Da der Fortschritt exponentiell voranschreitet, wird es für Unternehmen jedoch immer schwieriger, die relevanten Technologien für sich zu erkennen und zielgerichtet einzusetzen. Bei aller Begeisterung werden die Fragen nach Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit in den Berichten oft ausgeklammert. Zugegeben: Es ist komplex, dies fundiert zu bewerten, was auf kleine und mittelständische Unternehmen abschreckend wirken kann. Aber es lohnt sich. Am Beispiel von Process Mining zeigt der Beitrag, wie eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung aussehen sollte.
Die Process-Mining-Technologie nutzt digitale Daten aus den ERP-Systemen, um Prozesse in einem Unternehmen zu rekonstruieren und zu analysieren. Daher wird sie oft als Voraussetzung und Enabler für die Digitalisierung von Geschäftsprozessen angesehen. Doch wagen wir den Proof of Concept: Wo liegt der konkrete Nutzen dieser Technologie? Was sind die Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz? Welche Kosten und Risiken sind zu erwarten und wie lassen sie sich minimieren?
Hochwertige Daten und genaue Ziele – die Voraussetzungen
Die gute Nachricht: In der Regel sind für die Einführung der Process-Mining-Technologie nicht viele Ressourcen nötig. Die erforderlichen Daten sind meist schon vorhanden, da ERP-Systeme heutzutage Standard sind. Im Optimalfall können bei standardisierten und systemgestützten Prozessen (z. B. Purchase to Pay, Order to Cash, …) die Daten direkt aus den ERP-Systemen extrahiert und so aufbereitet werden, dass der tatsächliche Prozess umfassend und objektiv nachgebildet ist. Für eine anschließende zielgerichtete Auswertung und Analyse der Daten, zum Aufdecken von Optimierungspotenzialen, ist die Datenqualität von entscheidender Bedeutung. Die Datenanalyse bildet die Grundlage für die korrekte Ableitung vieler Handlungsmaßnahmen.
Für die Anwendung von Process Mining eignen sich am besten Prozesse, die weitestgehend in ERP-Systemen abgebildet sind und bei denen die Vorfälle über eine eindeutige Case-ID (z. B. Bestellnummer), ein Zeitstempel und eine Bezeichnung der Aktivität (z. B. Auftrag anlegen) verfügen.
Keine Einführung ohne klares Ziel: Es ist unbedingt notwendig, dass Unternehmen sich vor der Einführung von Process Mining über die genaue Zielsetzung im Klaren sind. Ohne einen solchen Kompass fällt die Analyse der Massendaten schwer und hieraus abgeleitete Maßnahmen erzielen nicht den gewünschten Mehrwert.
Weniger Kosten, mehr Effizienz und Qualität – der Nutzen
Ein großer Vorteil von Process Mining besteht in der objektiven und schnellen Darstellung der tatsächlich gelebten Prozesse, über die eine Analyse aller Variationen erst ermöglicht wird. Dabei ist Process Mining der konventionellen Prozessanalyse deutlich überlegen: Es erlaubt Prozessmanagern, den Ist-Prozess bei deutlich geringeren Kosten, maximaler Transparenz sowie ungeahnter Detailtiefe zu verstehen.
Beispiel Einkaufsprozess: Mit Hilfe von Process Mining wird schnell identifiziert, ob Abteilungen eigenmächtig Materialien oder Dienstleistungen kaufen, ohne den Einkauf einzubeziehen – also den Soll-Prozess umgehen. Doch nicht nur anstelle konventioneller Prozessanalysen kann Process Mining eingesetzt werden. Auch im Bereich Audit & Compliance spielt Process Mining seine Vorteile aus. Abweichungen vom Regelprozess lassen sich auch hier unmittelbar anzeigen und analysieren. Dank dieser Transparenz kann ein Unternehmen zukünftigen Regelverstößen leichter präventiv entgegenwirken.
Der Nutzen lässt sich also in drei wesentliche Aspekte einteilen
- Besser erkennen: Verborgene Schwachstellen, versteckte Ineffizienzen, manuelle Nacharbeit sowie Abweichungen, Engpässe und Doppelarbeiten werden transparent.
- Besser verstehen: Prozesswege werden beschleunigt, Durchlaufzeiten verkürzt und Zusammenhänge aufgezeigt.
- Besser optimieren: Automatisierungspotenziale und Anbindungsmöglichkeiten von weiteren Technologien werden zur Steigerung der Prozesseffizienz identifiziert.
Software, Planung, Personal – die Kosten
Die Anschaffung der Software sowie die Projektanbahnung sind die teuersten Posten bei der Einführung. Im Einzelnen gehören zu den Projektanbahnungskosten jene für die Strategie- und Projektplanung sowie den zusätzlichen Arbeitsaufwand des Personals. Auch die Datenaufbereitung und die Integration der Software in das Unternehmen bringen Aufwendungen mit sich. Die hohe Schnittstellenkompatibilität mancher Softwareanbieter erlaubt es, schnell erste Einblicke zu bekommen. So lässt sich ein Prozess aus einem ERP-System bereits innerhalb weniger Tage abbilden. Weitere Systeme können dann iterativ angebunden werden. Langfristig sind darüber hinaus Lizenzkosten und Kosten für Mitarbeiterschulungen zu berücksichtigen. Dabei kann sich das Unternehmen zwischen eigener Lizensierung und Anwendung oder der Inanspruchnahme von Managed Services von Beratungshäusern entscheiden.
Projektumfang und Nutzerakzeptanz – die Risiken
Die Risiken fließen zwar im klassischen Sinne einer Kosten-Nutzen-Analyse nicht unmittelbar in die Wirtschaftlichkeitsrechnung ein, sollten jedoch beim Projektstart unbedingt beachtet werden. Sind die Ziele nicht klar oder der Projektumfang und das Projektbudget zu ungenau definiert, kann es zu Fehleinschätzungen in der Projektplanung kommen. Oft lassen sich Anwender von den Möglichkeiten der Technologie mitreißen und fokussieren sich nicht ausreichend. Das führt zu einem weiteren, sehr wichtigen Punkt: Nur wenn die Mitarbeiter das Projekt mittragen und Ziele gemeinschaftlich verfolgt werden, kann die Umsetzung gelingen. Wichtig ist daher eine effektive Kommunikation im Vorfeld und eine passgenaue Strategie. So wird die Nutzerakzeptanz innerhalb und außerhalb des Unternehmens und das Erreichen der Ziele sichergestellt.
Fazit: Ohne Fleiß kein Preis
In der Berichterstattung über neue Technologien liegt der Fokus meist auf den Erfolgsgeschichten. Negative Aspekte werden oftmals ausgeklammert. So entsteht der Eindruck, als handele es sich um „Wundermittel“. Erst bei der Umsetzung im Unternehmen treten Schwächen und Risiken zutage. Die Folge: Enttäuschung und sinkende Akzeptanz. Wir empfehlen daher ganz klar eine konsequente Abwägung und Bewertung aller Wirtschaftlichkeitsfaktoren, die prototypisch im Unternehmen überprüft werden sollten, bevor eine Technologie zum Einsatz kommt – nicht nur bei Process Mining.