Was ist die Ausgangslage?
Im Rahmen des BEPS 2.0 Projekt der OECD haben sich in 2021 rund 140 Staaten auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer geeinigt, auch bekannt unter der Bezeichnung „Global Anti-Base Erosion Rules“ (GloBE) oder Pillar 2.

Um eine einheitliche Einführung und Ausgestaltung der Anwendung der globalen Mindeststeuer im EU-Raum sicherzustellen, beschloss der Rat der Europäischen Union am 15.12.2022 die Mindestbesteuerungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2022/2523, Abl L 328 vom 22.12.2022, S. 1, berichtigt in ABl. L 13 vom 16.01.2023, S. 9). Darin werden die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Vorgaben dieser Richtlinie bis 31.12.2023 in nationales Recht umzusetzen.
Mit dem nun am 20.03.2023 durch das BMF vorgelegten Diskussionsentwurf eines Gesetzes für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz) wird der erste Umsetzungsschritt in Deutschland gemacht. Dabei beinhaltet der Entwurf die Einführung eines neuen Stammgesetzes zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen (Mindeststeuergesetz, kurz MinStG).
Um was geht es?
Große Unternehmensgruppen sollen dazu verpflichtet werden, erstmals in dem nach dem 30.12.2023 beginnenden Wirtschaftsjahr sicherzustellen, dass das Einkommen aller Gruppenmitglieder in den Jurisdiktionen ihrer Ansässigkeitsstaaten einer Besteuerung von effektiv mindestens 15 % unterliegt. Wird dieser effektive Mindeststeuersatz unterschritten, soll grundsätzlich auf Ebene der obersten Muttergesellschaft eine zusätzliche Steuer in Höhe der Differenz zum Mindeststeuersatz von 15 % zu zahlen sein.
Wer ist betroffen?
Der globalen Mindeststeuer unterliegen multinationale sowie nationale Konzerne mit einem Gesamtjahresumsatz von mindestens 750 Mio. Euro in mindestens zwei von vier vorangehenden Geschäftsjahren. Ist eine Konzerneinheit eines solchen Konzerns in Deutschland belegen, greift grundsätzlich das neue MinStG. Aus dem Anwendungsbereich ausgenommen sind allerdings u. a. Non-Profit Organisationen, staatliche Einheiten, internationale Organisationen und Pensionsfonds.
Was ist zu ermitteln?
Um prüfen zu können, ob die Geschäftseinheiten der Unternehmensgruppe, die in einem Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, einer Steuerbelastung in Höhe von mindestens 15 % unterliegen, sind die angepassten erfassten Steuern und der für Zwecke der Mindeststeuer angepasste Gewinn (sog. Mindeststeuer-Gewinn bzw. -Verlust) heranzuziehen. Das Verhältnis hieraus ergibt den effektiven Steuersatz. Mehrere Geschäftseinheiten in einem Steuerhoheitsgebiet sind dazu zusammenzufassen (Jurisdictional Blending).
Die erfassten Steuern und der Mindeststeuer-Gewinn bzw. -Verlust werden auf der Grundlage des Ergebnisses (Jahresüberschuss II bzw. Jahresfehlbetrag II), das in dem nach anerkannten Rechnungslegungsstandards aufgestellten Konzernabschluss (HB II) ausgewiesen ist, ermittelt. Allerdings sind noch zahlreiche Anpassungen vorzunehmen. Die im Jahresüberschuss II bzw. Jahresfehlbetrag II ausgewiesenen erfassten Steuern sind u. a. um latente Steuern zu modifizieren. Auch zur Berechnung des Mindeststeuer-Gewinns bzw. -Verlusts sind zahlreiche Anpassungen an dem in der HB II ausgewiesenen Ergebnis vorzunehmen.
Hinweis: Der Diskussionsentwurf orientiert sich in der konkreten Umsetzung an den OECD Mustervorgaben zur Umsetzung von GloBE (OECD Model Rules) unter Berücksichtigung der kürzlich veröffentlichten OECD Administrative Guidance. So ist u. a. eine Erleichterung für Unternehmen mit direkten Pensionsverpflichtungen gegenüber (ehemaligen) Arbeitnehmern berücksichtigt: Aufwendungen aus direkten Pensionsverpflichtungen gegenüber (ehemaligen) Arbeitnehmern müssen zur Ermittlung des Mindeststeuer-Gewinns bzw. -Verlusts - anders als es der unmittelbare Wortlaut der OECD Model Rules vermutet lässt - nicht hinzugerechnet werden. Die entsprechende Hinzurechnungsnorm soll nur in Bezug auf Pensionsverpflichtungen anzuwenden sein, die an einen Pensionsfonds ausgelagert sind. In anderen Fällen (z. B. Direktzusage, Direktversicherung, Pensionskasse, Unterstützungskasse) werden die Aufwendungen ausweislich der Begründung des Diskussionsentwurfs immer vollumfänglich in dem Jahr berücksichtigt, in dem die Aufwendungen im Jahresüberschuss der HB II berücksichtigt worden sind.
Wie erfolgt die Mindestbesteuerung?
Unterschreitet der effektive Steuersatz von Geschäftseinheiten der Gruppe in einem Steuerhoheitsgebiet den Mindeststeuersatz von 15 %, ist nach der sog. Primärergänzungssteuerregelung grundsätzlich die oberste Muttergesellschaft verpflichtet, einen entsprechenden Steuererhöhungsbetrag abzuführen. Im Falle einer in Deutschland belegenen obersten Muttergesellschaft wäre diese somit zur Steuerzahlung gegenüber dem deutschen Fiskus verpflichtet.
