Die Beschwerdeführerin ist ein Tochterunternehmen der Verlegerin der Tageszeitung "Sächsische Zeitung" und verbreitet Berichte auch über ihre Internetseite. Ihren beiden Verfassungsbeschwerden liegt eine Berichterstattung über einen Vorfall aus dem Jahre 2008 zugrunde, in den die beiden Söhne des Schauspielers Uwe Ochsenknecht, die Kläger des Ausgangsverfahrens, verwickelt waren.
Diese wurden in der sog. "Freinacht" dabei beobachtet, wie sie zusammen mit einer Gruppe von Freunden Fahrräder traktierten, Blumen aus einem Blumenbeet herausrissen sowie den Telefonhörer in einer Telefonzelle abrissen. Nach Feststellung ihrer Personalien auf der Polizeiwache wurden die Kläger entlassen. Gegen keinen von beiden wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Die Beschwerdeführerin verbreitete auf ihrer Internetseite über diesen Vorfall einen Beitrag unter der Überschrift "Polizei schnappt Ochsenknecht-Söhne". Darin wird darüber berichtet, dass "die beiden Nachwuchsschauspieler und -sänger nach wüster Randale in der Münchener Innenstadt von der Polizei verhört" worden seien.
LG und OLG gaben den auf Unterlassung der Berichterstattung über den Vorfall als Sachbeschädigung sowie einzelner den Hergang betreffender Äußerungen gerichteten Klagen statt. Auf die Verfassungsbeschwerde der Beschwerführerin hob das BVerfG die angegriffenen Entscheidungen auf und verwies die Sachen zur erneuten Entscheidung an das LG zurück.
Die Gründe:
Die angegfriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit.
Der Bericht über den in der Sache unstreitigen Vorfall fällt in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Diese findet zwar ihre Grenze u.a. in den allgemeinen Gesetzen. Bei Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Zivilrechts haben die Fachgerichte jedoch Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt, indem sie sich nicht hinreichend mit den besonderen Umständen zur Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger auseinandergesetzt und ihm dadurch im Rahmen der gebotenen Abwägung den Vorrang eingeräumt haben.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt insbes. vor einer Beeinträchtigung der Privat- und Intimsphäre. Im Bereich der Wortberichterstattung bietet es allerdings nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden. Zwar ist für die Berichterstattung über Strafverfahren anerkannt, dass im Hinblick auf die Unschuldsvermutung die Namensnennung oder sonstige Identifikation des Täters nicht immer zulässig sind. Insbes. bei schwerwiegenden Straftaten kann die Gefahr einer Stigmatisierung des noch nicht rechtskräftig Verurteilten erhöht sein. Hiervon unterscheidet sich jedoch die vorliegende Berichterstattung über das unstreitige Verhalten einer Gruppe junger Leute auf offener Straße, über das unabhängig von einem Strafverfahren berichtet wird, und das allenfalls von geringfügiger strafrechtlicher Relevanz ist.
Zudem berührt der Bericht nur die Sozialsphäre der Kläger, die überdies ihre Person selbst in die Öffentlichkeit gestellt haben, wobei sie ein Image als "Junge Wilde" pflegten und ihre Idolfunktion kommerziell ausnutzten. Diese Umstände haben die Fachgerichte nicht ausreichend in ihre Erwägungen eingestellt. Zudem ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden kann. Bei Tatsachenberichten müssen wahre Aussagen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Andererseits ist zweifelsohne das junge Alter der Kläger in die Erwägungen einzubeziehen.
Die von den Fachgerichten angenommene Regelvermutung des grundsätzlichen Vorrangs des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber der Meinungsfreiheit, sobald schutzbedürftige Interessen von jungen Erwachsenen beziehungsweise Jugendlichen in Rede stehen, ist jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht zu eng und undifferenziert. Sie übergeht das Erfordernis einer einzelfallbezogenen Abwägung und berücksichtigt vorliegend zu wenig, dass die Bedeutung der Persönlichkeitsbeeinträchtigung sowohl durch das "Öffentlichkeitsimage" der Kläger als auch durch die Einordnung ihres Verhaltens als Bagatelldelikt gemindert ist.
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