Der Umsetzung des BEPS-Projekts gegenüber stehen allerdings Bestrebungen einiger Staaten, durch signifikante Steuersatzsenkungen und weitere Steueranreize Unternehmen in den eigenen Staatsgrenzen zu stärken und neue Investitionen anzuziehen.

Aktuelle Aufgabe der internationalen Steuerpolitik dürfte es deshalb sein, zwischen diesen beiden Polen zu vermitteln. Wir haben Partner aus unserem Nexia-Netzwerk um ihre Vorort-Einblicke in die jeweiligen steuerpolitischen Strömungen gebeten und sie gefragt:
- Welche Maßnahmen im Rahmen des BEPS-Projekts hat Ihr Staat unternommen, um die Besteuerung eines den tatsächlichen Aktivitäten der Unternehmen auf Ihrem Staatsgebiet entsprechenden Anteils am Besteuerungssubstrat sicherzustellen?
- Was wird Ihrer Ansicht einen Staat als Unternehmensstandort nachhaltiger stärken - neue Steueranreize oder eine konstante, verlässliche Steuergesetzgebung?
China

Managing Director, Fan, Chan & Dr. Neumann Business Advisory (Shanghai) Co., Ltd., China
1. In China bereits umgesetzte BEPS-Maßnahmen
Die Finanzbehörde (State Administration of Taxation, SAT) hat die BEPS-Aktionspunkte in China schrittweise umgesetzt. Bisher sind die folgenden Regelungen im Zusammenhang mit dem BEPS-Projekt veröffentlicht worden:
- Bekanntmachung der SAT bezüglich relevanter Angelegenheiten zur Verbesserung der Hinterlegung von Geschäften mit nahestehenden Unternehmen und die Verwaltung von zeitgleichen Dokumentationen,
- Bekanntmachung der SAT bezüglich der Verbesserung von Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Verwaltung von Verrechnungspreiszusagen,
- Bekanntmachung der SAT bezüglich des Inkrafttretens von behördlichen Maßnahmen für besondere Steueranpassung- und Steuerermittlungsverfahren sowie gegenseitige Konsultationsverfahren.
Durch die vorstehenden Regelungen hat die chinesische Regierung die BEPS-Vorschläge bezüglich Dokumentationspflichten, dem Country-by-Country-Reporting, immaterieller Vermögenswerte und Dienstleistungen zwischen nahestehenden Unternehmen etc. umgesetzt. Insbesondere die zuletzt genannte Bekanntmachung enthält umfangreiche Änderungen hinsichtlich besonderer Steueruntersuchungen, Verrechnungspreismethoden, Vergleichbarkeitsanalyse sowie Verhandlungsverfahren etc., um Steuerzahler konkretere Vorgaben an die Hand zu geben.
2. Chinas Steuerpolitik, um China als Unternehmensstandort zu stärken
Ohne konstante, verlässliche Steuern sind meiner Meinung nach selbst aggressive Steueranreize kein Schlüssel, um Investoren anzuziehen.
Die chinesische Regierung hat versucht, die Steuergesetze angemessener zu gestalten. Das Versprechen von aggressiven Steueranreizen, um Investitionen aus dem Ausland anzulocken, wird von der zentralen Regierung nicht mehr unterstützt.
3. Von China künftig verfolgte Steuerpolitik
Einerseits versucht die Regierung, die Steuerbelastung kleinerer Unternehmen zu senken. Andererseits gibt es besondere Steuerrichtlinien, die darauf abzielen, Anreize für neue und High-Tech Unternehmen zu schaffen, um die nationale Wirtschaft zu lenken. Dies ist aber nicht als allgemeines Mittel gedacht, um so viele Investoren wie möglich anzulocken.
Großbritannien

Partner, Business Tax Services, Smith & Williamson LLP, London, Großbritannien
1. In Großbritannien bereits umgesetzte BEPS-Maßnahmen
- BEPS-Aktionspunkt 2 - Hybride Gestaltungen: Das Vereinigte Königreich hat die Empfehlungen der OECD mit Wirkung vom 1.1.2017 umgesetzt.
- BEPS-Aktionspunkt 4 - Steuerabzug von Zinsen: Im Einklang mit den Vorschlägen der OECD wurde mit Wirkung ab 1.4.2017 eine neue Zinsschrankenregelung zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsen eingeführt. Dabei ist eine Geringfügigkeitsschwelle von GBP 2 Mio. vorgesehen. Die bisherigen Vorgaben im Vereinigten Königreich zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsen (worldwide debt cap provisions) wurden aufgehoben. Dort bestand nur eine Geringfügigkeitsschwelle von GBP 500.000.
