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Zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen unzureichender Mitwirkung bei einer Außenprüfung

BFH 24.4.2014, IV R 25/11

Fi­nanzämter dürfen auch in Fällen, in de­nen der Steu­er­pflich­tige sei­ner Mit­wir­kungs­pflicht bei ei­ner Außenprüfung schuld­haft nicht nach­ge­kom­men ist, ein Verzöge­rungs­geld nicht ohne nähere Begründung fest­set­zen. Um eine dem Verhält­nismäßig­keits­grund­satz ge­schul­dete Waf­fen­gleich­heit zwi­schen der Fi­nanz­ver­wal­tung und Steu­er­pflich­ti­gen zu gewähr­leis­ten, hat der BFH hohe An­for­de­run­gen an die von der Fi­nanz­ver­wal­tung zu tref­fende Er­mes­sens­ent­schei­dung ge­stellt.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist seit De­zem­ber 2008 Rechts­nach­fol­ge­rin der A-OHG, die ih­rer­seits im No­vem­ber 2008 durch Rechts­form­wech­sel der A-Bauträger GbR ent­stan­den war. Mit Be­scheid aus Ok­to­ber 2008 ord­nete das Fi­nanz­amt bei der GbR eine Außenprüfung hin­sicht­lich der Um­satz­steuer, der Fest­stel­lung der Einkünfte und der Ge­wer­be­steuer für die Jahre 2002 bis 2004 an. Die Prüfung sollte im De­zem­ber 2008 be­gin­nen. Das ge­gen die Prüfungs­an­ord­nung an­ge­strengte Kla­ge­ver­fah­ren er­le­digte sich, nach­dem das Fi­nanz­amt ein­geräumt hatte, dass die Ein­spruchs­ent­schei­dung dem fal­schen In­halts­adres­sa­ten und da­mit nicht wirk­sam be­kannt­ge­ge­ben wor­den sei.

Mit Schrei­ben vom 9.12.2009 teilte das Fi­nanz­amt der Kläge­rin mit, dass mit der Außenprüfung am 11.1.2010 be­gon­nen werde. Eine mit Schrei­ben vom 22.12.2009 be­an­tragte Ver­schie­bung des Prüfungs­be­ginns we­gen Er­zie­hungs­ur­laubs der zuständi­gen Be­ar­bei­te­rin und un­vor­her­ge­se­he­nen Aus­falls wei­te­rer Mit­ar­bei­ter lehnte das Fi­nanz­amt. Dar­auf­hin legte die Kläge­rin "ge­gen die geänderte Prüfungs­an­ord­nung vom 9.12.2009" Ein­spruch ein und be­an­tragte Aus­set­zung der Voll­zie­hung, da ein an­de­res Fi­nanz­amt für die noch nicht be­gon­nene Prüfung zuständig sei. Das Fi­nanz­amt lehnte den AdV-An­trag ab, da keine geänderte Prüfungs­an­ord­nung und da­mit auch kein wirk­sa­mer Ein­spruch vorlägen. Die Kläge­rin stellte in­so­weit kei­nen ge­richt­li­chen AdV-An­trag. Sie legte al­ler­dings auch nicht die an­ge­for­der­ten Un­ter­la­gen vor.

Mit Be­scheid vom 3.3.2010 setzte das Fi­nanz­amt ge­genüber der Kläge­rin ein Verzöge­rungs­geld i.H.v. 4.800 € fest. Den ge­gen die Fest­set­zung des Verzöge­rungs­gelds ge­rich­te­ten Ein­spruch wies es als un­begründet zurück. Da die Kläge­rin die an­ge­for­der­ten Un­ter­la­gen nicht vor­ge­legt habe, seien die Vor­aus­set­zun­gen des § 146 Abs. 2b AO erfüllt. Bei der Ausübung des Aus­wah­ler­mes­sens zur Höhe des Verzöge­rungs­gelds habe sich die Behörde an der Dauer der Verzöge­rung ori­en­tiert. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt und hob den Be­scheid über die Fest­set­zung des Verzöge­rungs­gel­des we­gen ei­ner feh­ler­haf­ten Ausübung des Er­mes­sens auf. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes blieb vor dem BFH ohne Er­folg.

Die Gründe:
Das FG war zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass zwar die for­mel­len Vor­aus­set­zun­gen erfüllt wa­ren und auch die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 146 Abs. 2b AO vor­la­gen, aber das Fi­nanz­amt sein Er­mes­sen nicht feh­ler­frei ausgeübt hatte.

Mit dem Verzöge­rungs­geld hat der Ge­setz­ge­ber der Fi­nanz­ver­wal­tung ein schar­fes In­stru­ment an die Hand ge­ge­ben, um den Steu­er­pflich­ti­gen zu ei­ner zeit­na­hen Erfüllung der Mit­wir­kungs­pflich­ten an­zu­hal­ten, aber auch, um et­wai­ges Verzöge­rungs­ver­hal­ten zu sank­tio­nie­ren. So kann das Fi­nanz­amt ge­gen den Steu­er­pflich­ti­gen ein Verzöge­rungs­geld von 2.500 € bis 250.000 € fest­set­zen, wenn die­ser sei­nen Mit­wir­kungs­pflich­ten (u.a. Er­tei­lung von Auskünf­ten oder Vor­lage von Un­ter­la­gen) im Rah­men ei­ner Außenprüfung in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist nicht nach­kommt (§ 146 Abs. 2b AO).

Um eine dem Verhält­nismäßig­keits­grund­satz ge­schul­dete Waf­fen­gleich­heit zwi­schen der Fi­nanz­ver­wal­tung und Steu­er­pflich­ti­gen zu gewähr­leis­ten, hat der BFH al­ler­dings hohe An­for­de­run­gen an die von der Fi­nanz­ver­wal­tung zu tref­fende Er­mes­sens­ent­schei­dung ge­stellt. So sind die Er­mes­sen­serwägun­gen vom je­wei­li­gen Fi­nanz­amt ausführ­lich dar­zu­le­gen, um eine ge­richt­li­che Kon­trolle der Rechtmäßig­keit der Fest­set­zung zu ermögli­chen. Des­halb müssen die Fi­nanz­behörden sämt­li­che Be­son­der­hei­ten des Streit­fal­les in ihre Er­mes­sens­ent­schei­dun­gen ein­be­zie­hen und abwägen.

Die Fi­nanzämter müssen etwa - wie im vor­lie­gen­den Fall - berück­sich­ti­gen, dass sich der Steu­er­pflich­tige ge­gen die Vor­lage der Un­ter­la­gen mit einem An­trag auf vorläufi­gen Rechts­schutz ge­wandt hat und die­ser im Zeit­punkt des Ab­laufs der Frist noch nicht be­schie­den war. Das Er­mes­sen wird zu­dem feh­ler­haft ausgeübt und führt zur Auf­he­bung des Verzöge­rungs­geld­be­schei­des, wenn das Fi­nanz­amt früheres (Fehl-)Ver­hal­ten des Steu­er­pflich­ti­gen, das vor der Auf­for­de­rung zur Mit­wir­kung lag, in seine Er­mes­sen­serwägun­gen mit ein­be­zieht.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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