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BGH zur Verwirkung von Unterlassungsansprüchen bei wiederholten - zeitlich unterbrochen auftretenden - Markenverletzungen

Urteil des BGH vom 18.1.2012 - I ZR 17/11

Wie­der­holte gleich­ar­tige Mar­ken­ver­let­zun­gen, die zeit­lich un­ter­bro­chen auf­tre­ten, lösen je­weils einen neuen Un­ter­las­sungs­an­spruch aus und las­sen die für die Be­ur­tei­lung des Zeit­mo­ments bei der Ver­wir­kung maßgeb­li­che Frist je­weils neu be­gin­nen. Rechts­folge der Ver­wir­kung nach § 242 BGB ist im Im­ma­te­ri­algüter­recht al­lein, dass ein Schutz­rechts­in­ha­ber seine Rechte im Hin­blick auf be­stimmte kon­krete be­reits be­gan­gene oder noch an­dau­ernde Rechts­ver­let­zun­gen nicht mehr durch­zu­set­zen ver­mag.

Der Sach­ver­halt:
Die in Ja­pan ansässige Kläge­rin stellt Mo­torräder her. Sie ist In­ha­be­rin der Ge­mein­schafts­bild­marke Nr. 3310034, die das Wort "HONDA" dar­stellt und im No­vem­ber 2003 u.a. für Fahr­zeuge (Klasse 12) ein­ge­tra­gen wor­den ist. Wei­ter­hin ist sie In­ha­be­rin der in ro­ter Schrift ge­hal­te­nen, i.Ü. iden­ti­schen Ge­mein­schafts­bild­marke Nr. 2181519, die im Sep­tem­ber 2002 eben­falls für Fahr­zeuge (Klasse 12) ein­ge­tra­gen wor­den ist. Die Kläge­rin ver­wen­det die Mar­ken zur Kenn­zeich­nung der von ihr her­ge­stell­ten "HONDA"-Mo­torräder.

Die Be­klagte han­delt mit Mo­torrädern. Im Ja­nuar 2007 lie­ferte sie zwei "HONDA"-Mo­torräder nach Spa­nien, die sie zu­vor von Händ­lern aus Sin­ga­pur und Hong­kong er­wor­ben hatte. Fer­ner bot sie im Fe­bruar 2008 in ih­rem La­den­ge­schäft ein Mo­tor­rad mit der Be­zeich­nung "Honda CBR 600 RR" zum Kauf an, das sie eben­falls aus Sin­ga­pur im­por­tiert hatte. Die Kläge­rin sieht darin eine Ver­let­zung ih­rer Mar­ken­rechte und mahnte die Be­klagte im März 2008 er­folg­los ab.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt, die Be­klagte zu ver­ur­tei­len, es zu un­ter­las­sen, Mo­torräder der Marke Honda, die ohne Zu­stim­mung der Kläge­rin erst­mals auf dem Ge­biet der EU bzw. des Eu­ropäischen Wirt­schafts­raums (EWR) in Ver­kehr ge­bracht wor­den sind, an­zu­bie­ten (etc.) und/oder sol­che Pro­dukte erst­mals ohne Zu­stim­mung der Kläge­rin in die EU bzw. den EWR ein­zuführen. Die Be­klagte be­ruft sich hin­ge­gen auf Er­schöpfung der Mar­ken­rechte und wen­det Ver­wir­kung des Un­ter­las­sungs­an­spruchs ein, weil sie seit 25 Jah­ren "HONDA"-Mo­torräder aus den USA, Sin­ga­pur und Hong­kong im­por­tiere, was der Kläge­rin nicht ver­bor­gen ge­blie­ben sei.

LG und OLG ga­ben der Klage an­trags­gemäß statt. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil in­so­weit auf, als das OLG die Be­klagte über das Ge­biet der EU hin­aus zur Un­ter­las­sung ver­ur­teilt hat, und wies die Klage in die­sem Um­fang ab.

Die Gründe:
Das OLG hat dem Un­ter­las­sungs­an­trag der Kläge­rin für das Ge­biet der EU zu Recht statt­ge­ge­ben. Nur so­weit das Ver­bot sich darüber hin­aus auch auf das ge­samte Ge­biet des EWR er­streckt, war der Re­vi­sion statt­zu­ge­ben; denn das Un­ter­las­sungs­ge­bot kann nicht für das ge­samte Ge­biet des EWR aus­ge­spro­chen wer­den. Schutz­ge­biet der Ge­mein­schafts­marke ist al­lein das Ge­biet der EU.