- BEPS-Aktionspunkt 5 - Schädlicher Steuerwettbewerb: Mit Wirkung zum 1.7.2016 trat eine Änderung des britischen Patentbox-Regimes in Kraft, um es in Einklang mit dem BEPS Aktionspunkt 5 der OÄECD zu bringen.
- BEPS-Aktionspunkt 6 - Abkommensmissbrauch zur Vermeidung von Quellensteuer auf Lizenzgebühren: Der Umfang der Quellensteuervorgaben für Lizenzgebühren ist erweitert worden und Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch wurden eingeführt.
- BEPS-Aktionspunkte 8 bis10 - Verrechnungspreise: Die Verrechnungspreisrichtlinien im Vereinigten Königreich wurden geändert, um sie in Einklang mit den Verrechnungspreisrichtlinien der OECD zu bringen. Dies gilt für Abrechnungsperioden, die am oder nach dem 1.4.2016 beginnen.
- BEPS-Aktionspunkt 13 - Verrechnungspreisdokumentation und Reporting: Für bestimmte Unternehmensgruppen wurde das Country-by-Country-Reporting eingeführt mit Wirkung für Abrechnungsperioden, die am oder nach dem 1.1.2016 beginnen, eingeführt. Zudem ist eine Online-Veröffentlichung der sog. „Tax Strategie“ für bestimmte Unternehmensgruppen erforderlich.
- einen niedrigen Körperschaftsteuersatz, der von gegenwärtig 19 % ab 2020 auf 17 % sinkt,
- steuerliche Anreize und Erleichterungen für Forschung und Entwicklung (R&D) und durch das Patentbox-Regime,
- zahlreiche Doppelbesteuerungsabkommen,vorteilhafte Regelungen für Holding-Struktur: grundsätzlich keine Besteuerung von erhaltenen Dividenden, keine Quellensteuer auf auszuschüttende Dividenden, vorteilhafte Regelung für beherrschte ausländische Unternehmen (Controlled Foreign Regime), vorbehaltlich gewisser Anforderungen vorteilhafte Kapitalbeteiligungsregelung für Anteilsverkäufe,
- neue Regeln, die Flexibilität bei der Nutzung von Verlusten zulassen, die nach dem 1.4.2017 entstehen,
- faire Steuerbehörde (HMRC),
- klare neue Zinsschrankenregelung mit erhöhter Geringfügigkeitsschwelle von GBP 2 Mio., Möglichkeit die Auswirkungen auf Verrechnungspreise mit der HMRC zu klären,
- weitere Vorteile, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Besteuerung stehen, z. B. ein gutes Rechtssystem und Justizwesen sowie relative Verlässlichkeit der britischen Gesetzgebung.
Natürlich ist jeder gegenwärtig auf den Brexit fokussiert und darauf, was die Verhandlungen mit der EU bewirken werden. Aber das Ziel besteht darin, weiterhin Investitionen und Geschäfte aus dem Ausland anzuziehen. Dazu ist eine aktive und wachsende Wirtschaft unterstützt von einer niedriger Unternehmensbesteuerung und Rechtssicherheit notwendig. Dies könnte in den nächsten zwei Jahren schwierig werden.
Indien

Chartered Accountant, Partner, SKP Group, Mumbai, Indien
1. In Indien bereits umgesetzte BEPS-Maßnahmen
Die indische Regierung hat eine ganze Anzahl von Schritten im Einklang mit dem BEPS-Aktionsplan eingeleitet, um eine Gewinnverschiebung und eine Erosion der Besteuerungsgrundlage zu vermeiden:
- Country-by-Country-Reporting – die Dokumentationsanforderungen für Verrechnungspreise sind verstärkt worden und schließen jetzt CbCR im Einklang mit dem BEPS-Aktionspunkt 13 ein,
- Einführung einer Ausgleichsabgabe (Equalisation Levy) – eine 6 %-ige Steuer auf Online-Werbung, mit denen die Vorgaben der Doppelbesteuerungsabkkommen faktisch außer Kraft gesetzt werden,
- Beschränkung des Zinsabzugs auf 30 % des EBIDTA hinsichtlich Zinsen, die an nahestehenden Unternehmen gezahlt werden, oder bei Schulden, die von nahestehenden Unternehmen gesichert werden,
- Neuverhandlung von Doppelbesteuerungsabkommen mit Singapur, Mauritius und Cypern - Einführung von Begrenzungen der Abkommensbegünstigungen in Übereinstimmung mit dem sog. Hauptzwecktest,
- Einführung eines Lizenzbox-Systems,
- Einführung von Richtlinien zum Ort der tatsächlichen Geschäftsführung (vergleichbar den „Controlled Foreign Company“-Richtlinien),
Um Indien für ausländische Investitionen attraktiver zu machen, sind nach meiner Ansicht konstante, verlässliche und außergerichtliche steuerliche Positionen und eine solche Verwaltung wichtig. Die neue Regierung hat zudem mehrere Schritte eingeleitet, um Rechtsstreitigkeiten zu verringern.
