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Bundesgerichtshof zur Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung

Urteil des BGH vom 15.08.12 - VIII ZR 378/11
Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat sich am 15.08.2012 in ei­ner Ent­schei­dung mit der Wirk­sam­keit ei­ner Wi­der­rufs­be­leh­rung nach dem Mus­ter der BGB-In­for­ma­ti­ons­pflich­ten-Ver­ord­nung be­fasst.
Die Kläge­rin, eine Lea­sing­ge­sell­schaft, und die Be­klagte schlos­sen im No­vem­ber 2006 für die Dauer von 54 Mo­na­ten einen Lea­sing­ver­trag über einen Pkw Audi A6 Avant. Nach­dem ab Juni 2009 die ver­ein­bar­ten Lea­sing­ra­ten von mo­nat­lich 640 € aus­ge­blie­ben wa­ren, kündigte die Kläge­rin mit Schrei­ben vom 3. Sep­tem­ber 2009 den Lea­sing­ver­trag frist­los und ver­wer­tete das Fahr­zeug in der Fol­ge­zeit für 10.555 €. Die Be­klagte wi­der­rief am 22. Fe­bruar 2010 ihre Ver­trags­erklärung.
Der Lea­sing­ver­trag enthält auf ei­ner ge­son­der­ten Seite eine von der Be­klag­ten un­ter­zeich­nete Wi­der­rufs­be­leh­rung, die dem Text der Mus­ter­be­leh­rung der BGB-In­for­ma­ti­ons­pflich­ten-Ver­ord­nung in der bei Ver­trags­schluss gülti­gen Fas­sung ent­spricht und aus­zugs­weise wie folgt lau­tet:
"(…) Sie können Ihre Ver­trags­erklärung in­ner­halb von zwei Wo­chen ohne An­gabe von Gründen in Text­form (z. B. Brief, Fax, E-Mail) durch Rück­sen­dung der Sa­che wi­der­ru­fen. Die Frist be­ginnt frühes­tens mit Er­halt die­ser Be­leh­rung. Zur Wah­rung der Wi­der­rufs­frist genügt die recht­zei­tige Ab­sen­dung des Wi­der­rufs oder der Sa­che. (…)"
Die Kläge­rin hatte mit ih­rer Klage auf Zah­lung von ins­ge­samt 19.341,37 € nebst Zin­sen für rückständige Lea­sing­ra­ten, einen Rest­wert­aus­gleich so­wie Si­cher­stel­lungs­kos­ten in den Vor­in­stan­zen Er­folg.
Die vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­ge­las­sene Re­vi­sion der Be­klag­ten ist zurück­ge­wie­sen wor­den. Der un­ter an­de­rem für das Lea­sing­recht zuständige VIII. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat ent­schie­den, dass die Wi­der­rufs­be­leh­rung die Wi­der­rufs­frist spätes­tens mit dem Voll­zug des Lea­sing­ver­tra­ges im Jahr 2006 in Lauf ge­setzt hat und der Wi­der­ruf der Be­klag­ten da­her verspätet war. Die Wi­der­rufs­be­leh­rung genügt zwar den An­for­de­run­gen des in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF* ge­re­gel­ten Deut­lich­keits­ge­bots nicht, weil die Ver­wen­dung des Wor­tes "frühes­tens" es dem Ver­brau­cher nicht ermöglicht, den Be­ginn der Wi­der­rufs­frist ohne wei­te­res zu er­ken­nen. Die Kläge­rin kann sich für die Wirk­sam­keit der von ihr ver­wen­de­ten Wi­der­rufs­be­leh­rung je­doch dar­auf be­ru­fen, dass diese dem Mus­ter der BGB-In­for­ma­ti­ons­pflich­ten-Ver­ord­nung ent­spricht und so­mit gemäß § 14 Abs. 1 der BGB-In­for­ma­ti­ons­pflich­ten-Ver­ord­nung aF** als ord­nungs­gemäß gilt (Ge­setz­lich­keits­fik­tion). Die in § 14 der BGB-In­for­ma­ti­ons­pflich­ten-Ver­ord­nung ge­re­gelte Ge­setz­lich­keits­fik­tion wird von der Ermäch­ti­gungs­grund­lage