei­nen Aus­tritt aus der römisch-ka­tho­li­schen Kir­che erklärt und sich auf diese Erklärung be­schränkt hat. Die Worte "Körper­schaft des öff­ent­li­chen Rechts" in der Erklärung des Bei­ge­la­de­nen sind ein zwar nicht not­wen­di­ger, aber auch nicht schädli­cher Teil der Be­zeich­nung für die Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft, aus der der Bei­ge­la­dene aus­ge­tre­ten ist. Die Erklärung be­zieht sich nach ih­rem ob­jek­ti­ven Erklärungs­ge­halt nicht auf eine von der Glau­bens­ge­mein­schaft ge­trennte Körper­schaft des öff­ent­li­chen Rechts, son­dern auf die Glau­bens­ge­mein­schaft der römisch-ka­tho­li­schen Kir­che in der Form, wie sie im Gel­tungs­be­reich des Kir­chen­steu­er­ge­set­zes be­steht.

Quelle: Pres­se­mit­tei­lung des BVerwG Nr. 91/2012 vom 26.09.2012

nach oben