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Zum Vorkaufsrecht des Mieters beim Verkauf eines ungeteilten Mietshauses

BGH 22.11.2013, V ZR 96/12

Das Vor­kaufs­recht des Mie­ters gem. § 577 Abs. 1 BGB ent­steht grundsätz­lich nicht, wenn ein mit einem Mehr­fa­mi­li­en­haus be­bau­tes Grundstück ver­kauft wird und erst die Er­wer­ber durch Tei­lungs­ver­ein­ba­rung gem. § 3 WEG Woh­nungs­ei­gen­tum begründen. Das gilt in der Re­gel auch dann, wenn die Er­wer­ber be­ab­sich­ti­gen, die neu ge­schaf­fe­nen Ein­hei­ten je­weils selbst zu nut­zen (sog. "Er­wer­ber­mo­dell").

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte war Ei­gentüme­rin ei­nes mit einem Mehr­fa­mi­li­en­haus be­bau­ten Grundstücks. Eine der vier in dem Gebäude vor­han­de­nen Woh­nun­gen ver­mie­tete sie an die Kläge­rin. Nach­dem das zuständige Land­rats­amt die Ab­ge­schlos­sen­heits­be­schei­ni­gung er­teilt hatte, ver­kaufte die Be­klagte den un­ge­teil­ten Grund­be­sitz im März 2009 an drei Er­wer­ber zum Preis von 120.000 €.

Diese ließen noch am glei­chen Tag und bei dem­sel­ben No­tar eine Tei­lungs­ver­ein­ba­rung gem. § 3 WEG be­ur­kun­den. Mit Erklärung vom 14.3.2011 übte die Kläge­rin ge­genüber der Be­klag­ten das auf § 577 Abs. 1 S. 1 BGB gestützte Vor­kaufs­recht aus. Mit ih­rer Klage will sie fest­stel­len las­sen, dass zwi­schen ihr und der Be­klag­ten ein Kauf­ver­trag über die von ihr ge­mie­tete Woh­nung zum Preis von 30.000 € zu­stande ge­kom­men ist.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das Vor­kaufs­recht ent­steht bei dem Ver­kauf ei­nes un­ge­teil­ten Grundstücks vor Begründung des Woh­nungs­ei­gen­tums im Grund­satz nur dann, wenn sich der Veräußerer ge­genüber den Er­wer­bern ver­trag­lich ver­pflich­tet, sei­ner­seits die Auf­tei­lung gem. § 8 WEG durch­zuführen. Darüber hin­aus muss die von dem Vor­kaufs­recht er­fasste zukünf­tige Woh­nungs­ei­gen­tum­sein­heit in dem Ver­trag be­reits hin­rei­chend be­stimmt oder zu­min­dest be­stimm­bar sein. Da­ge­gen ist es re­gelmäßig nicht aus­rei­chend, wenn - wie hier - die Er­wer­ber die Tei­lung durchführen. Das Vor­kaufs­recht gem. § 577 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB soll nämlich nicht zum Er­werb des ge­sam­ten Grundstücks be­rech­ti­gen.

Der Mie­ter soll auch kei­nen bloßen Mit­ei­gen­tums­an­teil, son­dern das in sei­ner Ent­ste­hung be­reits an­ge­legte Ei­gen­tum an der von ihm ge­mie­te­ten Woh­nung er­wer­ben können. Weil das Vor­kaufs­recht einen Ver­trag zwi­schen dem Mie­ter und dem Verkäufer nach den Be­din­gun­gen des mit den Er­wer­bern ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags ent­ste­hen lässt, muss sich der Verkäufer ge­genüber den Er­wer­bern ver­pflich­te­tet ha­ben, die Auf­tei­lung vor­zu­neh­men. Nur dann ist si­cher­ge­stellt, dass der Mie­ter tatsäch­lich Woh­nungs­ei­gen­tum er­wer­ben kann. Bei ei­ner Auf­tei­lung durch die Er­wer­ber ist dies nicht gewähr­leis­tet. Wollte man auch hier ein Vor­kaufs­recht an­neh­men, könnte der Mie­ter zunächst al­len­falls einen Mit­ei­gen­tums­an­teil an dem un­ge­teil­ten Grund­be­sitz er­wer­ben. In eine Tei­lungs­ver­ein­ba­rung der Er­wer­ber träte er aus Rechtsgründen nicht ein.

Folg­lich könn­ten die Er­wer­ber ihre Auf­tei­lungs­ab­sicht auf­ge­ben, ohne dass der Mie­ter dies ver­hin­dern könnte; dies wäre für ihn mit ganz er­heb­li­chen fi­nan­zi­el­len und recht­li­chen Ri­si­ken ver­bun­den. Die Ge­fahr ei­ner Verdrängung des Mie­ters ist bei dem Er­wer­ber­mo­dell im Übri­gen in­zwi­schen ver­min­dert wor­den, weil der Ge­setz­ge­ber die Sperre für die Kündi­gung we­gen Ei­gen­be­darfs durch die am 1.5.2013 in Kraft ge­tre­tene Vor­schrift des § 577a Abs. 1a BGB auf die Veräußerung an eine Er­wer­ber­mehr­heit er­streckt hat.

Im Ein­zel­fall kann das Vor­kaufs­recht al­ler­dings ent­ste­hen, wenn ein Rechts­miss­brauch fest­zu­stel­len ist. Dies setzt vor­aus, dass die Par­teien des Kauf­ver­trags nur zur Aus­schal­tung des Vor­kaufs­rechts be­wusst auf eine an sich be­ab­sich­tigte Tei­lung durch den Veräußerer ver­zich­ten und die Tei­lung den Er­wer­bern über­las­sen. Hier hat das OLG je­doch fest­ge­stellt, dass die Verkäuferin über die bloße Kennt­nis von der Ab­sicht der Er­wer­ber hin­aus kein ei­ge­nes In­ter­esse an der Auf­tei­lung hatte; ihre Kennt­nis reicht als sol­che nicht aus, um einen Recht­miss­brauch an­zu­neh­men.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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