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Steuerberatung

Zum Begriff der wirtschaftlichen Verflechtung

FG München 13.9.2018, 3 K 949/16

Das FG München hat sich vor­lie­gend mit der Frage der wirt­schaft­li­chen Ein­glie­de­rung ei­ner Film­pro­duk­ti­ons­firma in das Un­ter­neh­men ei­ner GmbH be­fasst. Da­bei hat es sich ins­be­son­dere mit der Kon­kre­ti­sie­rung des Be­griffs der wirt­schaft­li­chen Ver­flech­tung aus­ein­an­der­ge­setzt.

Der Sach­ver­halt:

Strei­tig ist, ob die Kläge­rin in das Un­ter­neh­men der M-GmbH wirt­schaft­lich ein­ge­glie­dert ist. Sat­zungsmäßiger Ge­gen­stand des Un­ter­neh­mens der Kläge­rin sind u.a. die Pro­duk­tion von Funk­wer­be­spots und die Syn­chro­ni­sa­tion bzw. Ver­to­nung von Film- und Vi­deo­ma­te­rial; zu ih­ren ein­zel­ver­tre­tungs­be­rech­tig­ten Ge­schäftsführern wa­ren in den Streit­jah­ren G und A be­stellt. Sat­zungsmäßiger Ge­gen­stand des Un­ter­neh­mens der M-GmbH wa­ren der Han­del mit so­wie die Ver­mie­tung von elek­tro­ni­schen und elek­tro­tech­ni­schen Geräten al­ler Art und Be­tei­li­gung an an­de­ren Un­ter­neh­men al­ler Art so­wie Hal­ten und Ver­wal­ten sol­cher Be­tei­li­gun­gen. Die M-GmbH, zu de­ren ein­zel­ver­tre­tungs­be­rech­tig­ten Ge­schäftsführern in den Streit­jah­ren G und W be­stellt wa­ren, hielt zunächst 80 % und ab Au­gust 2007 dann 100 % der Ge­sell­schafts­an­teile an der Kläge­rin.

Im Juni 2003 schlos­sen die Kläge­rin und die M-GmbH einen Be­herr­schungs- und Ge­winn­abführungs­ver­trag. Die Kläge­rin ging für die Streit­jahre da­von aus, dass sie als Or­gan­ge­sell­schaft in das Un­ter­neh­men der M-GmbH ein­ge­glie­dert sei. Mit Ver­ein­ba­rung zwi­schen der Kläge­rin, der M-GmbH, der P-GmbH so­wie der PM-GmbH von Juli 2007 ver­pflich­te­ten sich diese Ver­trags­part­ner, un­ter­ein­an­der im Wege von Bu­chun­gen auf Ver­rech­nungs­kon­ten Dar­le­hen zu gewähren zu einem Zins­satz von 2 % p.a. über dem je­weils gülti­gen Ba­sis­zins­satz. Die Höhe der von der M-GmbH gewähr­ten Dar­le­hen be­lief sich auf die Beträge von rd. 66.000 € (2006), 128.000 € (2007), 170.000 € (2008) so­wie 253.000 € (2009). Die von der Kläge­rin hierfür ge­schul­de­ten Zin­sen be­lie­fen sich auf die Beträge von rd. 2.100 € (2007), 9.300 € (2008) so­wie 4.900 € (2009).

Zu­dem über­nah­men die M-GmbH so­wie ihre Ge­schäftsführer Bürg­schaf­ten für Bank­dar­le­hen und Dis­po­kre­dite der Kläge­rin. Hier­bei han­delte es sich im Ein­zel­nen um eine selbst­schuld­ne­ri­sche Höchst­be­tragsbürg­schaft der M-GmbH i.H.v. 200.000 € für das An­nuitäten­dar­le­hen der Bank an die Kläge­rin von No­vem­ber 2006 (über den Be­trag von 200.000 €), eine selbst­schuld­ne­ri­sche Höchst­be­tragsbürg­schaft der M-GmbH so­wie ih­rer Ge­schäftsführer je­weils i.H.v. 205.700 € für einen Dis­po­si­ti­ons­kre­dit der Bank an die Kläge­rin von Juli 2008 (über die­sen Be­trag), eine selbst­schuld­ne­ri­sche Höchst­be­tragsbürg­schaft der M-GmbH i.H.v. 200.000 € so­wie ih­rer Ge­schäftsführer (je­weils i.H.v. 100.000 €) für den Dis­po­si­ti­ons­kre­dit der vom 2.5.2008 (über den Be­trag von 200.000 €) so­wie eine selbst­schuld­ne­ri­sche Bürg­schaft der M-GmbH so­wie ih­rer Ge­schäftsführer für die For­de­run­gen der L-GmbH & Co. KG auf­grund ei­nes Lea­sing­ver­trags von Ja­nuar 2007. Hier­bei wurde kein Ent­gelt für die Bürg­schafts­gewährung ver­ein­bart.

