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Steuerberatung

Nachweis der Absendung einer Einspruchsentscheidung

FG Münster 30.3.2018, 13 K 3907/15 Kg

Be­strei­tet der Steu­er­pflich­tige nicht den Zu­gang des Ver­wal­tungs­akts, son­dern den Ver­wal­tungs­akt nicht in­ner­halb des Drei­ta­ges­zeit­raums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO er­hal­ten zu ha­ben, ist da­mit al­lein die Zu­gangs­ver­mu­tung noch nicht wi­der­legt. Hy­po­the­ti­sche Hin­weise auf theo­re­ti­sche Feh­lermöglich­kei­ten bzw. mögli­che Un­re­gelmäßig­kei­ten bei der Post­beförde­rung genügen nicht.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist pol­ni­scher Staats­an­gehöri­ger und hatte ab Au­gust 2011 einen Wohn­sitz im In­land. Er stellte am 4.9.2012 einen An­trag auf Kin­der­geld für seine Töchter. Die Fa­mi­li­en­kasse lehnte den Kin­der­geld­an­trag mit Verfügung vom 30.4.2013 ab. Den hier­ge­gen vom Kläger am 13.5.2013 ein­ge­leg­ten Ein­spruch wies sie mit Ein­spruchs­ent­schei­dung vom 5.11.2015 als un­begründet zurück. Auf der Ein­spruchs­ent­schei­dung ist ver­merkt: "ab­ge­sandt am 6.11.2015". Der Kläger er­hob am 10.12.2015 Klage. Im Laufe des Kla­ge­ver­fah­rens stellte die Fa­mi­li­en­kasse un­strei­tig, dass die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen für den Be­zug von Kin­der­geld für die Töchter vor­lie­gen. Je­doch sei die Klage un­zulässig, da sie nicht frist­gemäß er­ho­ben wor­den sei und Gründe für eine Wie­der­ein­set­zung gem. § 56 FGO nicht be­kannt seien.

Der Kläger trägt vor: Die Ein­spruchs­ent­schei­dung vom 5.11.2015 sei ihm erst am 12.11.2015 zu­ge­gan­gen. Er habe bei sei­ner Pro­zess­ver­tre­te­rin, die mit dem Fall be­reits am 5.11.2015 durch einen Ter­min ver­traut ge­we­sen sei, am 12.11.2015 an­ge­ru­fen und um einen wei­te­ren Ter­min ge­be­ten, weil er ein Schrei­ben der Be­klag­ten am 12.11.2015 er­hal­ten habe. Eine ent­spre­chende No­tiz be­finde sich in den Ak­ten sei­ner Pro­zess­ver­tre­te­rin:

"Ak­ten­ver­merk vom 12.11.2015, 11.45 Uhr"
(Der Kläger) rief an und teilte mit, dass er ein Schrei­ben von der Fa­mi­li­en­kasse er­hal­ten hatte. Nach­dem er den ers­ten Satz am Te­le­fon vor­ge­le­sen hatte, hat man ihm mit­ge­teilt, dass er un­verzüglich einen Ter­min ver­ein­ba­ren solle. Er soll an dem glei­chen Tag das Schrei­ben vor­bei brin­gen. gez. G"

Die Zu­gangs­fik­tion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO greife nicht, wenn der Zu­gang tatsäch­lich erst später er­folge. Im Zwei­fel habe die Behörde den Zu­gang des Ver­wal­tungs­ak­tes und den Zeit­punkt des Zu­gangs nach­zu­wei­sen. Die Zu­gangs­fik­tion rei­che dafür nicht aus. Es sei nicht unüblich, dass die Post­wege mitt­ler­weile teil­weise bis zu ei­ner Wo­che dau­ern, vor al­lem, wenn in der Zwi­schen­zeit ein Wo­chen­ende liege. Im Rah­men der münd­li­chen Ver­hand­lung erläuterte die Pro­zess­be­vollmäch­tigte des Klägers, dass sie das Te­le­fon­ge­spräch, das dem Ak­ten­ver­merk vom 12.11.2015 zu­grunde liege, nicht persönlich geführt habe, son­dern dass die­ses von ei­ner ih­rer Mit­ar­bei­te­rin­nen geführt wor­den sei. Der Ak­ten­ver­merk sei von ihr auf­grund ei­ner münd­li­chen Mit­tei­lung ih­rer Mit­ar­bei­te­rin er­stellt wor­den. Dass der Kläger ge­sagt habe, er habe die Ein­spruchs­ent­schei­dung von der Fa­mi­li­en­kasse am Tag des An­rufs er­hal­ten, er­gebe sich nicht aus dem Ak­ten­ver­merk.

Das FG wies die Klage ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Klage ist un­zulässig. Der Kläger hat die Klage ver­fris­tet er­ho­ben, denn die Klage ging erst am 10.12.2015 nach dem Ab­lauf der Kla­ge­frist am 9.12.2015 (24 Uhr) beim hie­si­gen Ge­richt ein. Die Kla­ge­frist be­gann am Diens­tag, dem 10.11.2015 um 0 Uhr und en­dete am Mitt­woch, dem 9.12.2015 um 24 Uhr.

