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BGH: Auch ablösbare Werbung auf der äußeren Umhüllung eines Arzneimittels ist unzulässig

Urteil des BGH vom 13.12.2012 - I ZR 161/11

Die in § 10 AMG ent­hal­te­nen Be­stim­mun­gen stel­len Markt­ver­hal­tens­re­ge­lun­gen i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar, de­ren Ver­let­zung ge­eig­net ist, die In­ter­es­sen der Ver­brau­cher spürbar i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG zu be­einträch­ti­gen. Auf der äußeren Umhüllung ei­nes Arz­nei­mit­tels an­ge­brachte An­ga­ben, die Wer­be­cha­rak­ter ha­ben können, sind un­abhängig da­von un­zulässig, ob sie dort un­auslöschlich auf­geführt oder nur ablösbar an­ge­bracht sind und ob sie den Ein­druck er­we­cken, dass sie mit der übri­gen Eti­ket­tie­rung eine Ein­heit bil­den.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ist ein phar­ma­zeu­ti­sches Un­ter­neh­men und In­ha­be­rin der arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sung für das apo­the­ken­pflich­tige Arz­nei­mit­tel Vol­ta­ren Schmerz­gel. Dies ist für die äußer­li­che Be­hand­lung von Schmer­zen, Entzündun­gen und Schwel­lun­gen bei rheu­ma­ti­schen Er­kran­kun­gen der Weich­teile zu­ge­las­sen. Sie ver­treibt die­ses Mit­tel u.a. in der Weise, dass sie auf der Längs­seite der Ver­pa­ckung in einem die­ser Längs­seite ent­spre­chen­den For­mat einen mit zwei Kle­be­punk­ten be­fes­tig­ten auf­klapp­ba­ren Papp-Flyer an­bringt, auf dem sie für das eben­falls für sie zu­ge­las­sene Arz­nei­mit­tel Voltaf­lex wirbt, das zur lang­fris­ti­gen Lin­de­rung der Schmer­zen bei Knie­ar­throse be­stimmt ist.

Der Kläger ist ein als Selbst­kon­troll­or­gan der phar­ma­zeu­ti­schen In­dus­trie gegründe­ter Ver­ein, der ins­be­son­dere die Wer­bung für Heil­mit­tel und ver­wandte Ge­biete auf ihre Lau­ter­keit und ihre Ver­ein­bar­keit mit den ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen und den Wett­be­werbs­re­geln überprüft und ge­gen et­waige Verstöße vor­geht. Nach An­sicht des Klägers verstößt das In­ver­kehr­brin­gen des Mit­tels Vol­ta­ren Schmerz­gel in ei­ner Ver­pa­ckung, auf der ein Wer­be­flyer für das Mit­tel Voltaf­lex an­ge­bracht ist, ge­gen § 10 Abs. 1 S. 4 AMG a.F. (§ 10 Abs. 1 S. 5 AMG n.F.) und fer­ner ge­gen §§ 3, 3a und 4a HWG so­wie ge­gen § 8 Abs. 1 S. AMG.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Ur­teil des OLG auf und wies die Be­ru­fung zurück.

Gründe:
Das LG hatte die Klage zu Recht als aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 5 AMG begründet an­ge­se­hen.

Die in § 10 AMG ent­hal­te­nen Be­stim­mun­gen stel­len Markt­ver­hal­tens­re­ge­lun­gen i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar, de­ren Ver­let­zung ge­eig­net ist, die In­ter­es­sen der Ver­brau­cher spürbar i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG zu be­einträch­ti­gen. Der An­wen­dung des § 4 Nr. 11 UWG stand nicht ent­ge­gen, dass die mit dem UWG 2008 in deut­sches Recht um­ge­setzte Richt­li­nie 2005/29/EG über un­lau­tere Ge­schäfts­prak­ti­ken, die nach Art. 4 in ih­rem An­wen­dungs­be­reich eine vollständige Har­mo­ni­sie­rung des Lau­ter­keits­rechts be­zweckt und die Frage der Un­lau­ter­keit von Ge­schäfts­prak­ti­ken im Ge­schäfts­ver­kehr zwi­schen Un­ter­neh­men und Ver­brau­chern da­her ab­schließend re­gelt, kei­nen mit die­ser Vor­schrift ver­gleich­ba­ren Un­lau­ter­keit­stat­be­stand kennt.

Im vor­lie­gen­den Fall hatte die Be­klagte auf der Längs­seite der Ver­pa­ckung einen mit zwei Kle­be­punk­ten be­fes­tig­ten auf­klapp­ba­ren Papp-Flyer an­ge­bracht, auf dem sie für das eben­falls für sie zu­ge­las­sene Arz­nei­mit­tel Voltaf­lex warb. Diese Wer­bemaßnahme war rechts­wid­rig, denn auf der äußeren Umhüllung ei­nes Arz­nei­mit­tels an­ge­brachte An­ga­ben, die Wer­be­cha­rak­ter ha­ben können, sind un­zulässig. Dies gilt un­abhängig da­von, ob sie dort un­auslöschlich auf­geführt oder nur - etwa mit Kle­be­punk­ten - ablösbar an­ge­bracht sind und ob sie den Ein­druck er­we­cken, dass sie mit der übri­gen Eti­ket­tie­rung eine Ein­heit bil­den. Das Ver­bot soll ver­hin­dern, dass die Ver­wen­der durch sol­che An­ga­ben von den ih­nen gem. § 10 Abs. 1 S. 1 u. 5 AMG ge­ge­be­nen In­for­ma­tio­nen ab­ge­lenkt wer­den. Für die Be­ja­hung ei­nes Rechts­ver­stoßes reicht es aus, dass das Er­rei­chen die­ses Ziels in Frage ge­stellt wird.

Die hier vor­ge­nom­mene Be­ur­tei­lung hat un­ge­ach­tet des­sen auch im deut­schen Recht eine genügende Grund­lage, dass die Be­stim­mung des Art. 62 Hs. 2 der Richt­li­nie 2001/83/EG dort keine di­rekte Ent­spre­chung hat. Das in Art. 103 Abs. 2 GG sta­tu­ierte Be­stimmt­heits­ge­bot schlägt zwar dann auf die wett­be­werbs­recht­li­che Be­ur­tei­lung durch, wenn die Markt­ver­hal­tens­re­ge­lung, auf die wett­be­werbs­recht­li­che An­sprüche gem. § 4 Nr. 11 UWG gestützt wer­den, selbst eine Vor­schrift des Straf- oder Ord­nungs­wid­rig­kei­ten­rechts ist, nicht aber dann, wenn die Ein­hal­tung der Markt­ver­hal­tens­re­ge­lung auch straf- oder bußgeld­be­wehrt ist.

Link­hin­weis:
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