Noch im Herbst des vergangenen Jahres zeigte sich der deutsche Mittelstand in Bezug auf die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zu den USA gelassen. Zwischenzeitlich sehen die Unternehmer klarer - und US-Präsident Donald Trump vertritt seine „America First“-Strategie des wirtschaftspolitischen Protektionismus, wie sein kürzlich vorgelegtes Steuerkonzept zeigt. Doch ist bei der aktuellen US-Regierung nichts in Stein gemeißelt. Und der zunächst angeschlagene forsche Ton wurde schon milder, wie die Nachbesserungen an dem Steuerkonzept zeigen.

Doch welche Folgen hat dies in der Praxis für den deutschen Mittelstand, der in den USA bereits mit einer Tochtergesellschaft, einer Zweigniederlassung oder einer Vertretung engagiert ist oder eine solche Investition plant? Kann der deutsche Mittelstand mit diesem Auf und Ab leben?
„America First“ als Investitionsantrieb
Fakt ist: Losgelöst von den täglichen Twitter-Nachrichten aus dem Weißen Haus ist auf Arbeitsebene ein starker Wille zur Intensivierung der Zusammenarbeit auf beiden Seiten des Atlantiks deutlich spürbar. So stehen in politisch herausfordernden Zeiten die Unternehmen, Verbände und Organisationen zusammen. Zwar kann alles, was die letzten Jahrzehnte für selbstverständlich angesehen werden konnte, wie freier Handel und freier Zugang zu Ressourcen, Kapital und Arbeitskräften, gegenwärtig nicht mehr für selbstverständlich gehalten werden. Aber dennoch: vielleicht handelt es sich für den deutschen Mittelstand gerade jetzt um das goldene Zeitalter zum Aus- oder Aufbau seiner US-Aktivitäten. Denn „America First“ bedeutet im Umkehrschluss, dass Investitionen in den USA so willkommen sind wie selten zuvor. Der unbändige Wille zur Zusammenarbeit und zur Intensivierung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA ist ein Eindruck, der sich wie ein roter Faden durch zahlreiche Gespräche von Henning Günther Wind LL.M., Steuerberater, Diplom-Finanzwirt und Partner bei Ebner Stolz bei seinen Besuchen in den USA und nicht zuletzt auf einer hochkarätigen „100-Days-of-Trump“-Veranstaltung in New York mit mittelständischen Unternehmen sowie Vertretern von Verbänden, Kammern und Wirtschaftsförderern zieht.
Deutscher Mittelstand in den USA - Beispiel Charlotte
Vor Ort ist der deutsche Mittelstand aufgrund der Trump-Administration nicht verunsichert. Das verdeutlichen die Eindrücke in der Region Charlotte, North Carolina, wo sich allein über 300 mittelständische Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum angesiedelt haben. Allerdings kommt es jetzt zum Lackmus-Test: Können unternehmensinterne Prozesse so auf die lokalen Erfordernisse angepasst werden, dass diese auf beiden Seiten des Atlantiks nahtlos Hand-in-Hand laufen? Kann die erforderliche „qualified workforce“ rekrutiert oder ausgebildet werden? Die administrativen Kapazitäten bei den Tochtergesellschaften in den USA sind gerade im Mittelstand ungleich geringer als im deutschen Stammsitz. Hier verpuffen Synergien oft „lost-in-translation“ - ein großes Wachstumshindernis. Die Einbeziehung lokaler Expertise ist von entscheidender Bedeutung, um alle Ressourcen zielgerichtet einsetzen zu können. Aus Beratersicht hat sich hier die Zusammenarbeit mit unseren Partnern aus dem Nexia-Verbund bewährt; in Charlotte ganz konkret mit CliftonLarsonAllen (CLA).
„Engineered in Germany“ aber „Made in USA“
Erfreut sich die deutsche Kundschaft an „Made in Germany“ und nahezu endloser Möglichkeiten der Individualisierung, ist es für einen amerikanischen CEO entscheidend, dass er sofort kaufen kann - mit sofortiger Lieferung. Dabei nimmt er Abstriche bei der Ausstattung oder dem Grad der Individualisierung der bestellten Ware hin. Für ihn ist der Service rund um den Kauf von entscheidender Bedeutung. Damit ist in den USA eine ganz andere Infrastruktur (Logistik, Lagerhaltung und sehr schnell reagierende Serviceabteilung) erforderlich, als in Deutschland üblich. „Engineered in Germany“ ist in den USA gerne gesehen, aber es muss schon „Made in USA“ sein. Der deutsche Mittelstand kommt nicht umhin, sich den lokalen Gepflogenheiten mit lokalen Mitarbeitern anzupassen.
Und hier liegt der Dreh- und Angelpunkt für ein Engagement: Auch wenn das Investitionsklima gerade freundlich ist, berichten viele Mittelständler vor Ort von ihrer Schwierigkeit, „qualified workforce“ zu bekommen. Diese Lücke kann in Zeiten restriktiver Visa- und Work Permit-Handhabung in den USA auch nur schwer durch den verstärkten Einsatz von Expatriates, also vom deutschen Mutterhaus entsandter Fachkräfte, kompensiert werden. So war auch das Thema Ausbildung eines der Top-Themen der letzten USA-Reise der Bundeskanzlerin. Alle Zeichen stehen derzeit so, dass das deutsche Ausbildungssystem flächendeckend in den USA ausgerollt werden soll, um die so dringend erforderlichen Fachkräfte zu bekommen.
Vor-Ort-Unterstützung für US-Engagements
In der Gesamtschau ist festzustellen: Die Türen in den USA stehen offen. Die dortige deutsch-amerikanische Community ist mehr als bereit, Hilfestellung zu leisten und Expandierende oder Neuankömmlinge mit offenen Armen zu empfangen und an den eigenen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Auch und gerade in Zeiten des „America First“ bieten sich Chancen, das eigene US-Engagement auszubauen oder zu begründen.