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Zur Abzweigungsberechtigung beim Kindergeld

BFH 18.4.2013, V R 48/11

Nach BFH-Recht­spre­chung sind bei der Ausübung des Er­mes­sens, ob und in wel­cher Höhe das Kin­der­geld an So­zi­al­leis­tungsträger ab­zu­zwei­gen ist, auch ge­ringe Un­ter­halts­leis­tun­gen der El­tern zu berück­sich­ti­gen. Ein So­zi­al­hil­feträger ist grundsätz­lich nicht ab­zwei­gungs­be­rech­tigt, wenn er Leis­tun­gen der Grund­si­che­rung nach §§ 41 ff. SGB XII für ein Kind mit Schwer­be­hin­de­rung zahlt, das im Haus­halt des Kin­der­geld­be­rech­tig­ten un­ter­ge­bracht ist.

Der Sach­ver­halt:
Die Bei­ge­la­dene be­zog Kin­der­geld für ih­ren Sohn, der zu 80% schwer­be­hin­dert ist und in ih­rem Haus­halt lebt. Der kla­gende Land­kreis (So­zi­al­hil­feträger) hatte im Sep­tem­ber 2010 bei der Fa­mi­li­en­kasse die Ab­zwei­gung des Kin­der­gelds aus dem An­spruch der Bei­ge­la­de­nen un­ter Hin­weis auf die von ihm gewährte Grund­si­che­rung bei Er­werbs­min­de­rung i.H.v. da­mals rund 402 € mo­nat­lich be­an­tragt. Hilfs­weise mel­dete er einen Er­stat­tungs­an­spruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 SGB X an. Zur Begründung führte er an, dass gem. § 43 Abs. 2 SGB XII Un­ter­halts­an­sprüche des Kin­des ge­gen seine El­tern bei der Leis­tungs­gewährung un­berück­sich­tigt blei­ben müss­ten, so­fern die El­tern jähr­lich ein Ge­samt­ein­kom­men von un­ter 100.000 € er­ziel­ten. Des­halb sei auch dann eine Ab­zwei­gung möglich, wenn der Kin­der­geld­be­rech­tigte nicht zum Un­ter­halt sei­nes volljähri­gen Kin­des ver­pflich­tet sei, weil das Kind Grund­si­che­rungs­leis­tun­gen nach den §§ 41 ff. SGB XII er­halte.

Die Bei­ge­la­dene teilte der Fa­mi­li­en­kasse hierzu mit, dass die Be­treu­ung ih­res Soh­nes für sie mit einem er­heb­li­chen be­hin­de­rungs­be­ding­ten zusätz­li­chen Auf­wand ver­bun­den sei. Sie wende für ih­ren Sohn mo­nat­lich etwa 4.520 € auf. Zur Be­glei­chung die­ser Kos­ten ver­wende sie das Pfle­ge­geld von 430 €. In­fol­ge­des­sen lehnte die Fa­mi­li­en­kasse den An­trag des Klägers auf Ab­zwei­gung ab und führte zur Begründung an, dass sich für die Bei­ge­la­dene im Durch­schnitt eine mo­nat­li­che Be­las­tung er­gebe, die das mo­nat­li­che Kin­der­geld er­heb­lich über­steige.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion des Klägers blieb vor dem BFH er­folg­los.

Die Gründe:
Die Vor­aus­set­zun­gen für eine Ab­zwei­gung la­gen nicht vor, da jede an­dere Ent­schei­dung als die Ab­leh­nung der Ab­zwei­gung er­mes­sens­wid­rig wäre.

Nach BFH-Recht­spre­chung sind bei der Ausübung des Er­mes­sens, ob und in wel­cher Höhe das Kin­der­geld an So­zi­al­leis­tungsträger ab­zu­zwei­gen ist, auch ge­ringe Un­ter­halts­leis­tun­gen der El­tern zu berück­sich­ti­gen. Sind die Leis­tun­gen min­des­tens so hoch wie das Kin­der­geld, ist eine Ab­zwei­gung nicht er­mes­sens­ge­recht. Eine Ab­zwei­gung schei­det aus, wenn der kin­der­geld­be­rech­tigte El­tern­teil durch Über­nahme ei­nes Kos­ten­bei­trags und durch Gewährung von Un­ter­kunft Un­ter­halts­leis­tun­gen min­des­tens in der Höhe des ge­setz­li­chen Kin­der­geld­be­trags für ein volljähri­ges be­hin­der­tes Kind er­bringt, das nicht voll­sta­tionär un­ter­ge­bracht ist, son­dern sich über Nacht und an freien Ta­gen im Haus­halt des Kin­der­geld­be­rech­tig­ten be­fin­det.

In Übe­rein­stim­mung mit die­ser Recht­spre­chung steht die Dienst­an­wei­sung zur Durchführung des Fa­mi­li­en­leis­tungs­aus­gleichs nach dem X. Ab­schnitt des DA-Fa­mEStG zu § 74 Abs. 1 EStG, bei der es sich um eine Ver­wal­tungs­vor­schrift han­delt, die das der Ver­wal­tung durch § 74 Abs. 1 EStG ein­geräumte Er­mes­sen len­ken soll. Die im Zeit­punkt der Ein­spruchs­ent­schei­dung zu berück­sich­ti­gende XII. DA-Fa­mEStG 2009 zu § 74 EStG in der Fas­sung vom 21.12.2010 ord­nete an, dass grundsätz­lich keine Ab­zwei­gung er­fol­gen kann, wenn ein Kind in den Haus­halt des Be­rech­tig­ten auf­ge­nom­men ist. Ebenso kommt keine Ab­zwei­gung in Be­tracht, wenn der Be­rech­tigte re­gelmäßig Un­ter­halts­leis­tun­gen er­bringt, die den Be­trag des an­tei­li­gen Kin­der­gel­des über­stei­gen. Hieran hat die Ver­wal­tung auch in der Fol­ge­zeit fest­ge­hal­ten.

Der schwer­be­hin­derte Sohn der Bei­ge­la­de­nen lebt in ih­rem Haus­halt. Die Bei­ge­la­dene selbst hat keine Grund­si­che­rungs­leis­tun­gen nach §§ 41 ff. SGB XII er­hal­ten, die dem Kin­der­geld­an­spruch ent­ge­genstünden. Die im Streit­fall nach § 102 FGO nur im Hin­blick auf Er­mes­sens­feh­ler zu überprüfende Ver­wal­tungs­ent­schei­dung er­wies sich da­nach un­ter Berück­sich­ti­gung der er­mes­sens­len­ken­den Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten zu § 74 Abs. 1 EStG als rechtmäßig. Der Kläger konnte sich auch nicht auf § 74 Abs. 1 S. 3 u. 4 EStG be­ru­fen. Selbst wenn zu­guns­ten des Klägers da­von aus­zu­ge­hen wäre, dass sich aus der Gewährung von Grund­si­che­rungs­leis­tun­gen nach §§ 41 ff. SGB XII er­gibt, dass die Bei­ge­la­dene im Um­fang die­ser Grund­si­che­rung "man­gels Leis­tungsfähig­keit nicht un­ter­halts­pflich­tig" ge­we­sen sein sollte, kommt eine Ab­zwei­gung nicht in Be­tracht, so­weit der Kin­der­geld­be­rech­tigte trotz die­ser Grund­si­che­rungs­leis­tun­gen ei­gene Un­ter­halts­leis­tun­gen er­bringt, die der Höhe nach min­des­tens dem Kin­der­geld ent­spre­chen.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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