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Versagung der Tarifbegrenzung gem. § 32c EStG a.F. nach Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheids

BFH 4.2.2016, III R 12/14

Wird der Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid auf­grund ei­nes Rechts­be­helfs auf­ge­ho­ben, weil der Steu­er­pflich­tige eine selbständige Tätig­keit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausübt, ist das Fi­nanz­amt nach § 174 Abs. 4 AO im Grund­satz be­rech­tigt, den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid durch Ver­sa­gung der Ta­rif­be­gren­zung gem. § 32c EStG a.F. zu ändern.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist Rechts­an­walt und vor­wie­gend in der In­sol­venz­ver­wal­tung tätig. Er war im Jahr 1998 zu­sam­men mit sei­ner da­ma­li­gen Ehe­frau und in den Jah­ren 1999 und 2000 ein­zeln zur Ein­kom­men­steuer ver­an­lagt wor­den und übte seine Tätig­keit als Rechts­an­walt und In­sol­venz­ver­wal­ter in den Streit­jah­ren 1998 bis 2000 in ei­ner Ein­zel­kanz­lei mit Zweig­stel­len aus. Im Jahr 1998 be­schäftigte er durch­ge­hend zwei, in den Jah­ren 1999 und 2000 drei Rechts­anwälte so­wie fort­lau­fend einen Hoch­schul­in­ge­nieuröko­nom, fünf bis sie­ben Fachkräfte und ei­nige Hilfskräfte. Die Einkünfte aus die­ser Tätig­keit erklärte er in den Ein­kom­men­steu­er­erklärun­gen für die Streit­jahre un­ter der Be­rufs­an­gabe "Rechts­an­walt/Kon­kurs­ver­wal­ter" ins­ge­samt als Einkünfte aus selbständi­ger Ar­beit.

In den un­ter dem Vor­be­halt der Nachprüfung er­gan­ge­nen Ein­kom­men­steu­er­be­schei­den für diese Jahre setzte das Fi­nanz­amt die Einkünfte zunächst erklärungs­gemäß als sol­che aus selbständi­ger Ar­beit gem. § 18 EStG an. Nach ei­ner Außenprüfung kam die Steu­er­behörde zu dem Er­geb­nis, dass der Kläger aus sei­ner Tätig­keit als In­sol­venz­ver­wal­ter ge­werb­li­che Einkünfte i.S.d. § 15 EStG er­zielt habe und er­ließ erst­mals Be­scheide über den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag 1998 bis 2000; es er­fasste die Einkünfte des Klägers aus der In­sol­venz­ver­wal­tertätig­keit als Ge­winn aus Ge­wer­be­be­trieb. Ebenso er­ließ es Ein­kom­men­steuer-Ände­rungs­be­scheide für 1998 bis 2000 und hob zu­gleich die Vor­be­halte der Nachprüfung auf. Die Einkünfte des Klägers aus der In­sol­venz­ver­wal­tertätig­keit wur­den nun­mehr als sol­che aus Ge­wer­be­be­trieb nach § 15 EStG er­fasst. Zu­dem gewährte das Fi­nanz­amt für diese Einkünfte eine Ta­rif­be­gren­zung für ge­werb­li­che Einkünfte gem. § 32c EStG a.F.

Nach­dem das FG die ge­gen die Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheide ge­rich­tete Klage ab­ge­wie­sen hatte, gab der BFH der Re­vi­sion des Klägers statt und hob das Ur­teil so­wie die Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheide 1998 bis 2000 auf. Der BFH führte aus, die Einkünfte des Klägers aus sei­ner Tätig­keit als In­sol­venz­ver­wal­ter seien zu Un­recht we­gen der Be­tei­li­gung fach­lich vor­ge­bil­de­ter An­ge­stell­ter als ge­werb­lich an­ge­se­hen und des­halb der Ge­wer­be­steuer un­ter­wor­fen wor­den. Die Einkünfte seien als sol­che aus sons­ti­ger selbständi­ger Tätig­keit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu er­fas­sen und un­terlägen nicht der Ge­wer­be­steu­er­pflicht. An der Recht­spre­chung zur sog. Ver­vielfälti­gungs­theo­rie werde im An­wen­dungs­be­reich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht länger fest­ge­hal­ten.

