Hintergrund:
Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 bestimmt die Zuständigkeit der Gerichte in Zivil- und Handelssachen. Grundsätzlich sind danach die Gerichte des Staates zuständig, in dem der Beklagten seinen Wohnsitz hat. In bestimmten Fällen kann jedoch bei den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats Klage erhoben werden. So hat bei Verbraucherverträgen der Verbraucher auch die Wahlmöglichkeit, die Klage bei dem Gericht seines Wohnsitzes zu erheben, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen muss der Gewerbetreibende seine beruflichen oder gewerblichen Tätigkeiten im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausüben oder sie auf irgendeinem Wege (etwa über das Internet) auf diesen Mitgliedstaat ausrichten und zum anderen muss der streitige Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeiten fallen.
Der Beklagte betreibt in Spichern (Frankreich), einem Ort nahe der deutschen Grenze, einen Gebrauchtwagenhandel. Er unterhielt eine Internetseite, auf der französische Telefonnummern und eine deutsche Mobilfunknummer, jeweils mit internationaler Vorwahl, angegeben waren. Der Kläger, der seinen Wohnsitz in Saarbrücken hat und über Bekannte (und nicht über diese Internetseite) von dem Unternehmen des Beklagten erfahren hatte, begab sich dorthin und kaufte einen Gebrauchtwagen.
In der Folge machte der Kläger vor dem AG Saarbrücken Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Beklagten geltend. Der Kläger vertrat dabei die Auffassung, das AG sei nach der Verordnung Nr. 44/2001 für eine solche Klage zuständig. Aus der Gestaltung der Internetseite des Beklagten folge, dass dessen gewerbliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet sei.
Das AG wies die Klage hingegen als unzulässig ab. Das LG ist demgegenüber der Ansicht, dass die gewerbliche Tätigkeit des Beklagten auf Deutschland ausgerichtet war. Da sich das LG jedoch fragte, ob im vorliegenden Fall das zum Ausrichten der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers eingesetzte Mittel - hier: die Internetseite - für den Vertragsschluss mit diesem Verbraucher kausal sein müsse, setzte es das Verfahren aus und legte dem EuGH entsprechende Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Die Gründe:
Der Wortlaut der Verordnung verlangt nicht ausdrücklich eine solche Kausalität. Der EuGH hat zudem bereits entschieden, dass die entscheidende Voraussetzung für die Anwendung der in Rede stehenden Vorschrift die auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtete berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ist. Eine zusätzliche, nicht in der Verordnung vorgesehene Voraussetzung eines Kausalzusammenhangs liefe dem mit dieser Verordnung verfolgten Ziel zuwider, das im Schutz der Verbraucher besteht, die bei Verträgen mit einem Gewerbetreibenden als schwächere Vertragspartei gelten.
Das Erfordernis der vorherigen Konsultierung einer Internetseite durch den Verbraucher könnte Beweisschwierigkeiten mit sich bringen, gerade wenn, wie im vorliegenden Fall, der Vertrag nicht im Fernabsatz über diese Internetseite geschlossen worden ist. Die Schwierigkeiten, die mit dem Beweis der Kausalität verbunden sind, könnten die Verbraucher davon abhalten, die nationalen Gerichte ihres Wohnsitzes anzurufen, wodurch der mit der Verordnung erstrebte Schutz der Verbraucher geschwächt würde. Demzufolge muss nach der Verordnung das zum Ausrichten der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers eingesetzte Mittel - hier: die Internetseite - nicht kausal sein für den Vertragsschluss mit diesem Verbraucher.
Allerdings kann dieser Kausalzusammenhang, auch wenn er keine Voraussetzung ist, dennoch ein Anhaltspunkt sein, den der nationale Richter bei der Feststellung berücksichtigen kann, ob die Tätigkeit tatsächlich auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist. Der EuGH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits eine nicht erschöpfende Liste von Indizien aufgestellt hat, die einem nationalen Gericht bei der Beurteilung dieser Frage helfen können. Zu diesen Indizien gehören etwa die "Aufnahme von Fernkontakt" und der "Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz".
Das vorlegende Gericht wird demnach unter Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen der in Rede stehende Verbrauchervertrag geschlossen wurde, zu entscheiden haben, ob aufgrund des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Indizien - unabhängig davon, ob sie auf der vom EuGH erstellten nicht erschöpfenden Liste von Indizien stehen - die für die Verbraucher günstige besondere Zuständigkeit gegeben ist.
Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.