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BVerwG zum Anspruch auf Pflegegeld für die Großeltern eines Kindes

Urteil des BVerwG vom 1. März 2012 - 5 C 12.11

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) in Leip­zig hat mit Ur­teil vom 01.03.2012 ent­schie­den, dass Großel­tern ge­genüber dem Träger der Ju­gend­hilfe einen An­spruch auf Über­nahme der Auf­wen­dun­gen für die Voll­zeit­pflege ih­res En­kels auch dann ha­ben können, wenn sie ge­mein­sam mit die­sem und des­sen Mut­ter in einem Haus­halt le­ben.

In dem ent­schie­de­nen Fall war die Mut­ter des Kin­des zum Zeit­punkt der Ge­burt 15 Jahre alt und da­her nicht selbst er­zie­hungsfähig. Das Amts­ge­richt über­trug den Großel­tern, den Klägern, die Vor­mund­schaft für das Kind. Die Mut­ter und ihr Kind leb­ten von An­fang an bei den Großel­tern. Diese be­an­trag­ten bei dem be­klag­ten Ju­gend­amt u.a. die Über­nahme der Kos­ten für den Un­ter­halt des En­kels. Die nach Ab­leh­nung des An­trags er­ho­bene Klage hatte beim Ver­wal­tungs­ge­richt Er­folg. Auf die Be­ru­fung wies das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt die Klage ab. Ein An­spruch auf Pfle­ge­geld setze vor­aus, dass die Voll­zeit­pflege räum­lich ge­trennt von den El­tern statt­finde. Dies sei hier nicht der Fall.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts auf­ge­ho­ben und der Klage auf Über­nahme der im Rah­men der Pflege er­brach­ten Auf­wen­dun­gen statt­ge­ge­ben. Die Pflege durch Großel­tern oder an­dere nahe Ver­wandte ent­spricht re­gelmäßig dem Wohl des Kin­des, wenn die El­tern nicht zur Er­zie­hung in der Lage sind. Da­her hat der Ge­setz­ge­ber (§ 27 Abs. 2a und § 33 des So­zi­al­ge­setz­bu­ches - Ach­tes Buch - SGB VIII -*) un­ter be­stimm­ten Be­din­gun­gen die Voll­zeit­pflege durch un­ter­halts­pflich­tige Ver­wandte zu­ge­las­sen und dafür auch ein Pfle­ge­geld vor­ge­se­hen (§ 39 SGB VIII). So­weit diese Be­stim­mun­gen vor­aus­set­zen, dass die Voll­zeit­pflege "außer­halb des El­tern­hau­ses" und in ei­ner "an­de­ren Fa­mi­lie" als der "Her­kunfts­fa­mi­lie" er­folgt, ist eine räum­li­che Tren­nung von Pfle­ge­fa­mi­lie und den leib­li­chen El­tern des Kin­des nicht er­for­der­lich. Dies folgt ins­be­son­dere aus dem Zweck der Voll­zeit­pflege. Die­ser be­steht darin, die Er­zie­hungs­be­din­gun­gen des Kin­des durch Ein­schal­tung von Pfle­ge­el­tern und un­ter Berück­sich­ti­gung persönli­cher Bin­dun­gen zu ver­bes­sern. Kann dem in ei­ner be­stimm­ten Pfle­ge­fa­mi­lie Rech­nung ge­tra­gen wer­den, steht der Über­nahme der Auf­wen­dun­gen für die Pflege nicht ent­ge­gen, dass die El­tern in dem­sel­ben Haus­halt le­ben.