Nach § 366 AO i.V.m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schrift­li­cher Ver­wal­tungs­akt, der durch die Post über­mit­telt wird, bei ei­ner Über­mitt­lung im In­land am drit­ten Tag nach der Auf­gabe zur Post als be­kannt­ge­ge­ben, außer wenn er nicht oder zu einem späte­ren Zeit­punkt zu­ge­gan­gen ist; im Zwei­fel hat die Behörde den Zu­gang des Ver­wal­tungs­akts und den Zeit­punkt des Zu­gangs nach­zu­wei­sen. Für den Be­ginn der Frist von drei Ta­gen i.S.d. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO kommt es da­nach auf die Auf­gabe des Ver­wal­tungs­akts zur Post an. Ist die Ab­sen­dung durch einen Ab­sen­de­ver­merk der Post­stelle der Fi­nanz­behörde fest­ge­hal­ten, so spricht der Be­weis des ers­ten An­scheins für die Auf­gabe des Ver­wal­tungs­akts an dem ver­merk­ten Tag.

Je­doch ist ein Be­weis der Auf­gabe zur Post an einem be­stimm­ten Tag, wofür die Fa­mi­li­en­kasse die Fest­stel­lungs­last trägt, nicht aus­ge­schlos­sen, wenn die Ab­sen­dung nicht in einem Ab­sen­de­ver­merk der Post­stelle fest­ge­hal­ten ist. Bei dem Feh­len ei­nes sol­chen Ab­sen­de­ver­merks der Post­stelle kann die Fi­nanz­behörde dar­le­gen, wie der Ab­lauf der Post­ver­sen­dung ge­stal­tet war und wel­che Maßnah­men er­grif­fen wor­den wa­ren, um die Gewähr für die Übe­rein­stim­mung von dem ver­merk­ten Post­auf­ga­be­tag und dem tatsäch­li­chen Auf­ga­be­tag zu bie­ten. Da­nach ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ein­spruchs­ent­schei­dung von der Fa­mi­li­en­kasse am 6.11.2015 zur Post auf­ge­ge­ben, d.h. dem pri­va­ten Zu­stell­dienst, über­ge­ben wurde. Die Fa­mi­li­en­kasse hat die or­ga­ni­sa­to­ri­schen Vor­keh­run­gen im Zu­sam­men­hang mit der Ab­sen­dung von Ver­wal­tungs­ak­ten um­fas­send erläutert. Es sind keine An­halts­punkte vor­han­den, an der Durchführung ei­nes ent­spre­chen­den Bo­ten­gangs am 6.11.2015 zu zwei­feln.

Dem Kläger ist es i.Ü. auch nicht ge­lun­gen, die ge­setz­li­che Ver­mu­tung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, des Zu­gangs der Ein­spruchs­ent­schei­dung drei Tage nach der Auf­gabe zur Post am Mon­tag, dem 9.11.2015, zu entkräften. Be­strei­tet der Steu­er­pflich­tige nicht den Zu­gang des Ver­wal­tungs­akts, son­dern den Ver­wal­tungs­akt nicht in­ner­halb des Drei­ta­ges­zeit­raums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO er­hal­ten zu ha­ben, ist da­mit al­lein nach ständi­ger BFH-Recht­spre­chung die Zu­gangs­ver­mu­tung noch nicht wi­der­legt. Hy­po­the­ti­sche Hin­weise auf theo­re­ti­sche Feh­lermöglich­kei­ten bzw. mögli­che Un­re­gelmäßig­kei­ten bei der Post­beförde­rung genügen nicht. Viel­mehr muss der Empfänger sub­stan­ti­iert Tat­sa­chen vor­tra­gen, die schlüssig auf den verspäte­ten Zu­gang hin­deu­ten und da­mit Zwei­fel an der Zu­gangs­ver­mu­tung begründen.

Hier­von aus­ge­hend fehlt es vor­lie­gend an einem sub­stan­ti­ier­ten Tat­sa­chen­vor­trag des Klägers zu einem verspäte­ten Zu­gang der Ein­spruchs­ent­schei­dung. Der (bloße) Vor­trag des Klägers, dass er sich nur daran er­in­nern könne, im­mer so­fort im Büro sei­ner Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten an­ge­ru­fen zu ha­ben, wenn er ein Schrei­ben der Be­klag­ten er­hal­ten habe, und der Um­stand, dass er ge­genüber der Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten in einem späte­ren Ge­spräch nach dem 12.11.2015 erwähnt habe, dass der Zu­gang der Ein­spruchs­ent­schei­dung am Tag des An­rufs bei ihr am 12.11.2015 ge­we­sen sei, genügen nicht, um die Zu­gangs­ver­mu­tung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu wi­der­le­gen. Viel­mehr hätte es dem Kläger im Hin­blick auf den von ihm be­haup­te­ten aty­pi­schen Post­lauf von sechs Ta­gen ob­le­gen, eine ent­spre­chende Be­weis­vor­sorge für den Nach­weis des verspäte­ten Zu­gangs zu tref­fen. Die­ser Ob­lie­gen­heit ist er nicht nach­ge­kom­men.

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