Dar­auf­hin hob das Fi­nanz­amt die Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheide 1998 bis 2000 auf und er­ließ geänderte Ein­kom­men­steu­er­be­scheide, die auf § 174 Abs. 4 AO gestützt wur­den. In die­sen Be­schei­den wur­den die Einkünfte des Klägers aus der In­sol­venz­ver­wal­tertätig­keit als sol­che aus selbständi­ger Ar­beit er­fasst und die zu­vor gewährte Ta­rif­be­gren­zung für ge­werb­li­che Einkünfte nach § 32c EStG a.F. ver­sagt. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage blieb in al­len In­stan­zen er­folg­los.

Gründe:
Die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des § 174 Abs. 4 S. 1 AO sind erfüllt. Die Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheide 1998 bis 2000 wa­ren auf­grund ei­ner ir­ri­gen Be­ur­tei­lung er­gan­gen. Eine sol­che liegt vor, wenn sich die Be­ur­tei­lung ei­nes be­stimm­ten Sach­ver­halts nachträglich als un­rich­tig er­weist. Da­bei ist un­er­heb­lich, ob der für die rechts­ir­rige Be­ur­tei­lung ursäch­li­che Feh­ler im Tatsäch­li­chen oder im Recht­li­chen liegt. Den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­schei­den 1998 bis 2000 lag die ir­rige Rechts­an­sicht zu­grunde, die Tätig­keit des Klägers als In­sol­venz­ver­wal­ter sei we­gen der Be­tei­li­gung fach­lich vor­ge­bil­de­ter An­ge­stell­ter als ge­werb­lich zu qua­li­fi­zie­ren. Tatsäch­lich hatte der Kläger nämlich nicht der Ge­wer­be­steuer un­ter­lie­gende Einkünfte aus sons­ti­ger selbständi­ger Ar­beit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG er­zielt.

In­fol­ge­des­sen war das Fi­nanz­amt nach § 174 Abs. 4 S. 1 AO be­rech­tigt, die auf der ir­ri­gen An­nahme der Er­zie­lung ge­werb­li­cher Einkünfte be­ru­hen­den Ein­kom­men­steu­er­be­scheide 1998 bis 2000 zu ändern und die rich­ti­gen steu­er­li­chen Fol­ge­run­gen aus dem Sach­ver­halt durch Ver­sa­gung der Ta­rif­be­gren­zung nach § 32c EStG a.F. zu zie­hen. Wird der Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid auf­grund ei­nes Rechts­be­helfs auf­ge­ho­ben, weil der Steu­er­pflich­tige eine selbständige Tätig­keit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausübt, ist das Fi­nanz­amt nach § 174 Abs. 4 AO im Grund­satz be­rech­tigt, den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid durch Ver­sa­gung der Ta­rif­be­gren­zung gem. § 32c EStG a.F. zu ändern.

In die­sem Fall be­ru­hen beide steu­er­li­chen Fol­ge­run­gen - so­wohl die Auf­he­bung des Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheids als auch die Ver­sa­gung der Ta­rif­be­gren­zung nach § 32c EStG a.F. - auf der recht­li­chen Qua­li­fi­ka­tion der vom Steu­er­pflich­ti­gen ausgeübten Tätig­keit und da­mit auf dem glei­chen "be­stimm­ten Sach­ver­halt" i.S.d. § 174 Abs. 4 S. 1 AO. We­der der Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid noch der Ge­wer­be­steu­er­be­scheid sind Grund­la­gen­be­scheide für die Ta­rif­be­gren­zung nach § 32c EStG a.F.

Die Ände­rung der Ein­kom­men­steu­er­be­scheide 1998 bis 2000 war nicht we­gen Ab­laufs der Fest­set­zungs­verjährung aus­ge­schlos­sen. Ei­ner Ände­rung stan­den auch sons­tige Gründe nicht ent­ge­gen.

Link­hin­weis:

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