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BGH zu den Ansprüchen wegen Verletzung von MPEG-2-Videokodierungspatenten

Urteil des BGH vom 21.8.2012 - X ZR 33/10

Bei ei­ner im MPEG-2-Stan­dard ko­dier­ten DVD han­delt es sich nicht um ein "Mit­tel, das sich auf ein we­sent­li­ches Ele­ment der Er­fin­dung be­zieht" i.S.d. § 10 PatG. Die DVD trägt nicht, wie nach BGH-Recht­spre­chung er­for­der­lich, zur Ver­wirk­li­chung der Er­fin­dung bzw. der De­ko­die­rung der Vi­deo­da­ten, bei, son­dern stellt nur den Ge­gen­stand dar, an dem sich die De­ko­die­rung voll­zieht.

Der Sach­ver­halt:
Das vor­lie­gende Pa­tent­ver­let­zungs­ver­fah­ren ent­stammte ei­ner meh­rere Ver­fah­ren um­fas­sen­den Kla­gese­rie. Die in die­sen Kla­gen gel­tend ge­mach­ten Pa­tente be­tra­fen Ver­fah­ren und Vor­rich­tun­gen zur Ko­die­rung, Über­tra­gung, Spei­che­rung und De­ko­die­rung von Vi­deo­si­gna­len, wie sie beim Her­stel­len und Ab­spie­len von DVDs nach der ISO/IEC-Norm 13818-2 (MPEG-2) Ver­wen­dung fin­den. Alle Kläger ha­ben ihre Kla­ge­pa­tente in einen Pa­tent­pool ein­ge­bracht. Die Be­klagte, ein großer, in Grie­chen­land ansässi­ger DVD-Pro­du­zent, hatte sich ge­wei­gert, mit der Pool­ge­sell­schaft einen welt­wei­ten Stan­dard-Pool­li­zenz­ver­trag ab­zu­schließen.

Die Einräum­ung von der Be­klag­ten statt­des­sen be­gehr­ten na­tio­nal be­grenz­ten Pool-Li­zen­zen wurde wie­derum von der Pool­ge­sell­schaft ab­ge­lehnt. Da die Be­klagte in der Fol­ge­zeit auch keine na­tio­na­len Ein­zel­li­zenz­verträge mit den je­wei­li­gen Pa­tent­in­ha­bern ab­ge­schlos­sen hatte, die Pa­tent­in­ha­ber aber den Ver­dacht hat­ten, dass die Be­klagte von den Kla­ge­pa­ten­ten in Deutsch­land gleich­wohl Ge­brauch machte, ver­an­lass­ten die Kläger im Jahre 2007 von Deutsch­land aus eine ge­mein­same Test­be­stel­lung bei der Be­klag­ten. Hierzu über­sandte eine Test­be­stel­le­rin einen DVD-Mas­ter an die Be­klagte, die dar­aus die gewünsch­ten 500 DVDs fer­tigte und an die Test­be­stel­le­rin in Deutsch­land sandte.

Dar­auf­hin er­ho­ben die Kläger je­weils Pa­tent­ver­let­zungs­klage. LG und OLG ga­ben der Klage - wie in den übri­gen Fällen - statt. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hob der BGH die Ent­schei­dun­gen auf und wies die Klage ab, so­weit die Be­klagte auf Scha­dens­er­satz und Aus­kunft über den Um­fang pa­tent­ver­let­zen­der Hand­lun­gen in An­spruch ge­nom­men wor­den war.

Die Gründe:
Die in­ter­na­tio­nale Zuständig­keit der deut­schen Ge­richts­bar­keit lag vor, da mit der Klage die Ver­let­zung ei­nes in Deutsch­land gel­ten­den Pa­tents durch eine Lie­fe­rung in das In­land gel­tend ge­macht wurde.

Die von der Be­klag­ten her­ge­stell­ten DVD wa­ren als Er­zeug­nisse an­zu­se­hen, die i.S.v. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG un­mit­tel­bar durch das ein Ko­die­rungs­ver­fah­ren be­tref­fende patent­gemäße Ver­fah­ren her­vor­ge­bracht wur­den. Un­mit­tel­bare Ver­fah­ren­ser­zeug­nisse sind dem­nach die durch das Ko­die­rungs­ver­fah­ren er­zeug­ten, im MPEG-2-For­mat kom­pri­mier­ten Vi­deo­da­ten­fol­gen, de­ren Cha­rak­te­ris­tika bei der Über­tra­gung auf das Mas­ter­band so­wie die wei­te­ren tech­ni­schen Zwi­schen­for­men der DVD-Her­stel­lung (Glass-Mas­ter, Stam­per) und bei der Pres­sung der ein­zel­nen DVD er­hal­ten blei­ben.

