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Zur Verjährung bei Ansprüchen aus Urheberrechtsverletzung durch Filesharing eines Musikwerkes

AG Kassel 24.7.2014, 410 C 625/14

Mit der Ab­gabe ei­ner straf­be­wehr­ten Un­ter­las­sungs­erklärung ist kein An­er­kennt­nis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB ver­bun­den, das einen Neu­be­ginn der Verjährung her­vor­ru­fen­den würde. Ist dem Ge­richt kein An­bie­ter be­kannt, der Werke der Mu­sik oder Film­werke der­ge­stalt li­zen­ziert, dass sie im Wege des File­sha­rings an­ge­bo­ten wer­den können, kommt auch nicht die zehnjährige Verjährungs­frist des § 852 S. 2 BGB in Be­tracht.

Der Sach­ver­halt:
Der Be­klagte hatte am 21.8.2009 auf ei­ner In­ter­net-Tauschbörse mit­tels des Pro­gramms eDon­key2000 im Wege des File­sha­ring das Mu­si­kal­bum "Vom Sel­ben Stern" der Künst­ler­gruppe "Ich + Ich" auf sei­nen Com­pu­ter her­un­ter. In ähn­li­cher Weise lud er am 25.8.2009 das Dop­pel­al­bum "MTV un­plug­ged in New York" der Mu­sik­gruppe "Sport­freunde Stil­ler" her­un­ter. Die Kläge­rin nahm dar­auf­hin zur Er­mitt­lung des Ver­let­zungs­vor­gangs die Deut­sche Te­le­kom AG vor dem LG Köln auf Aus­kunft in An­spruch. Diese AG legte den Vor­gang nach Aus­kunfts­er­tei­lung am 4.12.2009 als ab­ge­schlos­sen ab. Dar­auf­hin er­mit­telte die Kläge­rin wei­tere ver­gleich­bare Vorgänge zwi­schen dem 21.10.2009 und dem 28.1.2010, was sie in die­sem Ver­fah­ren erst­ma­lig mit Schrift­satz vom 2.5.2014, ein­ge­gan­gen am 7.5.2014, vor­ge­tra­gen hatte.

Mit Schrei­ben vom 9.2.2010 mahn­ten die Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin den Be­klag­ten ab und nahm Be­zug auf die bei­den Vorgänge vom 21. und 25.8.2009. dar­auf­hin un­ter­zeich­nete der Be­klagte am 12.2.2010 eine straf­be­wehrte Un­ter­las­sungs­erklärung und ver­pflich­tete sich zur Zah­lung ei­nes pau­scha­lier­ten Scha­dens­er­sat­zes nach § 97a UrhG a.F. i.H.v. 100 €. Der Be­klagte brachte je­doch un­miss­verständ­lich zum Aus­druck, dass er darüber hin­aus­ge­hende Zah­lungs­an­sprüche nicht erfüllen möchte.

Die Kläge­rin war später der An­sicht, der Be­klagte schulde ihr im Wege des Li­zenz­ana­lo­gie­scha­dens ein Be­trag von ins­ge­samt 2.500 €, auf den sie den be­reits ent­rich­te­ten Be­trag von 100 € an­rech­net. Die­ser An­spruch un­ter­liege gem. § 852 S. 2 BGB ei­ner zehnjähri­gen Verjährungs­frist. Auch habe der in die­ser Sa­che er­gan­gene Mahn­be­scheid vom 2.1.2014 die Verjährung un­ter­bro­chen, da der Be­klagte gleich­ar­tige Rechts­ver­let­zun­gen im Jahr 2010 be­gan­gen habe. Der Be­klagte be­rief sich auf die Verjährung der An­sprüche.

Das AG wies die Klage ab. Das Ur­teil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die gel­tend ge­mach­ten An­sprüche aus §§ 97, 97a UrhG wa­ren gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Da­nach be­trug die Verjährungs­frist drei Jahre und be­gann am Schluss des Jah­res, in dem der An­spruch ent­stan­den war und die Kläge­rin von al­len an­spruchs­begründen­den Umständen und der Per­son des Schuld­ners - hier der Be­klagte - Kennt­nis er­langt hatte. Verjährungs­be­ginn be­tref­fend die in der An­spruchs­begründung ge­nann­ten Vorfälle vom 21. und 25.8.2009 war da­nach der 31.12.2009, 24.00 Uhr. Diese Verjährungs­frist lief folg­lich am 31.12.2012 ab. Umstände, die den Ab­lauf der Verjährungs­frist be­ein­flusst hätten, wa­ren zu­vor nicht ein­ge­tre­ten.

