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BFH zur Umsatzsteuerfreiheit von Leistungen eines Altenwohnheims

Urteil des BFH vom 19.3.2013 - XI R 45/10

Die mit dem Be­trieb ei­nes ge­werb­li­chen Al­ten­wohn­heims eng ver­bun­de­nen Umsätze nach § 4 Nr. 16d UStG sind u.a. dann um­satz­steu­er­frei, wenn im vor­an­ge­gan­ge­nen Ka­len­der­jahr min­des­tens 40 % der Leis­tun­gen Kran­ken und be­hin­der­ten Men­schen zu Gute ge­kom­men sind, die in einem vom Ge­setz näher be­stimm­ten Maß der Hilfe bedürfen. Dass die­sen Per­so­nen eine Pfle­ge­stufe zu­er­kannt wurde, ist nicht er­for­der­lich.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin, eine GmbH, be­trieb im Streit­jahr 2001 ein als ge­meinnützige Körper­schaft an­er­kann­tes Al­ten­wohn­heim ("Se­nio­ren-Wohn­stift"). Sie über­ließ dem je­wei­li­gen Be­woh­ner auf der Grund­lage ei­nes Heim­ver­tra­ges eine ab­ge­schlos­sene unmöblierte Woh­nung mit ein­ge­bau­ten Küchen­ele­men­ten, die über eine ei­gene Klin­gel, ein Na­mens­schild, ei­ge­nen Te­le­fon­an­schluss, Brief­kas­ten und Kel­ler­an­teil verfügte.

Zu den sons­ti­gen sog. Grund­leis­tun­gen gehörte die Über­las­sung ei­nes Te­le­fons, eine Not­ruf- und Pfle­ge­be­reit­schaft rund um die Uhr, die re­gelmäßige Grun­drei­ni­gung der Woh­nung, die Vor­hal­tung der Ge­mein­schaftsräume und -an­la­gen (Bi­blio­thek, Gym­nas­tik­raum, Ka­pelle, Seel­sorge, Hal­len­bad), ein tägli­ches Mit­tag­es­sen im Spei­se­saal ein­schließlich Be­die­nung so­wie die Be­treu­ung und Pflege im Krank­heits- und Pfle­ge­fall bis zu ei­ner Ge­samt­dauer von 14 Ta­gen im Jahr. Für darüber hin­aus ge­hende Pfle­ge­leis­tun­gen war ein ge­son­der­tes Ent­gelt zu ent­rich­ten. Die Kläge­rin rech­nete ge­genüber der Pfle­ge­kasse ab, so­weit von die­ser Leis­tun­gen gewährt wur­den, und im Übri­gen di­rekt mit den Be­woh­nern des Se­nio­ren-Wohn­stifts.

Ent­ge­gen der An­sicht der Kläge­rin be­han­delte das Fi­nanz­amt die Pfle­ge­erlöse ein­schließlich Ver­pfle­gung und di­ver­ser Ne­ben­umsätze als steu­er­pflich­tig und un­ter­warf die Leis­tun­gen dem ermäßig­ten Steu­er­satz. Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Es war der An­sicht, dass die von der Kläge­rin er­brach­ten Leis­tun­gen nicht zu min­des­tens 40 % den in § 68 Abs. 1 BSHG ge­nann­ten Per­so­nen zu Gute ge­kom­men seien. Vor­aus­set­zung dafür sei die Zu­er­ken­nung ei­ner Pfle­ge­stufe. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die Ver­sa­gung der Steu­er­be­frei­ung der strei­ti­gen Umsätze ver­letzte § 4 Nr. 16d UStG. Die Sa­che war je­doch nicht spruch­reif, da noch wei­tere Fest­stel­lun­gen zu tref­fen sind.

Für die An­wend­bar­keit des § 4 Nr. 16d UStG reicht eine (ein­fa­che) Pfle­ge­bedürf­tig­keit i.S.v. § 68 Abs. 1 BSHG bei dem ent­spre­chen­den Per­so­nen­kreis aus. Sie kann auch vor­lie­gen, wenn keine Pfle­ge­stufe i.S.v. § 15 SGB XI nach­ge­wie­sen wurde. § 4 Nr. 16d UStG setzt - an­ders als etwa § 4 Nr. 16e UStG - ge­rade keine Kos­tenüber­nahme des So­zi­al­ver­si­che­rungsträgers vor­aus, son­dern stellt le­dig­lich auf einen be­stimm­ten Per­so­nen­kreis ab, dem die Leis­tun­gen zu­gute ge­kom­men sein müssen, nämlich Per­so­nen, die ent­we­der körper­lich hilfs­bedürf­tig sind oder die - was im Streit­fall aus­schied - wirt­schaft­lich hilfs­bedürf­tig sind. Nach BFH-Recht­spre­chung be­trifft die Be­frei­ungs­vor­schrift des § 4 Nr. 16d UStG Leis­tun­gen, die eng mit der So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit ver­bun­den sind.

 Im wei­te­ren Ver­fah­ren muss das FG Noch Fest­stel­lun­gen tref­fen, ob und in wel­chem Um­fang die Be­woh­ner des Al­ten­wohn­heims der Kläge­rin körper­lich hilfs­bedürf­tig i.S.d. § 68 Abs. 1 S. 2 BSHG wa­ren und so­dann ent­schei­den, ob die Steu­er­be­frei­ung zu gewähren ist. Zu­dem hat das FG zu prüfen, ob sämt­li­che Leis­tun­gen, für die die Kläge­rin die Steu­er­be­frei­ung be­gehrt, un­ter § 4 Nr. 16d UStG fal­len.

Falls die strei­ti­gen Umsätze nicht schon nach § 4 Nr. 16d UStG i.V.m. § 68 Abs. 1 BSHG steu­er­frei sind, muss das FG auch noch prüfen, ob sich die Steu­er­frei­heit un­mit­tel­bar aus eu­ropäischem Recht er­gibt (Art. 13 Teil A Abs. 1g der Richt­li­nie 77/388/EWG). Die Steu­er­be­frei­ung darf nach dem EuGH-Ur­teil Zim­mer­mann (UR 2013, 35, HFR 2013, 84) nämlich nicht von ei­ner Be­din­gung abhängig ge­macht wer­den, die nicht ge­eig­net ist, die Gleich­be­hand­lung sämt­li­cher un­ter das Pri­vat­recht fal­len­den Be­trei­ber von Al­ten­wohn­hei­men zu gewähr­leis­ten. Ob die Fi­nanz­ver­wal­tung im Streit­jahr 2001 bei glei­chen Leis­tun­gen un­ter­schied­li­che An­er­ken­nungs­vor­aus­set­zun­gen an­ge­wen­det hat, muss das FG dann ggf. prüfen.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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