Gleich­wohl hatte die Be­klagte mit der Her­stel­lung der DVD das Pa­tent nicht ver­letzt, da der DVD-Mas­ter durch die (von der Kläge­rin als Test­be­stel­lung ver­an­lasste) Lie­fe­rung an die Be­klagte mit Zu­stim­mung der Kläge­rin in den Ver­kehr ge­bracht wor­den und das Pa­tent­recht in­so­weit er­schöpft (ver­braucht) wurde. Ge­rade weil der DVD-Mas­ter wie jede ein­zelne auf die­ser Ba­sis her­ge­stellte DVD ein und das­selbe un­mit­tel­bare Ver­fah­ren­ser­zeug­nis verkörpert, konnte auch hin­sicht­lich der Er­schöpfung nicht zwi­schen der Lie­fe­rung des Mas­ter­ban­des (mit Zu­stim­mung der Kläge­rin) und der (Rück-)Lie­fe­rung der DVD (ohne Zu­stim­mung der Kläge­rin) un­ter­schie­den wer­den.

Über den auf die­selbe Test­be­stel­lung gestütz­ten Un­ter­las­sungs­an­spruch mus­ste nicht mehr ent­schie­den wer­den, da das Kla­ge­pa­tent im ver­gan­ge­nen Jahr ab­ge­lau­fen war. Im Rah­men der Kos­ten­ent­schei­dung war je­doch zu berück­sich­ti­gen, dass die DVD-Lie­fe­rung der Be­klag­ten we­gen der Er­schöpfung des Pa­tent­rechts zwar kei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch zur Folge hatte, je­doch künf­tige Ver­let­zun­gen des Kla­ge­pa­tents droh­ten. Da die Be­klagte nicht wusste, dass die Be­stel­lung von der Pa­tent­in­ha­be­rin ver­an­lasst wor­den war, begründete die auf­trags­gemäße Lie­fe­rung die Ge­fahr, dass sie auch Be­stel­lun­gen Drit­ter aus­geführt hatte, auch wenn diese ebenso we­nig wie die Test­be­stel­le­rin hätten nach­wei­sen können, zur Be­nut­zung des patent­gemäßen Ko­die­rungs­ver­fah­rens be­rech­tigt zu sein, und da­mit einen Un­ter­las­sungs­an­spruch nach § 139 Abs. 1 PatG un­ter dem Ge­sichts­punkt der Erst­be­ge­hungs­ge­fahr zu be­sit­zen.

Letzt­lich war in der Lie­fe­rung der DVD ent­ge­gen der Auf­fas­sung des OLG auch keine "mit­tel­bare Ver­let­zung" ei­nes wei­te­ren An­spruchs der Kla­ge­pa­tents zu se­hen, das auf ein De­ko­die­rungs­ver­fah­ren ge­rich­tet war, wie es in einem Wie­der­ga­be­gerät aus­geführt wird, das nach dem MPEG-2-Stan­dard ko­dierte Vi­deo­da­ten aus­le­sen kann. Bei ei­ner im MPEG-2-Stan­dard ko­dier­ten DVD han­delt es sich nämlich nicht um ein "Mit­tel, das sich auf ein we­sent­li­ches Ele­ment der Er­fin­dung be­zieht" i.S.d. § 10 PatG. Die DVD trägt nicht, wie nach BGH-Recht­spre­chung er­for­der­lich, zur Ver­wirk­li­chung der Er­fin­dung, d.h. in die­sem Fall der De­ko­die­rung der Vi­deo­da­ten, bei, son­dern stellt nur den Ge­gen­stand dar, an dem sich die De­ko­die­rung voll­zieht.

In­fol­ge­des­sen konnte of­fen­blei­ben, ob An­sprüche we­gen mit­tel­ba­rer Ver­let­zung auch des­halb aus­schei­den, weil § 10 PatG nach BGH-Recht­spre­chung einen Patent­gefähr­dungs­tat­be­stand enthält, der Hand­lun­gen ver­bie­tet, die - ohne selbst pa­tent­ver­let­zend zu sein - die Ge­fahr pa­tent­ver­let­zen­der Hand­lun­gen durch patent­gemäße Ver­wen­dung der "Mit­tel" begründen, und es im Streit­fall zu ei­ner un­mit­tel­ba­ren Pa­tent­ver­let­zung nur in dem fern­lie­gen­den Fall hätte kom­men können, dass die DVD in einem nicht­li­zen­zier­ten Vi­deo­wie­der­ga­be­gerät ab­ge­spielt wor­den wäre.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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