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Zur analogen Anwendung des gesetzlichen Kündigungsrechtes bei zuteilungsreifen Bausparverträgen

OLG Stuttgart 30.3.2016, 9 U 171/15

Wird der Auf­for­de­rung zur Zah­lung von Spar­leis­tun­gen nicht Folge ge­leis­tet, hat die Bau­spar­kasse ein (kurz­fris­ti­ges) ver­trag­li­ches Kündi­gungs­recht und es da­durch selbst in der Hand, eine über­lange Bin­dung an den Ver­trags­zins­satz zu ver­hin­dern. Wenn sie aber selbst (mögli­cher­weise im ei­ge­nen In­ter­esse) ein fak­ti­sches Ru­hen des Bau­spar­ver­tra­ges er­laubt und ein ver­trag­li­ches Kündi­gungs­recht nicht nutzt, ist sie nicht schutz­bedürf­tig und kann sich nicht später auf eine ana­loge An­wen­dung ei­nes ge­setz­li­chen Kündi­gungs­rechts be­ru­fen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin hatte im Jahr 1978 einen Bau­spar­ver­trag mit ei­ner Bau­spar­summe von 40.000 DM (rund 20.451 €) bei der Be­klag­ten ab­ge­schlos­sen. Für die Lauf­zeit er­hielt sie für von ihr ein­ge­zahlte Ra­ten einen Gut­ha­ben­zins­satz von 3 % p. a. bei einem Bau­spar­dar­le­hens­zins­satz von 5 % p. a. Der Ver­trag wurde 1993 zu­tei­lungs­reif.

Nach Zu­tei­lungs­reife stellte die Kläge­rin die re­gelmäßige Zah­lung der Spar­ra­ten ein, ohne ein Bau­spar­dar­le­hen in An­spruch zu neh­men. Im Ja­nuar 2015, also knapp 22 Jahre nach Ein­tritt der Zu­tei­lungs­reife, kündigte die Be­klagte den Bau­spar­ver­trag. Das Bau­spar­gut­ha­ben be­lief sich zu die­sem Zeit­punkt auf ca. 15.000 €; die Bau­spar­summe war also nicht vollständig an­ge­spart.

Das LG wies die ge­gen die Kündi­gung ge­rich­tete Klage ab. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin hob das OLG das Ur­teil auf und gab der Klage statt. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zum BGH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Kündi­gung der be­klag­ten Bau­spar­kasse war un­be­rech­tigt.

Die Be­klagte konnte sich nicht auf die Vor­schrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB be­ru­fen, wo­nach ein Dar­le­hens­neh­mer das Dar­le­hen zehn Jahre nach des­sen vollständi­gem Emp­fang kündi­gen kann. Schließlich ist der Bau­spa­rer nach den All­ge­mei­nen Bau­spar­be­din­gun­gen (§ 5 Abs. 1 ABB) ver­pflich­tet, Re­gel­spar­beiträge bis zur erst­ma­li­gen Aus­zah­lung der Bau­spar­summe zu zah­len. Vor Ende die­ser Pflicht hat die Bau­spar­kasse das als Dar­le­hen an­zu­se­hende Gut­ha­ben nicht vollständig emp­fan­gen. Der Zeit­punkt der Zu­tei­lungs­reife spielt nach den Ver­trags­be­din­gun­gen keine Rolle.

Die ge­setz­li­che Kündi­gungs­vor­schrift ist auch nicht ana­log an­wend­bar. Die über­lange Ver­trags­dauer be­ruhte im vor­lie­gen­den Fall zwar auf der ver­trags­wid­ri­gen Ein­stel­lung der Spar­leis­tun­gen durch die Kläge­rin. Dies muss eine Bau­spar­kasse aber nicht hin­neh­men: Nach den Ver­trags­be­din­gun­gen kann sie die Kläge­rin auf­for­dern, die ver­trag­lich ge­schul­de­ten Spar­beiträge wie­der zu leis­ten. Wird der Auf­for­de­rung nicht Folge ge­leis­tet, hat die Bau­spar­kasse ein (kurz­fris­ti­ges) ver­trag­li­ches Kündi­gungs­recht und es da­durch selbst in der Hand, eine über­lange Bin­dung an den Ver­trags­zins­satz zu ver­hin­dern.

Im Fall der ord­nungs­gemäßen Ver­trags­durchführung wäre die Bau­spar­summe in­ner­halb von zehn Jah­ren ab Zu­tei­lungs­reife vollständig an­ge­spart wor­den. Wenn die Bau­spar­kasse selbst - wie im vor­lie­gen­den Fall (mögli­cher­weise im ei­ge­nen In­ter­esse) - ein fak­ti­sches Ru­hen des Bau­spar­ver­tra­ges er­laubt und ein ver­trag­li­ches Kündi­gungs­recht nicht nutzt, ist sie nicht schutz­bedürf­tig und kann sich nicht später auf eine ana­loge An­wen­dung ei­nes ge­setz­li­chen Kündi­gungs­rechts be­ru­fen.

Die Re­vi­sion zum BGH wurde zu­ge­las­sen, weil die Frage der An­wen­dung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf zu­tei­lungs­reife Bau­spar­verträge grundsätz­li­che Be­deu­tung hat und an­dere OLG eine ge­gen­tei­lige Auf­fas­sung ver­tre­ten.

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