Die Kläge­rin veräußerte Ge­genstände ih­res An­la­ge­vermögens mit Rech­nung vom 4.12.2006 für den Be­trag von 242.200 € an die MD-GmbH. Fer­ner veräußerte sie wei­tere Ge­genstände ih­res An­la­ge­vermögens mit Rech­nung vom 6.12.2006 für den Be­trag 27.500 € an GG-GmbH. Die bei­den Un­ter­neh­men veräußer­ten diese Ge­genstände an die M-GmbH, die sie mit Rech­nung vom 21.12.2006 an die Firma L-GmbH & Co. KG wei­ter­veräußerte. Die Firma L-GmbH & Co. KG ver­leaste diese Ge­genstände wie­derum an die Kläge­rin zurück. Mit Be­schluss des AG München - In­sol­venz­ge­richt - vom 23.4.2014 wurde das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der M-GmbH eröff­net. Im An­schluss an eine vom Fi­nanz­amt für die Streit­jahre durch­geführte Außenprüfung setzte das Fi­nanz­amt die Um­satz­steuer für die Streit­jahre erst­ma­lig mit Be­schei­den fest und ver­wies zur Begründung auf den Prüfungs­be­richt. Dort wurde aus­geführt, dass zwi­schen der Kläge­rin und der M-GmbH man­gels wirt­schaft­li­cher Ein­glie­de­rung keine Or­gan­schaft be­stehe.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde zur Fort­bil­dung des Rechts zu­ge­las­sen.

Die Gründe:

Die Kläge­rin ist nicht in das Un­ter­neh­men der M GmbH ein­ge­glie­dert

Un­ter­neh­mer ist gem. § 2 UStG, wer eine ge­werb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit selbständig ausübt. Die ge­werb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit wird gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine ju­ris­ti­sche Per­son nach dem Ge­samt­bild der tatsäch­li­chen Verhält­nisse fi­nan­zi­ell, wirt­schaft­lich und or­ga­ni­sa­to­ri­sch in das Un­ter­neh­men des Or­ganträgers ein­ge­glie­dert ist (Or­gan­schaft). Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG er­for­der­li­che Ein­glie­de­rung in ein an­de­res Un­ter­neh­men setzt ein Verhält­nis der Über- und Un­ter­ord­nung zwi­schen ei­ner Or­gan­ge­sell­schaft als "un­ter­ge­ord­ne­ter Per­son" und dem sog. Or­ganträger vor­aus. Die Ein­glie­de­rungs­vor­aus­set­zun­gen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die­nen der Fest­stel­lung, ob das für die Or­gan­schaft er­for­der­li­che Über- und Un­ter­ord­nungs­verhält­nis vor­liegt, das zur Ver­schmel­zung zu nur einem ein­zi­gen Steu­er­pflich­ti­gen führt.

Zwar war die Kläge­rin or­ga­ni­sa­to­ri­sch und fi­nan­zi­ell in das Un­ter­neh­men der M GmbH ein­ge­glie­dert. Es fehlt je­doch an ei­ner wirt­schaft­li­chen Ein­glie­de­rung. We­der die Gewährung von Dar­le­hen noch die Über­nahme von Bürg­schaf­ten oder das Sale-and-Lease-back-Ge­schäft begründen eine wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung der Kläge­rin in das Un­ter­neh­men der M GmbH. Zwar kann eine Ein­glie­de­rung trotz­dem an­zu­neh­men sein, wenn das Vor­lie­gen ei­nes der drei Merk­male nur zwei­fel­haft oder we­ni­ger stark ist, die bei­den an­de­ren Vor­aus­set­zun­gen je­doch erfüllt sind. Es reicht je­doch nicht aus, wenn nur zwei der drei Merk­male vor­lie­gen. Im Streit­fall liegt das Merk­mal der wirt­schaft­li­chen Ein­glie­de­rung je­doch al­len­falls in sehr schwach aus­geprägter Form vor. Al­lein die fi­nan­zi­elle Un­terstützung der Kläge­rin durch die M-GmbH be­wirkt noch keine wirt­schaft­li­che Ver­flech­tung der Un­ter­neh­mens­be­rei­che die­ser bei­den Un­ter­neh­men.

Es ist höchstrich­ter­lich fest­ge­stellt, dass sich die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor­ge­nom­mene Aus­le­gung der wirt­schaft­li­chen Ein­glie­de­rung im Rah­men des Art. 4 Abs. 4 Un­ter­abs. 2 der Richt­li­nie 77/388/EWG hält. Durch den Überg­ang von Art. 4 Abs. 4 Un­ter­abs. 2 der Richt­li­nie 77/388/EWG zu dem ab 2007 gel­ten­den Art. 11 MwSt­Sys­tRL ist es nicht zu in­halt­li­chen Ände­run­gen des Uni­ons­rechts ge­kom­men. Die Kläge­rin kann sich ge­genüber den in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf­geführ­ten na­tio­na­len Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen ei­ner Or­gan­schaft auch nicht auf Art. 4 Abs. 4 Un­ter­abs. 2 der Richt­li­nie 77/388/EWG (nun­mehr: Art. 11 MwSt­Sys­tRL) be­ru­fen und die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Ein­glie­de­rung be­stim­men sich vor­lie­gend auch nicht nach der Vor­schrift des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Die Kläge­rin kann sich schließlich auch nicht auf Ver­trau­ens­schutz be­ru­fen. Auch so­fern das Fi­nanz­amt im Rah­men ei­ner Be­triebsprüfung für die Vor­jahre die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner um­satz­steu­er­li­chen Or­gan­schaft be­jaht ha­ben mag, so hat dies nach dem Grund­satz der Ab­schnitts­be­steue­rung keine Aus­wir­kung auf die Streit­jahre.

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