Hintergrund dieses Verfahrens ist der Tod eines 15-jährigen geistig behinderten Kindes in Folge einer allergischen Reaktion nach dem mutmaßlichen Verzehr von nusshaltiger Schokolade. Sehr wahrscheinlich hatte das Kind unbemerkt Schokoladetäfelchen von dem gedeckten Weihnachtstisch gegessen, die möglicherweise Nussbestandteile beinhalteten. Die Klägerin ist die Mutter des Kindes. Diese hatte eine private Unfallversicherung abgeschlossen, bei der das Kind mitversichert war. Gegenüber der beklagten Versicherung macht die Klägerin insoweit einen Betrag von 27.000 € geltend, die Summe, die die Versicherung für den Fall eines Unfalltodes den gesetzlichen Erben schuldet.
Dem Vertrag lagen die allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten (GUB 99) sowie die "Allgemeine(n) Verbesserungen zu den GUB 99 - Euro ohne besondere Gliedertaxe" zugrunde. Die Versicherung weigerte sich zu zahlen. Sie ist der Ansicht, dass die Todesursache nicht geklärt sei und im Übrigen auch kein Unfall vorliege.
Das LG wies die auf Zahlung der Versicherungssumme gerichtete Klage ab. Die von der Klägerin dargestellte hochallergische Reaktion als Todesursache falle jedenfalls nicht unter den Unfallbegriff. Ein willensgesteuerter normaler Verzehr von Vollmilchschokolade sei kein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis. Auf die Berufung der Klägerin hob das OLG die Entscheidung auf und gab der Klage statt. Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Die Gründe:
Das versehentliche bzw. unbewusste Verzehren von Allergenen zusammen mit anderen Nahrungsstoffen stellt im Privatversicherungsrecht (ähnlich wie auch im Sozialversicherungsrecht laut dazu bereits ergangener Entscheidungen) einen versicherten Unfall dar. Ein solcher liegt dann vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Das Erfordernis des von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses dient der Abgrenzung zu dem nur inneren Körpervorgang. Das Merkmal der Unfreiwilligkeit bezieht sich nicht auf die Einwirkung von außen, sondern auf die dadurch bewirkte Gesundheitsschädigung.
Das maßgebliche Ereignis, das im vorliegenden Fall die erste Gesundheitsschädigung unmittelbar ausgelöst hatte, war das Aufeinandertreffen (nusshaltiger) Schokolade auf die Mundschleimhaut des Kindes. Diese wirkte von außen ein. Da die gesundheitsschädigende Einwirkung der Allergene auf den Körper des Kindes unfreiwillig und plötzlich, nämlich unerwartet innerhalb eines kurzen Zeitraums erfolgte, liegt nach der Definition des § 178 Abs. 2 VVG im vorliegenden Fall ein Unfallgeschehen vor. Auf die Frage einer (analogen) Anwendung der Mitversicherung von Kindern bis 14 Jahren bei Vergiftungen kam es für die Entscheidung nicht mehr an.
Die Leistungspflicht der privaten Unfallversicherung vermindert sich auch nicht etwa wegen der Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten oder Gebrechen bei den Unfallfolgen. Unter Krankheit im Sinne dieser Klausel versteht man einen regelwidrigen Körperzustand, der eine ärztliche Behandlung erfordert. Allein die allergische Reaktionsbereitschaft stellt jedoch nach Ansicht des Senats keine Krankheit dar. Die gegenteiligen, nicht näher begründeten Auffassungen zweier anderer OLG überzeugen nicht. Krankmachende Symptome treten nach der Sensibilisierung erst bei neuerlichem Kontakt mit dem für die individuelle Person relevanten Allergen auf. Solange der allergene Stoff vermieden wird, kann der allergische Versicherte also problemlos und uneingeschränkt ohne ärztliche Behandlung leben.