Die Un­ter­las­sungs­erklärung des Be­klag­ten vom 12.2.2010 hatte kei­nen Ein­fluss auf die Verjährung des hier gel­tend ge­mach­ten Li­zenz­ana­lo­gie­scha­dens­er­satz­an­spru­ches und Auf­wen­dungs­er­satz­an­spru­ches. Ins­be­son­dere lag kein einen Neu­be­ginn der Verjährung her­vor­ru­fen­des An­er­kennt­nis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor. Denn mit der Ab­gabe ei­ner straf­be­wehr­ten Un­ter­las­sungs­erklärung ist ein An­er­kennt­nis die­ser Art nicht ver­bun­den. Et­was an­de­res galt auch nicht für die Ver­pflich­tungs­erklärung des Be­klag­ten, den nach der da­ma­li­gen Fas­sung des § 97a UrhG mögli­cher­weise ge­schul­de­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch i.H.v. 100 € zu zah­len. Schließlich brachte der Be­klagte un­miss­verständ­lich zum Aus­druck, dass er darüber hin­aus­ge­hende Zah­lungs­an­sprüche ge­rade nicht erfüllen wollte.

Der Mahn­be­scheid vom 2.1.2014 ent­fal­tete eben­falls keine verjährungs­re­le­vante Wir­kung. Zwar konnte nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die ihr am 4.1.2014 er­folgte Zu­stel­lung des Mahn­be­schei­des zur Hem­mung der Verjährung führen. Dies hätte je­doch vor­aus­ge­setzt, dass zu die­sem Zeit­punkt die Verjährung noch nicht ein­ge­tre­ten ge­we­sen wäre. Die Verjährung war aber be­reits mit Ab­lauf des 31.12.2012 ein­ge­tre­ten, so dass auch un­ter Berück­sich­ti­gung der Rück­wir­kungs­fik­tion des § 167 ZPO keine Hem­mung ein­tre­ten konnte, weil auch der Mahn­an­trag vom 23.12.2013 erst weit nach Ein­tritt der Verjährung ge­stellt wor­den war.

Die Kläge­rin konnte sich letzt­lich auch nicht auf die zehnjährige Verjährungs­frist des § 852 S. 2 BGB be­ru­fen. Da­nach un­ter­lie­gen die­je­ni­gen An­sprüche ei­ner länge­ren Verjährung, die auf die Her­aus­gabe des de­lik­ti­sch Er­lang­ten zie­len. Es han­delt sich so­mit um einen quasi de­lik­ti­schen Be­rei­che­rungs­an­spruch. Die Vor­schrift fin­det we­gen § 102 S. 2 UrhG ent­spre­chende An­wen­dung. Vor­aus­set­zung ist aber, dass der Schädi­ger tatsäch­lich et­was er­langt hat. Dies kann etwa die er­sparte Li­zenz­gebühr sein, wenn die Wahr­neh­mung des Ur­he­ber­rechts ty­pi­scher­weise nur ge­gen eine Li­zenz­gebühr ein­geräumt wird (BGH-Urt. vom 27.10.2011, Az.: I ZR 175/10 - Bo­chu­mer Weih­nachts­markt). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Rech­te­wahr­neh­mung bei ei­ner Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft li­zen­ziert wer­den kann. Hier la­gen je­doch die tatsäch­li­chen Verhält­nisse an­ders, so dass die Grundsätze des BGH-Ur­teils keine An­wen­dung fin­den konn­ten. Denn dem er­ken­nen­den Ge­richt war kein An­bie­ter be­kannt, der Werke der Mu­sik oder Film­werke der­ge­stalt li­zen­ziert, dass sie im Wege des File­sha­rings an­ge­bo­ten wer­den können.

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