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Umsätze aus Warenlieferungen an inländischen Standort sind Inlandsumsätze

BGH 21.1.2014, KVR 38/13

Umsätze aus Wa­ren­lie­fe­run­gen, die nach Ab­spra­che un­mit­tel­bar an einen inländi­schen Stand­ort er­fol­gen, sind als In­lands­umsätze zu qua­li­fi­zie­ren. Dies gilt auch dann, wenn die Ent­schei­dung über den Lie­fer­auf­trag von ei­ner im Aus­land ansässi­gen Ein­kaufs­or­ga­ni­sa­tion ei­nes mul­ti­na­tio­na­len Un­ter­neh­mens ge­trof­fen wird.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­trof­fene zu 1) gehört zu einem Kon­zern, des­sen An­teile von ei­ner Pri­vat­stif­tung ge­hal­ten wer­den, und ist welt­weit in der Her­stel­lung und dem Ver­trieb von Fa­ser­ma­te­rial aus Zel­lu­lose (Vis­kose) tätig. Die Be­trof­fene zu 1) pro­du­ziert sol­che Fa­sern für den tex­ti­len Be­reich, fer­tigt und ver­treibt aber auch Vis­ko­se­ma­te­rial, das für die Her­stel­lung von Tam­pons Ver­wen­dung fin­det. Die Be­trof­fene zu 2) be­schäftigt sich eben­falls mit der Her­stel­lung und dem Ver­trieb von Vis­kose, die u.a. auch für die Pro­duk­tion von Tam­pons ge­eig­net ist.

Sämt­li­che An­teile an der Be­trof­fe­nen zu 2) hält eine GmbH. De­ren Ober­ge­sell­schaft ist eine Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft mbH, an der die Be­trof­fene zu 1) mit 45 Pro­zent be­tei­ligt ist. Die Be­trof­fene zu 1) be­ab­sich­tigt, von der GmbH 90 Pro­zent der An­teile an der Be­trof­fe­nen zu 2) zu er­wer­ben. Die Be­trof­fe­nen mel­de­ten im Mai 2012 den be­ab­sich­tig­ten An­teil­ser­werb an und stell­ten sich da­bei auf den Stand­punkt, das Vor­ha­ben be­treffe nur einen Ba­ga­tell­markt.

Das Bun­des­kar­tell­amt un­ter­sagte den Zu­sam­men­schluss im No­vem­ber 2012. Es sei zu er­war­ten, dass der Zu­sam­men­schluss eine markt­be­herr­schende Stel­lung der Be­trof­fe­nen auf dem min­des­tens eu­ro­pa­wei­ten Markt für Tam­pon­fa­ser­ma­te­rial begründe bzw. verstärke. Der Zu­sam­men­schluss sei kon­troll­pflich­tig, weil die be­tei­lig­ten Un­ter­neh­men die Um­satz­schwel­len nach § 35 Abs. 1 und 2 GWB a.F. über­schrit­ten. Für die An­wen­dung der Ba­ga­tell­markt­klau­sel (§ 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB a.F.) seien nicht le­dig­lich die Umsätze mit Tam­pon­fa­ser­ma­te­rial i.H.v. 9,6 Mio. € zu berück­sich­ti­gen, die die Be­trof­fe­nen mit Kun­den er­ziel­ten, die ih­ren Sitz in Deutsch­land ha­ben und bei de­nen Lie­fer- und Rech­nungs­adresse übe­rein­stimm­ten.

Viel­mehr seien auch die Umsätze von rd. 10 Mio. € ein­zu­be­zie­hen, die die Be­trof­fe­nen im Jahr 2011 mit John­son & John­son aus Lie­fe­rung von Tam­pon­fa­ser­ma­te­rial an de­ren Pro­duk­ti­onsstätte in Wup­per­tal er­zielt ha­ben. Dem stehe nicht ent­ge­gen, dass der Ein­kauf die­ser Ware durch die für den zen­tra­len Ein­kauf von John­son & John­son zuständige Ci­lag GmbH In­ter­na­tio­nal mit Sitz in der Schweiz er­folge. Maßgeb­lich sei, dass die Ware ver­ein­ba­rungs­gemäß im Wege des Stre­cken­ge­schäfts di­rekt nach Wup­per­tal ge­lie­fert werde. Da­her seien die ent­spre­chen­den Umsätze als inländi­sche Umsätze zu qua­li­fi­zie­ren.

