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Abzug von Zivilprozesskosten aus einem Berufungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen

FG Münster 20.3.2014, 5 K 1023/12 E

Die Kos­ten ei­nes Zi­vil­pro­zes­ses konn­ten nach der neuen BFH-Recht­spre­chung (Urt. v. 12.5.2011) zu dem Rechts­stand vor dem 30.6.2013 un­abhängig vom Ge­gen­stand des Zi­vil­rechts­streits aus recht­li­chen Gründen zwangsläufig ent­ste­hen. Ent­ge­gen der früheren Recht­spre­chung war für die Frage der Zwangsläufig­keit von Pro­zess­kos­ten nicht auf die Un­aus­weich­lich­keit des der streit­ge­genständ­li­chen Zah­lungs­ver­pflich­tung oder dem strit­ti­gen Zah­lungs­an­spruch zu­grunde lie­gen­den Er­eig­nis­ses ab­zu­stel­len.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin war im Jahr 2000 von ih­rem Ehe­mann (E.) ge­schie­den wor­den. Da beide Ei­gentümer ei­nes Zwei­fa­mi­li­en­hau­ses wa­ren, hat­ten sie zu­vor einen Ehe­ver­trag ge­schlos­sen, in dem ge­re­gelt war, dass ein Ver­kauf des Hau­ses bis zum Ab­itur des Kin­des aus­ge­schlos­sen ist. Die Haus­las­ten soll­ten, so­lange noch beide in ge­trenn­ten Haus­hal­ten wohn­ten, wei­ter­hin von E. ge­tra­gen wer­den. Die Kläge­rin be­wohnte im Haus die un­tere Woh­nung - auch nach­dem E. im Fe­bruar 2001 aus­zog.

Die Par­teien führ­ten in den Fol­ge­jah­ren Ver­hand­lun­gen über die Aus­ein­an­der­set­zung des Haus­ei­gen­tums. Schließlich ging E. ge­richt­lich ge­gen die Kläge­rin vor, wor­auf­hin diese Wi­der­klage er­hob. Die Par­teien schlos­sen vor dem AG einen Ver­gleich. Re­ge­lun­gen zur Nut­zungs­ent­schädi­gung vor 2009 und der Frage der Tei­lung der Kre­dit­be­las­tun­gen wur­den nicht ge­trof­fen. Da­nach wies das AG die Wi­der­klage ab und ver­ur­teilte die Kläge­rin, an E. 2.519 € Nut­zungs­ent­schädi­gung für 2008 zu zah­len. Ge­gen die­ses Ur­teil legte die Kläge­rin Be­ru­fung ein. In der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem OLG schlos­sen Par­teien dann einen Ver­gleich, wor­auf­hin die Nut­zungs­ent­schädi­gung ent­fiel.

In ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung machte die Kläge­rin un­ter Hin­weis auf die neuere BFH-Recht­spre­chung (Urt. v. 12.5.2011, Az.: VI R 42/10) die ihr in 2010 ent­stan­de­nen Zi­vil­pro­zess­kos­ten aus dem Be­ru­fungs­ver­fah­ren i.H.v. 6.331 € als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen gel­tend. Das Fi­nanz­amt berück­sich­tigte die Kos­ten al­ler­dings nicht. Zwar habe der BFH zu­letzt zu Zi­vil­pro­zess­kos­ten in Ände­rung sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung ent­schie­den. Die Behörde sei je­doch an den Nicht­an­wen­dungs­er­lass des BMF ge­bun­den und halte an der bis­her gel­ten­den BFH-Recht­spre­chung fest.

Das FG gab der Klage statt. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hatte den Ab­zug der aus dem Zi­vil­rechts­streit als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen zu Un­recht ver­sagt.