des Art. 245 Nr. 1 EGBGB aF*** ge­deckt und ist wirk­sam. Denn mit die­ser Ermäch­ti­gung ver­folgte der Ge­setz­ge­ber vor­ran­gig den Zweck, die Ge­schäfts­pra­xis der Un­ter­neh­mer zu ver­ein­fa­chen und Rechts­si­cher­heit zu schaf­fen. Die­ser Zweck würde ver­fehlt, wenn sich der Un­ter­neh­mer auf die Ge­setz­lich­keits­fik­tion der von ihm ver­wen­de­ten Mus­ter­be­leh­rung nicht be­ru­fen könnte. *§ 355 BGB (in der bis zum 10. Juni 2010 gel­ten­den Fas­sung): Wi­der­rufs­recht bei Ver­brau­cher­verträgen (1) Wird einem Ver­brau­cher durch Ge­setz ein Wi­der­rufs­recht nach die­ser Vor­schrift ein­geräumt, so ist er an seine auf den Ab­schluss des Ver­trags ge­rich­tete Wil­lens­erklärung nicht mehr ge­bun­den, wenn er sie frist­ge­recht wi­der­ru­fen hat. Der Wi­der­ruf muss keine Begründung ent­hal­ten und ist in Text­form oder durch Rück­sen­dung der Sa­che in­ner­halb von zwei Wo­chen ge­genüber dem Un­ter­neh­mer zu erklären; zur Frist­wah­rung genügt die recht­zei­tige Ab­sen­dung. (2) Die Frist be­ginnt mit dem Zeit­punkt, zu dem dem Ver­brau­cher eine deut­lich ge­stal­tete Be­leh­rung über sein Wi­der­rufs­recht, die ihm ent­spre­chend den Er­for­der­nis­sen des ein­ge­setz­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tels seine Rechte deut­lich macht, in Text­form mit­ge­teilt wor­den ist, die auch Na­men und An­schrift des­je­ni­gen, ge­genüber dem der Wi­der­ruf zu erklären ist, und einen Hin­weis auf den Frist­be­ginn und die Re­ge­lung des Ab­sat­zes 1 Satz 2 enthält. … (3) Das Wi­der­rufs­recht er­lischt spätes­tens sechs Mo­nate nach Ver­trags­schluss. Bei der Lie­fe­rung von Wa­ren be­ginnt die Frist nicht vor dem Tag ih­res Ein­gangs beim Empfänger. Ab­wei­chend von Satz 1 er­lischt das Wi­der­rufs­recht nicht, wenn der Ver­brau­cher nicht ord­nungs­gemäß über sein Wi­der­rufs­recht be­lehrt wor­den ist,… **§ 14 BGB-In­for­ma­ti­ons­pflich­ten-Ver­ord­nung (in der bis zum 10. Juni 2010 gel­ten­den Fas­sung): Form der Wi­der­rufs- und Rück­ga­be­be­leh­rung, Ver­wen­dung ei­nes Mus­ters (1) Die Be­leh­rung über das Wi­der­rufs­recht genügt den An­for­de­run­gen des § 355 Abs. 2 und den die­sen ergänzen­den Vor­schrif­ten des Bürger­li­chen Ge­setz­buchs, wenn das Mus­ter der An­lage 2 in Text­form ver­wandt wird. ***Art. 245 Einführungs­ge­setz zum Bürger­li­chen Ge­setz­bu­che (in der bis zum 10. Juni 2010 gel­ten­den Fas­sung): Be­leh­rung über Wi­der­rufs- und Rück­ga­be­recht Das Bun­des­mi­nis­te­rium der Jus­tiz wird ermäch­tigt, durch Rechts­ver­ord­nung, die der Zu­stim­mung des Bun­des­ra­tes nicht be­darf, 1.In­halt und Ge­stal­tung der dem Ver­brau­cher gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1, § 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und den diese ergänzen­den Vor­schrif­ten des Bürger­li­chen Ge­setz­buchs mit­zu­tei­len­den Be­leh­rung über das Wi­der­rufs- und Rück­ga­be­recht fest­zu­le­gen Quelle: Pres­se­mit­tei­lung des BGH Nr. 128/2012 vom 15.08.2012 
16.08.2012 nach oben

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