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BFH zur Bestimmung von "offensichtlich verkehrsgünstigeren" Wegstrecken i.V.m. Fährverbindungen

BFH 19.4.2012, VI R 53/11

Bei der Be­stim­mung der kürzes­ten Straßenver­bin­dung nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG ist zwar grundsätz­lich auch eine Fähr­ver­bin­dung ein­zu­be­zie­hen. Die Be­son­der­hei­ten ei­ner sol­chen Fähr­ver­bin­dung wie War­te­zei­ten, tech­ni­sche Schwie­rig­kei­ten oder Aus­wir­kun­gen der Wit­te­rungs­be­din­gun­gen können al­ler­dings dazu führen, dass eine an­dere Straßenver­bin­dung als "of­fen­sicht­lich ver­kehrsgüns­ti­ger" an­zu­se­hen ist als die kürzeste Straßenver­bin­dung.

Der Sach­ver­halt:
In sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung für 2007 hatte der Kläger bei den Einkünf­ten aus nicht­selbständi­ger Ar­beit Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte gel­tend ge­macht. Die ein­fa­che Weg­stre­cke zu sei­nem Ar­beits­platz setzte er mit 52 km an. Zwar hätte der Kläger mit­tels ei­ner Fähr­ver­bin­dung auch einen kürze­ren Weg wählen können, doch war ihm die­ser nicht verläss­lich ge­nug. Das Fi­nanz­amt setzte für die Weg­stre­cke zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte die kürzere Stre­cke von 25 km an.

Das FG wies die hier­ge­gen er­ho­bene Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG war zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, eine Straßenver­bin­dung sei nur dann als "of­fen­sicht­lich ver­kehrsgüns­ti­ger" i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG an­zu­se­hen, wenn eine Zeit­er­spar­nis von min­des­tens 20 Mi­nu­ten er­zielt werde. Zu­dem hatte das FG, aus­ge­hend von sei­ner ab­wei­chen­den Rechts­auf­fas­sung, den vom Kläger vor­ge­tra­ge­nen Um­stand der man­geln­den Verläss­lich­keit der Fähr­ver­bin­dung nicht berück­sich­tigt.

Für die Be­stim­mung der Ent­fer­nung ist die kürzeste Straßenver­bin­dung zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte maßge­bend; eine an­dere als die kürzeste Straßenver­bin­dung kann zu­grunde ge­legt wer­den, wenn diese of­fen­sicht­lich ver­kehrsgüns­ti­ger ist und vom Ar­beit­neh­mer re­gelmäßig für Wege zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte be­nutzt wird. Kon­krete zeit­li­che Vor­ga­ben müssen in­so­weit nicht erfüllt sein. Ins­be­son­dere kann nicht in je­dem Fall eine Zeit­er­spar­nis von 20 Mi­nu­ten ge­for­dert wer­den. Die Frage, ob eine Straßenver­bin­dung als "of­fen­sicht­lich ver­kehrsgüns­ti­ger" als die kürzeste Route an­ge­se­hen wer­den kann, ist viel­mehr nach den Umständen des Ein­zel­falls zu be­stim­men.

Da das Merk­mal der Ver­kehrsgüns­tig­keit auch an­dere Umstände als eine Zeit­er­spar­nis be­inhal­tet, kann eine Straßenver­bin­dung auch dann "of­fen­sicht­lich ver­kehrsgüns­ti­ger" sein als die kürzeste Ver­bin­dung, wenn sich dies aus Be­son­der­hei­ten ei­ner im Rah­men der kürzes­ten Straßenver­bin­dung zu nut­zen­den Fähr­ver­bin­dung wie lan­gen War­te­zei­ten, häufig auf­tre­ten­den tech­ni­schen Schwie­rig­kei­ten oder Aus­wir­kun­gen der Wit­te­rungs­be­din­gun­gen auf den Fähr­be­trieb er­gibt. Führen sol­che Umstände dazu, dass sich der Steu­er­pflich­tige auf den Fähr­be­trieb im Rah­men der Pla­nung von Ar­beits­zei­ten und Ter­mi­nen nicht hin­rei­chend ver­las­sen kann, so ist dies im Rah­men der Be­ur­tei­lung der Ver­kehrsgüns­tig­keit ei­ner Straßenver­bin­dung zu berück­sich­ti­gen.

Er­weist sich eine vom Steu­er­pflich­ti­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte ge­nutzte Straßenver­bin­dung nicht als "of­fen­sicht­lich ver­kehrsgüns­ti­ger" als die kürzeste Ver­bin­dung, so können Kos­ten für die Fähre nicht als Wer­bungs­kos­ten an­ge­setzt wer­den, wenn der Steu­er­pflich­tige die Fähr­ver­bin­dung tatsäch­lich nicht ge­nutzt hat. Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung ei­nes Steu­er­pflich­ti­gen, der die vom Ge­setz­ge­ber zum Ab­zug zu­ge­las­se­nen Auf­wen­dun­gen für die kürzeste Straßenver­bin­dung ein­schließlich tatsäch­lich an­ge­fal­le­ner Fähr­kos­ten gel­tend macht, ge­genüber einem Steu­er­pflich­ti­gen, der eine an­dere nicht "of­fen­sicht­lich ver­kehrsgüns­ti­gere" Ver­bin­dung gewählt hat, folgt un­mit­tel­bar aus der ge­setz­li­chen Re­ge­lung, die der Be­rech­nung der als Wer­bungs­kos­ten ab­zieh­ba­ren Auf­wen­dun­gen die kürzeste Ver­bin­dung zu­grunde legt.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFHveröff­ent­licht.
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