Die Be­schwerde der Be­trof­fe­nen ge­gen die­sen Be­schluss blieb vor dem OLG ohne Er­folg. Die Rechts­be­schwerde der Be­trof­fe­nen hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das Zu­sam­men­schluss­vor­ha­ben ist kon­troll­pflich­tig.

Die Vor­aus­set­zun­gen der Ba­ga­tell­markt­klau­sel des § 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB a.F. lie­gen nicht vor. Nach die­ser Re­ge­lung fin­den die Vor­schrif­ten über die Zu­sam­men­schluss­kon­trolle keine An­wen­dung, wenn ein Markt be­trof­fen ist, auf dem seit min­des­tens fünf Jah­ren Wa­ren oder ge­werb­li­che Leis­tun­gen an­ge­bo­ten wer­den und auf dem im letz­ten Ka­len­der­jahr we­ni­ger als 15 Mio. € um­ge­setzt wur­den. Diese Um­satz­schwelle ist vor­lie­gend über­schrit­ten. Für die An­wen­dung der Ba­ga­tell­markt­klau­sel kommt es al­lein auf die im In­land er­ziel­ten Umsätze an. Im Streit­fall liegt der im In­land er­zielte Um­satz be­reits auf dem Markt für Tam­pon­fa­ser­ma­te­rial aus Vis­kose über 15 Mio. €.

Die zur An­wen­dung von § 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB a.F. er­for­der­li­che Markt­ab­gren­zung setzt eine geo­gra­phi­sche Zu­ord­nung von Umsätzen vor­aus. Um inländi­schen Um­satz han­delt es sich auch dann, wenn die Ein­kaufs­or­ga­ni­sa­tion ei­nes mul­ti­na­tio­na­len Un­ter­neh­mens im Aus­land ansässig ist, die von ihr ge­or­derte Ware aber nicht an de­ren Sitz ver­bracht und an­schließend vom Käufer ver­teilt, son­dern ver­ein­ba­rungs­gemäß di­rekt an den deut­schen Stand­ort ge­lie­fert wird. Auch in die­sem Fall ist für die geo­gra­phi­sche Zu­ord­nung des Um­sat­zes maßgeb­lich, wo der Be­darf be­steht, der durch die zu lie­fernde Ware ge­deckt wer­den soll. Der Um­satz ist da­her nicht dem Land zu­zu­ord­nen, in dem die Ein­kaufs­or­ga­ni­sa­tion ih­ren Sitz hat, son­dern dem Land, für das die Wa­ren be­stimmt sind.

Diese Zu­ord­nung ist sach­ge­recht, weil die für den Wett­be­werb er­heb­li­chen Umstände durch die Verhält­nisse am Ort der Lie­fe­rung be­stimmt wer­den. Dem­zu­folge sind Umsätze aus Wa­ren­lie­fe­run­gen, die ab­spra­che­gemäß di­rekt an einen Stand­ort im In­land er­fol­gen, un­ge­ach­tet des­sen, dass die Ent­schei­dung über das An­ge­bot im Aus­land, am Sitz des Zen­tral­ein­kaufs, ge­trof­fen wird, als In­lands­umsätze zu qua­li­fi­zie­ren. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Rechts­be­schwerde sind mit­hin auch die wei­te­ren Umsätze i.H.v. rd. 10 Mio. €, die die Be­trof­fe­nen im Jahr 2011 aus Lie­fe­run­gen von Vis­ko­se­fa­sern für die Her­stel­lung von Tam­pons an den in Wup­per­tal ge­le­ge­nen Pro­duk­ti­ons­stand­ort von John­son & John­son er­zielt ha­ben, zu berück­sich­ti­gen.

Das OLG ist mit dem Bun­des­kar­tell­amt da­von aus­ge­gan­gen, dass das Vor­ha­ben die Zu­sam­men­schlusstat­bestände nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3a GWB a.F. erfüllt und die Un­ter­sa­gungs­vor­aus­set­zun­gen nach § 36 GWB a.F. vor­lie­gen. Dies lässt kei­nen Rechts­feh­ler er­ken­nen und wird auch von der Rechts­be­schwerde nicht an­ge­grif­fen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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