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Profitorientierte Links auf Websites mit Urheberrechtsverletzungen sind verboten

EuGH 8.9.2016, C-160/15

Das Set­zen ei­nes Hy­per­links auf eine Web­site zu ur­he­ber­recht­lich ge­schütz­ten Wer­ken, die ohne Er­laub­nis des Ur­he­bers auf ei­ner an­de­ren Web­site veröff­ent­licht wur­den, stellt keine "öff­ent­li­che Wie­der­gabe" dar, wenn dies ohne Ge­winn­er­zie­lungs­ab­sicht und ohne Kennt­nis der Rechts­wid­rig­keit der Veröff­ent­li­chung der Werke ge­schieht. Wer­den die Hy­per­links da­ge­gen mit Ge­winn­er­zie­lungs­ab­sicht be­reit­ge­stellt, ist die Kennt­nis der Rechts­wid­rig­keit der Veröff­ent­li­chung auf der an­de­ren Web­site zu ver­mu­ten.

Der Sach­ver­halt:
GS Me­dia be­treibt die Web­site Ge­en­Stijl, die nach ei­ge­nen An­ga­ben "Nach­rich­ten, Skan­da­lenthüllun­gen und jour­na­lis­ti­sche Re­cher­che mit lo­cke­ren The­men und an­ge­nehm verrück­tem Un­sinn" an­bie­tet und zu den zehn meist­be­such­ten Nach­rich­ten-Web­si­tes der Nie­der­lande gehört. Im Jahr 2011 hatte GS Me­dia einen Ar­ti­kel und einen Hy­per­link zu ei­ner aus­tra­li­schen Web­site veröff­ent­licht, auf der Fo­tos von Frau Dek­ker zugäng­lich wa­ren. Diese wa­ren auf der aus­tra­li­schen Web­site ohne Ge­neh­mi­gung von Sa­noma, der Ver­le­ge­rin der Mo­nats­zeit­schrift Play­boy und In­ha­be­rin der Ur­he­ber­rechte an den Fo­tos, veröff­ent­licht wor­den.

Trotz ent­spre­chen­der Auf­for­de­run­gen von Sa­noma wei­gerte sich GS Me­dia, den Hy­per­link zu ent­fer­nen. Als die Fo­tos auf Ver­lan­gen von Sa­noma so­dann auf der aus­tra­li­schen Web­site ent­fernt wur­den, wurde auf der Web­site Ge­en­Stijl ein neuer Ar­ti­kel veröff­ent­licht, der wie­der einen Hy­per­link ent­hielt, und zwar zu ei­ner an­de­ren Web­site, auf der die Fo­tos eben­falls zu se­hen wa­ren. Auch dort wur­den die Fo­tos schließlich auf Ver­lan­gen von Sa­noma ent­fernt. Die In­ter­net­nut­zer, die das Fo­rum von Ge­en­Stijl be­such­ten, setz­ten dar­auf­hin neue Hy­per­links zu an­de­ren Web­si­tes mit den Fo­tos.

Sa­noma warf GS Me­dia eine Ur­he­ber­rechts­ver­let­zung vor. In einem Kas­sa­ti­ons­ver­fah­ren hat der Ober­ste Ge­richts­hof der Nie­der­lande (Hoge Raad) dem EuGH die Sa­che zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt. Das Er­su­chen be­traf die Aus­le­gung von Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/29/EG zur Har­mo­ni­sie­rung be­stimm­ter As­pekte des Ur­he­ber­rechts und der ver­wand­ten Schutz­rechte in der In­for­ma­ti­ons­ge­sell­schaft.

Die Gründe:
Die Mit­glied­staa­ten müssen nach der ge­nann­ten Richt­li­nie si­cher­stel­len, dass den Ur­he­bern das aus­schließli­che Recht zu­steht, die öff­ent­li­che Wie­der­gabe ih­rer Werke zu er­lau­ben oder zu ver­bie­ten. Gleich­zei­tig soll die Richt­li­nie einen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich zwi­schen den In­ter­es­sen der Ur­he­ber­rechts­in­ha­ber ei­ner­seits und dem Schutz der In­ter­es­sen und Grund­rechte der Nut­zer von Schutz­ge­genständen, ins­be­son­dere ih­rer Frei­heit der Mei­nungsäußerung und In­for­ma­ti­ons­frei­heit, so­wie dem Ge­mein­wohl an­de­rer­seits si­chern.

In­so­fern ist an die EuGH-Recht­spre­chung zu er­in­nern, nach der der Be­griff "öff­ent­li­che Wie­der­gabe" eine in­di­vi­du­elle Be­ur­tei­lung er­for­dert, in de­ren Rah­men eine Reihe wei­te­rer Kri­te­rien zu berück­sich­ti­gen sind. Zu die­sen Kri­te­rien gehört ers­tens die Vorsätz­lich­keit des Han­delns, wo­nach der Nut­zer eine Wie­der­gabe vor­nimmt, wenn er in vol­ler Kennt­nis der Fol­gen sei­nes Ver­hal­tens tätig wird, um sei­nen Kun­den Zu­gang zu einem ge­schütz­ten Werk zu ver­schaf­fen. Zwei­tens be­deu­tet "Öff­ent­lich­keit" be­grifflich eine un­be­stimmte Zahl po­ten­zi­el­ler Leis­tungs­empfänger und muss aus recht vie­len Per­so­nen be­ste­hen. Drit­tens ist er­heb­lich, ob eine öff­ent­li­che Wie­der­gabe Er­werbs­zwe­cken dient.