Mit Wir­kung vom 30.6.2013 ist in § 33 Abs. 2 EStG ein S. 4 ergänzt wor­den, wo­nach der Ab­zug von "Auf­wen­dun­gen für die Führung ei­nes Rechts­streits (Pro­zess­kos­ten)" als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen aus­ge­schlos­sen ist, "es sei denn, es han­delt sich um Auf­wen­dun­gen, ohne die der Steu­er­pflich­tige Ge­fahr liefe, seine Exis­tenz­grund­lage zu ver­lie­ren und seine le­bens­not­wen­di­gen Bedürf­nisse in dem übli­chen Rah­men nicht mehr be­frie­di­gen zu können". Für die Zeit da­vor und da­mit auch für das Streit­jahr 2010 fehlte eine sol­che ge­setz­li­che Re­ge­lung. Die Kos­ten ei­nes Zi­vil­pro­zes­ses konn­ten nach der neuen BFH-Recht­spre­chung (Urt. v. 12.5.2011) zu dem Rechts­stand vor dem 30.6.2013 un­abhängig vom Ge­gen­stand des Zi­vil­rechts­streits aus recht­li­chen Gründen zwangsläufig ent­ste­hen. Ent­ge­gen der früheren Recht­spre­chung war für die Frage der Zwangsläufig­keit von Pro­zess­kos­ten nicht auf die Un­aus­weich­lich­keit des der streit­ge­genständ­li­chen Zah­lungs­ver­pflich­tung oder dem strit­ti­gen Zah­lungs­an­spruch zu­grunde lie­gen­den Er­eig­nis­ses ab­zu­stel­len.

Dem­nach mus­ste der Steu­er­pflich­tige den Pro­zess un­ter verständi­ger Würdi­gung des Für und Wi­der - auch des Kos­ten­ri­si­kos - ein­ge­gan­gen sein. Dem­gemäß wa­ren Zi­vil­pro­zess­kos­ten nicht un­aus­weich­lich, wenn die be­ab­sich­tigte Rechts­ver­fol­gung oder Rechts­ver­tei­di­gung aus Sicht ei­nes verständi­gen Drit­ten keine hin­rei­chende Aus­sicht auf Er­folg bot. Eine nur ent­fernte, ge­wisse Er­folgs­aus­sicht reichte nicht aus, um die Zi­vil­pro­zess­kos­ten als un­aus­weich­lich und da­mit als zwangsläufig an­se­hen zu können. Der Er­folg mus­ste min­des­tens ebenso wahr­schein­lich sein wie ein Miss­er­folg.

In­fol­ge­des­sen wa­ren die für 2010 gel­tend ge­mach­ten Pro­zess­kos­ten der Kläge­rin als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen ab­zu­zie­hen. Die Auf­wen­dun­gen wa­ren ihr zwangsläufig ent­stan­den. Der Rechts­streit hatte den Ein­gang in die er­ste In­stanz nicht auf Be­trei­ben der Kläge­rin ge­fun­den, schließlich hatte E. ge­klagt. Hier­auf hat die Kläge­rin von ih­rem Recht Ge­brauch ge­macht, Wi­der­klage zu er­he­ben Im Hin­blick dar­auf, dass für das ge­mein­same Haus hin­sicht­lich Nut­zung und Ei­gen­tum eine Ge­samtlösung ge­fun­den wer­den mus­ste, hatte sie nicht mut­wil­lig Wi­der­klage er­ho­ben. Nach sum­ma­ri­scher Prüfung konnte nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass sich die Kläge­rin nach Ab­schluss des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens mut­wil­lig oder leicht­fer­tig auf das Be­ru­fungs­ver­fah­ren ein­ge­las­sen hatte. Viel­mehr be­stand durch­aus eine hin­rei­chende Er­folgs­aus­sicht, die sich in dem vor dem OLG ge­schlos­se­nen Pro­zess­ver­gleich, mit dem u.a. die Nut­zungs­ent­schädi­gung für 2008 wie­der zurück­ge­nom­men wurde, rea­li­sierte.

Im Hin­blick auf die ab­wei­chende Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung und die zu der Rechts­frage beim BFH anhängi­gen Re­vi­si­ons­ver­fah­ren (z.B. VI R 66/12, X R 34/12 und VI R 56/13) war die Re­vi­sion zu­zu­las­sen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text des Ur­teils ist erhält­lich un­ter www.nrwe.de - Recht­spre­chungs­da­ten­bank des Lan­des NRW.

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