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Zum Zeitpunkt der Aktivierung eines Vorsteuererstattungsanspruchs

FG Baden-Württemberg 8.7.2013, 6 K 2874/12

Der Steu­er­pflich­tige muss einen vom Fi­nanz­amt bis­lang be­strit­te­nen An­spruch auf Er­stat­tung von Vor­steuer erst dann ge­winn­wirk­sam ak­ti­vie­ren, wenn die Fi­nanz­ver­wal­tung ein ein­schlägi­ges EuGH-Ur­teil in einem Mus­ter­ver­fah­ren im Bun­des­steu­er­blatt veröff­ent­licht und da­mit in gleich­ge­la­ger­ten Fällen für an­wend­bar erklärt hat. Dass die EuGH-Recht­spre­chung der Öff­ent­lich­keit an­der­wei­tig be­kannt­ge­wor­den ist, reicht für die Ak­ti­vie­rung der For­de­rung noch nicht aus, so­lange die Fi­nanz­ver­wal­tung ihre der Ent­ste­hung des Er­stat­tungs­an­spruchs ent­ge­gen­ste­hende Rechts­auf­fas­sung tatsäch­lich noch nicht auf­ge­ge­ben hat.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläge­rin, ei­ner börsen­no­tier­ten Ak­ti­en­ge­sell­schaft, wurde aus An­lass ih­res Börsen­gangs Um­satz­steuer in Rech­nung ge­stellt. Einen An­spruch auf Er­stat­tung die­ser Vor­steuer ver­neinte das Fi­nanz­amt. Zu der 2005 er­gan­ge­nen statt­ge­ben­den Ent­schei­dung des EuGH in einem gleich­ge­la­ger­ten Mus­ter­ver­fah­ren zum öster­rei­chi­schen Um­satz­steu­er­recht ver­trat die Fi­nanz­ver­wal­tung noch im März 2006 die Auf­fas­sung, dass ihr keine un­mit­tel­bare Wir­kung für die Rechts­an­wen­dung in Deutsch­land zu­komme.

Im Ok­to­ber 2006 wurde das EuGH-Ur­teil im Bun­des­steu­er­blatt für all­ge­mein an­wend­bar erklärt. Dar­auf­hin wurde die zu er­stat­tende Vor­steuer im April 2007 ge­genüber der Kläge­rin fest­ge­setzt. Gleich­wohl sollte die Kläge­rin den An­spruch dar­auf nach An­sicht des Fi­nanz­amts be­reits zum 30.9.2006 in ih­rer Bi­lanz als Ak­tiv­pos­ten aus­wei­sen.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Das Ur­teil ist nicht rechtskräftig. Die beim BFH anhängige Re­vi­sion wird dort un­ter dem Az. I R 59/13 geführt.

Die Gründe:
Der An­satz der For­de­rung auf Vor­steu­er­er­stat­tung so­wie des zu­gehöri­gen Zins­an­spruchs zum 30.9.2006 ver­letzt die Kläge­rin in ih­ren Rech­ten. An­spruch und Zin­sen sind erst zum 30.9.2007 zu ak­ti­vie­ren.

Es gilt das sog. Vor­sichts­prin­zip, das einem überhöhten Vermögens­aus­weis be­geg­nen und hier­durch ins­bes. das Schul­den­de­ckungs­po­ten­zial des Un­ter­neh­mens er­hal­ten soll. Es ist auch für un­be­dingt ent­stan­dene und fällige An­sprüche des Kauf­manns zu be­ach­ten und un­ter­wirft de­ren Ak­ti­vie­rung dem zusätz­li­chen Er­for­der­nis, dass der An­spruch hin­rei­chend si­cher sein muss und da­mit ins­bes. vom Schuld­ner (hier: Fi­nanz­amt) nicht (mehr) be­strit­ten wird. Da­nach ist der vor­lie­gende An­spruch auf Er­stat­tung von Vor­steuer so­lange nicht zu ak­ti­vie­ren, wie er vom Fi­nanz­amt be­strit­ten wird und die Fi­nanz­ver­wal­tung ins­ge­samt eine sei­ner Ent­ste­hung ent­ge­gen­ste­hende Rechts­an­sicht ver­tritt.

Der An­spruch muss al­ler­dings dann ge­winn­wirk­sam ak­ti­viert wer­den, wenn die Fi­nanz­ver­wal­tung ein ein­schlägi­ges EuGH-Ur­teil in einem Mus­ter­ver­fah­ren im Bun­des­steu­er­blatt veröff­ent­licht und da­mit in gleich­ge­la­ger­ten Fällen für an­wend­bar erklärt hat. Dass die EuGH-Recht­spre­chung der Öff­ent­lich­keit be­reits zu­vor an­der­wei­tig be­kannt­ge­wor­den ist, reicht für die Ak­ti­vie­rung der For­de­rung noch nicht aus, so­lange die Fi­nanz­ver­wal­tung ihre der Ent­ste­hung des Er­stat­tungs­an­spruchs ent­ge­gen­ste­hende Rechts­auf­fas­sung tatsäch­lich noch nicht auf­ge­ge­ben hat.

Nach die­sen Grundsätzen wa­ren vor­lie­gend der Vor­steu­er­er­stat­tungs­an­spruch so­wie die hier­aus re­sul­tie­ren­den Er­stat­tungs­zin­sen erst zum 30.9.2007 zu ak­ti­vie­ren und nicht be­reits zum 30.9.2006. Die Fi­nanz­ver­wal­tung ver­trat zum 30.9.2006 ins­ge­samt eine der Ent­ste­hung ei­nes Er­stat­tungs­an­spruchs ent­ge­gen­ste­hende Rechts­auf­fas­sung. Die Ver­laut­ba­run­gen ge­genüber der Be­klag­ten im März 2006 stel­len ein Be­strei­ten des Vor­steu­er­er­stat­tungs­an­spruchs dar, so dass nach dem Vor­sichts­prin­zip von einem Vermögens­aus­weis Ab­stand zu neh­men war.

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