3. Von Indien künftig verfolgte Steuerpolitik
Die Regierung greift gegen Schwarzgeld und widerrechtliche Bereicherung hart durch. Darüber hinaus werden internationale „Best Practices“ angewendet und Steuersätze wettbewerbsfähiger gestaltet. Die Regierung unternimmt zudem - wie bereits erwähnt - einige Schritte, um Rechtsstreitigkeiten zu verringern.
USA
CPA, NE Regional Tax Partner, Global Tax Leader, CliftonLarsonAllen LLP, Charlotte, USA
1. In USA bereits umgesetzte BEPS-Maßnahmen
Als Reaktion auf den Druck der OECD für höhere Transparenz zwischen Mitgliedsstaaten haben das Finanzministerium der Vereinigten Staaten und die amerikanische Bundesfinanzverwaltung (IRS) in 2016 abschließende Regelungen erlassen, die das Country-by-Country-Reporting (CbCR) verpflichtend machen. Folglich muss ein US-Unternehmen, das Muttergesellschaft eines multinationalen Konzerns ist und im vorherigen Geschäftsjahr einen Umsatz von mindestens USD 850 Mio. erzielt hat, einen CbC-Report bei der IRS einreichen. Das entsprechende Formular, das sich derzeit noch in der Entwicklung befindet, muss zusammen mit der Körperschaftsteuererklärung der Muttergesellschaft spätestens am Fälligkeitstermin, inklusive etwaiger Fristverlängerungen, eingereicht werden. Die Nichteinhaltung der Vorschriften zur Offenlegung des Reports können zu Sanktionen führen. Konkret können Geldstrafen bis zu USD 10.000 für jedes Geschäftsjahr, in dem der Report nicht eingereicht wird, betragen.
Ebenfalls im Jahr 2016 haben das Finanzministerium der Vereinigten Staaten und die IRS abschließende Regelungen erlassen, die erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Gestaltung von Geschäften in den USA haben könnten. Die neuen Regelungen geben der IRS die Möglichkeit, Schulden als Eigenkapital um zu qualifizieren. Dies betrifft Fälle, in denen gewisse Standards zur Dokumentation von Darlehen nicht erfüllt sind oder Schuldverschreibungen in bestimmten Arten von Transaktionen benutzt werden, die von der Regierung als missbräuchlich eingestuft werden. Die Auswirkungen einer solchen Umqualifizierung bestehen im Verlust der Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen. Diese Regelungen sind sehr komplex.
2. USA setzt auf Steuererleichterungen
Wir glauben, dass niedrigere Sätze in der Unternehmensbesteuerung und die Überleitung von der weltweiten Besteuerung zu einem territorialen Steuersystem die USA zu einem attraktiveren Wirtschaftsstandort machen würden.
3. Von USA künftig verfolgte Steuerpolitik
Die politische Umgebung in Washington, D.C. ist im Moment chaotisch. Obwohl das Weiße Haus und beide Häuser im Congress von den Republikanern kontrolliert werden, gibt es ungeheuren Unfrieden zwischen den gemäßigten Gruppierungen der Partei und den eher konservativen Mitgliedern des Freedom Caucus, wie sich am kürzlich erfolgten Scheitern der Abschaffung und Ersetzung von Obamacare gezeigt hat. Beide Repräsentantenhäuser und Präsident Trump haben Steuervorschläge dargelegt, wonach die Unternehmensbesteuerung sinken soll, ein herabgesetzter Steuersatz für die Rückführung ausländischen Einkommens vorgesehen ist, die Mindeststeuer (AMT) für Unternehmen und Privatpersonen aufgehoben und persönliche Einkommensteuersätze gesenkt werden sollen. Diese Maßnahmen würden der US-Wirtschaft vermutlich einen dringend notwendigen „boost“ bieten. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Steuergesetze im Jahr 2017 verabschiedet werden, wegen der strittigen Stimmung „inside the Beltway“ sehr gering. Zusätzlich wurde über eine Grenzsteuer für gewisse Einfuhrgüter diskutiert, die außerhalb der USA hergestellt werden. Dazu wurden mehrere Vorschläge unterbreitet, die jedoch einem wirtschaftlichen „boost“ durch niedrigere Steuersätze entgegenwirken könnten.