Im Diskussionsentwurf wird zudem von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine nationale Ergänzungssteuer einzuführen. Sollten die im Inland belegenen Geschäftseinheiten einer effektiven Steuer von unter 15 % unterliegen, kommt die nationale Ergänzungssteuer zur Anwendung. Auf Ebene der obersten Muttergesellschaft soll es dann zur Anrechnung dieser nationalen Ergänzungssteuer kommen.
Sofern die Primärergänzungssteuerregelung nicht greift, weil im Ansässigkeitsstaat der obersten Muttergesellschaft keine entsprechende Regelung besteht und die Mindestbesteuerung auch nicht auf Ebene einer zwischengeschalteten Muttergesellschaft erfolgt, sieht der Diskussionsentwurf als Auffangregelung die Sekundärergänzungssteuerregelung vor, die erstmals auf nachdem 30.12.2024 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden sein soll. Dazu ist der im Inland steuerpflichtigen Geschäftseinheit ein anteiliger Steuererhöhungsbetrag für die gesamte Gruppe zuzurechnen.
Welche Erklärungen sind zu übermitteln?
Jede steuerpflichtige Geschäftseinheit im Inland hat dem Bundeszentralamt für Steuern grundsätzlich bis spätestens 15 Monate (bzw. im Erstjahr der Anwendung 18 Monate) nach Ende des Geschäftsjahres einen Mindeststeuer-Bericht zu übermitteln. Darin müssen alle für die Berechnung eines etwaigen Steuererhöhungsbetrags erforderlichen Informationen enthalten sein.
Eine in Deutschland ansässige Muttergesellschaft, die als Gruppenträger einer sog. Mindeststeuergruppe (bestehend aus allen im Inland belegenen Geschäftseinheiten) hat bis zum Ablauf der vorgenannten Frist für alle inländischen Geschäftseinheiten eine Steueranmeldung abzugeben, in der sie den Steuererhöhungsbetrag selbst zu berechnen und innerhalb eines Monats nach Übermittlung der Anmeldung zu entrichten hat.
Gibt es ggf. Erleichterungen?
Safe Harbour-Regelungen, die sich auf Daten aus dem Country-by-Country-Reporting (CbCR) beziehen, sehen vor, dass auf Antrag für ein Steuerhoheitsgebiet ein Steuererhöhungsbetrag von Null Euro angenommen wird, wenn für dieses Steuerhoheitsgebiet einer der folgenden drei Tests erfüllt ist:
- De-Minimis-Test: Umsatzerlöse von weniger als 10 Mio. Euro und Gewinn vor Steuern von weniger als 1 Mio. Euro laut CbCR
- Vereinfachter Effectice Tax Rate-Test (ETR-Test): Effektiver Steuersatz berechnet auf Basis der CbCR-Daten (nebst bestimmter Modifikationen insb. zur Berücksichtigung latenter Steuern) von mindestens 15 % (in 2024), 16 % (in 2025) bzw. 17 % (in 2026)
- Substanztest: Gewinn vor Steuern laut CbCR entspricht maximal dem sog. substanzbasierten Freibetrag (ermittelt anhand von Lohnkosten und materiellen Vermögenswerten).
Diese Erleichterungen sind für eine Übergangszeit vorgesehen, die bis vor dem 01.07.2028 endende Geschäftsjahre umfasst.
Übt die Unternehmensgruppe nur in untergeordnetem Umfang internationale Tätigkeiten aus, ist zudem eine Befreiung in den ersten fünf Jahren der Anwendung der Mindeststeuer vorgesehen. Im Diskussionsentwurf finden sich ferner Vereinfachungsregelungen u. a. für den Fall, dass bei der obersten Muttergesellschaft bereits eine ausländische nationale Ergänzungssteuer erhoben wird.
Was ergibt sich daraus für die Praxis?
Betroffene Unternehmen sollten sich intensiv mit den Vorgaben zur Ermittlung der Berechnungsgrundlagen für die Prüfung des effektiven Steuersatzes auseinandersetzen. Dabei kann der im jeweiligen Steuerhoheitsgebiet vorgesehene Nominalsteuersatz nicht mehr als nur einen Hinweis auf etwaig zu zahlende Ergänzungssteuern geben. Denn durch die umfangreichen Anpassungen sowohl des maßgeblichen Gewinns als auch der zu berücksichtigenden Steuern können sich hier erhebliche Abweichungen ergeben. Unerlässlich zur Ermittlung der Berechnungsgrundlagen wird dabei ein entsprechend angepasstes konzerninternes Reporting sein, das weit über die bisherigen Reporting Packages im Zusammenhang mit der Konzernrechnungslegung hinausgehen. Umfangreiche Erklärungspflichten ergeben sich für die gesamte Gruppe grundsätzlich auch dann, wenn es im Ergebnis zu keiner zu zahlenden Ergänzungssteuer kommen sollte.
Bei Fragen sowohl zur vorgesehenen gesetzgeberischen Umsetzung der Mindeststeuer als auch zur praktischen Umsetzung stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Gerne unterstützen wir Sie im Rahmen ausgewählter Workshops zum Thema Globale Mindeststeuer.