Das OLG hat zu Recht den Ver­let­zungs­tat­be­stand des Art. 9 Abs. 1 Buchst. a GMV be­jaht und eine Er­schöpfung des Mar­ken­rechts der Kläge­rin ver­neint. Eine Er­schöpfung des Mar­ken­rechts nach Art. 13 Abs. 1 GMV ist nicht ein­ge­tre­ten. Die Kläge­rin hat die "HONDA"-Mo­torräder nicht selbst im EWR in Ver­kehr ge­bracht. Mit Recht hat das OLG an­ge­nom­men, dass sie dazu auch keine Zu­stim­mung er­teilt hat. Das OLG hat auch zu Recht eine Ver­wir­kung des Un­ter­las­sungs­an­spruchs der Kläge­rin ver­neint.

Ver­wir­kung ist ein Fall der un­zulässi­gen Rechts­ausübung we­gen wi­der­sprüch­li­chen Ver­hal­tens, bei dem der Ver­stoß ge­gen Treu und Glau­ben in der Il­loya­lität der verspäte­ten Rechts­ausübung liegt. Da­bei ist in­des zu be­ach­ten, dass bei wie­der­hol­ten, gleich­ar­ti­gen Ver­let­zungs­hand­lun­gen jede Ver­let­zungs­hand­lung einen neuen Un­ter­las­sungs­an­spruch ent­ste­hen lässt. So ist im Nach­bar­recht an­er­kannt, dass wie­der­holte gleich­ar­tige Störun­gen, die zeit­lich un­ter­bro­chen auf­tre­ten, je­weils einen neuen Un­ter­las­sungs­an­spruch auslösen und die für die Be­ur­tei­lung des Zeit­mo­ments bei der Ver­wir­kung maßgeb­li­che Frist je­weils neu be­gin­nen las­sen.

Die­ser nach­bar­recht­li­che Grund­satz kann, wie das OLG zu­tref­fend er­kannt hat, auf die Ver­wir­kung des mar­ken­recht­li­chen Un­ter­las­sungs­an­spruchs über­tra­gen wer­den. Auch längere Untätig­keit des Mar­ken­in­ha­bers ge­genüber be­stimm­ten gleich­ar­ti­gen Ver­let­zungs­hand­lun­gen kann kein be­rech­tig­tes Ver­trauen ei­nes Händ­lers begründen, der Mar­ken­in­ha­ber dulde auch künf­tig sein Ver­hal­ten und werde wei­ter­hin nicht ge­gen sol­che - je­weils neuen - Rechts­ver­let­zun­gen vor­ge­hen. Rechts­folge der all­ge­mei­nen Ver­wir­kung auf der Grund­lage des § 242 BGB ist im Mar­ken­recht al­lein, dass ein Mar­ken­in­ha­ber seine Rechte im Hin­blick auf be­stimmte kon­krete, be­reits be­gan­gene oder noch an­dau­ernde Rechts­ver­let­zun­gen nicht mehr durch­zu­set­zen ver­mag.

Die vom An­trag der Kläge­rin um­fasste Ver­let­zungs­form ist die ohne ihre Zu­stim­mung er­fol­gende Ein­fuhr von Mo­torrädern der Marke HONDA in den EWR. Die für die Be­ur­tei­lung des Zeit­mo­ments der Ver­wir­kung maßgeb­li­che Frist hat da­her mit je­der Ein­fuhr ei­nes ein­zel­nen Mo­tor­rads neu zu lau­fen be­gon­nen. Die Kläge­rin hat die Be­klagte we­gen des im Fe­bruar 2008 von ihr aus­ge­stell­ten Honda-Mo­tor­rads be­reits im März 2008 ab­ge­mahnt. Mit­hin kommt schon man­gels ei­nes re­le­van­ten Zeit­mo­ments eine Ver­wir­kung des von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten, al­lein in die Zu­kunft ge­rich­te­ten Un­ter­las­sungs­an­spruchs nicht in Be­tracht.

Link­hin­weis:
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