Die bis­he­rige EuGH-Recht­spre­chung (Urt. v. 13.2.2014, Svens­son u.a. - C-466/12 und Be­schl. v. 21.10.2014, Best­Wa­ter In­ter­na­tio­nal - C-348/13, nicht veröff­ent­licht) be­traf nur das Set­zen von Hy­per­links zu Wer­ken, die auf ei­ner an­de­ren Web­site mit Er­laub­nis des In­ha­bers frei zugäng­lich wa­ren. Aus die­ser Recht­spre­chung kann je­doch nicht ab­ge­lei­tet wer­den, dass das Set­zen sol­cher Hy­per­links grundsätz­lich nicht un­ter den Be­griff "öff­ent­li­che Wie­der­gabe!" fällt, selbst wenn die frag­li­chen Werke auf ei­ner an­de­ren Web­site ohne Er­laub­nis des In­ha­bers veröff­ent­licht wur­den. Hin­sicht­lich des letz­te­ren Falls ist zu be­ach­ten, dass das In­ter­net für die Frei­heit der Mei­nungsäußerung und die In­for­ma­ti­ons­frei­heit von be­son­de­rer Be­deu­tung ist und dass Hy­per­links zu sei­nem gu­ten Funk­tio­nie­ren und dem Mei­nungs- und In­for­ma­ti­ons­aus­tausch bei­tra­gen. Außer­dem kann es sich für Ein­zel­per­so­nen, die sol­che Links set­zen wol­len, tatsäch­lich als schwie­rig er­wei­sen, zu überprüfen, ob es sich um ge­schützte Werke han­delt, und ge­ge­be­nen­falls, ob die In­ha­ber der Ur­he­ber­rechte an die­sen Wer­ken de­ren Veröff­ent­li­chung im In­ter­net er­laubt ha­ben.

Zum Zweck der in­di­vi­du­el­len Be­ur­tei­lung, ob eine "öff­ent­li­che Wie­der­gabe" vor­liegt, muss da­her, wenn das Set­zen ei­nes Hy­per­links zu einem auf ei­ner an­de­ren Web­site frei zugäng­li­chen Werk von je­man­dem vor­ge­nom­men wird, der da­bei keine Ge­winn­er­zie­lungs­ab­sicht ver­folgt, berück­sich­tigt wer­den, dass der Be­tref­fende nicht weiß und vernünf­ti­ger­weise nicht wis­sen kann, dass die­ses Werk im In­ter­net ohne Er­laub­nis des Ur­he­ber­rechts­in­ha­bers veröff­ent­licht wurde. Der Be­tref­fende han­delt nämlich im All­ge­mei­nen nicht in vol­ler Kennt­nis der Fol­gen sei­nes Tuns, um Kun­den Zu­gang zu einem rechts­wid­rig im In­ter­net veröff­ent­lich­ten Werk zu ver­schaf­fen.

Ist da­ge­gen klar, dass der Be­tref­fende wusste oder hätte wis­sen müssen, dass der von ihm ge­setzte Hy­per­link Zu­gang zu einem un­be­fugt im In­ter­net veröff­ent­lich­ten Werk ver­schafft, so stellt die Be­reit­stel­lung die­ses Links eine "öff­ent­li­che Wie­der­gabe" dar. Ebenso verhält es sich, wenn es der Link den Nut­zern ermöglicht, be­schränkende Maßnah­men zu um­ge­hen, die auf der das ge­schützte Werk ent­hal­ten­den Web­site ge­trof­fen wur­den, um den Zu­gang der Öff­ent­lich­keit al­lein auf ihre Abon­nen­ten zu be­schränken. Wer­den Hy­per­links mit Ge­winn­er­zie­lungs­ab­sicht ge­setzt, kann von dem­je­ni­gen, der sie ge­setzt hat, er­war­tet wer­den, dass er die er­for­der­li­chen Nachprüfun­gen vor­nimmt, um sich zu ver­ge­wis­sern, dass das be­trof­fene Werk nicht un­be­fugt veröff­ent­licht wurde. Des­halb ist zu ver­mu­ten, dass ein Set­zen von Hy­per­links, das mit Ge­winn­er­zie­lungs­ab­sicht er­folgt, in vol­ler Kennt­nis der Ge­schützt­heit des Werks und der et­waig feh­len­den Er­laub­nis des Ur­he­ber­rechts­in­ha­bers zu sei­ner Veröff­ent­li­chung im In­ter­net vor­ge­nom­men wurde.

Im vor­lie­gen­den Fall stand fest, dass GS Me­dia die Hy­per­links zu den Da­teien mit den Fo­tos zu Er­werbs­zwe­cken be­reit­ge­stellt hat und dass Sa­noma die Veröff­ent­li­chung die­ser Fo­tos im In­ter­net nicht er­laubt hatte. Darüber hin­aus schien sich der Fall so zu ver­hal­ten, dass sich GS Me­dia der Rechts­wid­rig­keit die­ser Veröff­ent­li­chung be­wusst war und des­halb die Ver­mu­tung, dass das Set­zen der Links in vol­ler Kennt­nis der Rechts­wid­rig­keit der Veröff­ent­li­chung er­folgte, nicht wi­der­le­gen könnte. GS Me­dia hat da­her - vor­be­halt­lich der vom Hoge Raad vor­zu­neh­men­den Überprüfung - mit dem Set­zen die­ser Links eine "öff­ent­li­che Wie­der­gabe" vor­ge­nom­men.

Link­hin­weis:

Für den auf den Web­sei­ten des EuGH veröff­ent­lich­ten eng­li­schen Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.

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