*Die maßgeb­li­chen Be­stim­mun­gen des Kin­der- und Ju­gend­hil­fe­ge­set­zes (SGB VIII) lau­ten:

§ 27 Hilfe zur Er­zie­hung
(1) Ein Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­ter hat bei der Er­zie­hung ei­nes Kin­des oder ei­nes Ju­gend­li­chen An­spruch auf Hilfe (Hilfe zur Er­zie­hung), wenn eine dem Wohl des Kin­des oder des Ju­gend­li­chen ent­spre­chende Er­zie­hung nicht gewähr­leis­tet ist und die Hilfe für seine Ent­wick­lung ge­eig­net und not­wen­dig ist. (2) Hilfe zur Er­zie­hung wird ins­be­son­dere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Um­fang der Hilfe rich­ten sich nach dem er­zie­he­ri­schen Be­darf im Ein­zel­fall; da­bei soll das en­gere so­ziale Um­feld des Kin­des oder des Ju­gend­li­chen ein­be­zo­gen wer­den. Die Hilfe ist in der Re­gel im In­land zu er­brin­gen; sie darf nur dann im Aus­land er­bracht wer­den, wenn dies nach Maßgabe der Hil­fe­pla­nung zur Er­rei­chung des Hil­fe­zie­les im Ein­zel­fall er­for­der­lich ist. (2a) Ist eine Er­zie­hung des Kin­des oder Ju­gend­li­chen außer­halb des El­tern­hau­ses er­for­der­lich, so entfällt der An­spruch auf Hilfe zur Er­zie­hung nicht da­durch, dass eine an­dere un­ter­halts­pflich­tige Per­son be­reit ist, diese Auf­gabe zu über­neh­men; die Gewährung von Hilfe zur Er­zie­hung setzt in die­sem Fall vor­aus, dass diese Per­son be­reit und ge­eig­net ist, den Hil­fe­be­darf in Zu­sam­men­ar­beit mit dem Träger der öff­ent­li­chen Ju­gend­hilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu de­cken.
(3) - (4)

§ 33 Voll­zeit­pflege
Hilfe zur Er­zie­hung in Voll­zeit­pflege soll ent­spre­chend dem Al­ter und Ent­wick­lungs­stand des Kin­des oder des Ju­gend­li­chen und sei­nen persönli­chen Bin­dun­gen so­wie den Möglich­kei­ten der Ver­bes­se­rung der Er­zie­hungs­be­din­gun­gen in der Her­kunfts­fa­mi­lie Kin­dern und Ju­gend­li­chen in ei­ner an­de­ren Fa­mi­lie eine zeit­lich be­fris­tete Er­zie­hungs­hilfe oder eine auf Dauer an­ge­legte Le­bens­form bie­ten. Für be­son­ders ent­wick­lungs­be­einträch­tigte Kin­der und Ju­gend­li­che sind ge­eig­nete For­men der Fa­mi­li­en­pflege zu schaf­fen und aus­zu­bauen.

§ 39 Leis­tun­gen zum Un­ter­halt des Kin­des oder des Ju­gend­li­chen
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 gewährt, so ist auch der not­wen­dige Un­ter­halt des Kin­des oder Ju­gend­li­chen außer­halb des El­tern­hau­ses si­cher­zu­stel­len. Er um­fasst die Kos­ten für den Sach­auf­wand so­wie für die Pflege und Er­zie­hung des Kin­des oder Ju­gend­li­chen. (2) Der ge­samte re­gelmäßig wie­der­keh­rende Be­darf soll durch lau­fende Leis­tun­gen ge­deckt wer­den. Sie um­fas­sen außer im Fall des § 32 und des § 35a Abs. 2 Nr. 2 auch einen an­ge­mes­se­nen Bar­be­trag zur persönli­chen Verfügung des Kin­des oder des Ju­gend­li­chen. Die Höhe des Be­tra­ges wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Abs. 2 Nr. 4 von der nach Lan­des­recht zuständi­gen Behörde fest­ge­setzt; die Beträge sol­len nach Al­ters­grup­pen ge­staf­felt sein. Die lau­fen­den Leis­tun­gen im Rah­men der Hilfe in Voll­zeit­pflege (§ 33) oder bei ei­ner ge­eig­ne­ten Pfle­ge­per­son (§ 35a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu be­mes­sen.
(3) - (7)

Quelle: Pres­se­mit­tei­lung des BVerwG Nr. 19/2012 vom 01.03.2012

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