In dem entschiedenen Fall war die Mutter des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt 15 Jahre alt und daher nicht selbst erziehungsfähig. Das Amtsgericht übertrug den Großeltern, den Klägern, die Vormundschaft für das Kind. Die Mutter und ihr Kind lebten von Anfang an bei den Großeltern. Diese beantragten bei dem beklagten Jugendamt u.a. die Übernahme der Kosten für den Unterhalt des Enkels. Die nach Ablehnung des Antrags erhobene Klage hatte beim Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Berufung wies das Oberverwaltungsgericht die Klage ab. Ein Anspruch auf Pflegegeld setze voraus, dass die Vollzeitpflege räumlich getrennt von den Eltern stattfinde. Dies sei hier nicht der Fall.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und der Klage auf Übernahme der im Rahmen der Pflege erbrachten Aufwendungen stattgegeben. Die Pflege durch Großeltern oder andere nahe Verwandte entspricht regelmäßig dem Wohl des Kindes, wenn die Eltern nicht zur Erziehung in der Lage sind. Daher hat der Gesetzgeber (§ 27 Abs. 2a und § 33 des Sozialgesetzbuches - Achtes Buch - SGB VIII -*) unter bestimmten Bedingungen die Vollzeitpflege durch unterhaltspflichtige Verwandte zugelassen und dafür auch ein Pflegegeld vorgesehen (§ 39 SGB VIII). Soweit diese Bestimmungen voraussetzen, dass die Vollzeitpflege "außerhalb des Elternhauses" und in einer "anderen Familie" als der "Herkunftsfamilie" erfolgt, ist eine räumliche Trennung von Pflegefamilie und den leiblichen Eltern des Kindes nicht erforderlich. Dies folgt insbesondere aus dem Zweck der Vollzeitpflege. Dieser besteht darin, die Erziehungsbedingungen des Kindes durch Einschaltung von Pflegeeltern und unter Berücksichtigung persönlicher Bindungen zu verbessern. Kann dem in einer bestimmten Pflegefamilie Rechnung getragen werden, steht der Übernahme der Aufwendungen für die Pflege nicht entgegen, dass die Eltern in demselben Haushalt leben.
§ 27 Hilfe zur Erziehung
(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. (2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Die Hilfe ist in der Regel im Inland zu erbringen; sie darf nur dann im Ausland erbracht werden, wenn dies nach Maßgabe der Hilfeplanung zur Erreichung des Hilfezieles im Einzelfall erforderlich ist. (2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.
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§ 33 Vollzeitpflege
Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.
§ 39 Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen. (2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Abs. 2 Nr. 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Abs. 2 Nr. 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
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Quelle: Pressemitteilung des BVerwG Nr. 19/2012 vom 01.03.2012