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Steuerberatung

Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

Der Ge­setz­ge­ber hielt es für er­for­der­lich, zum Er­halt ei­nes zeit­gemäßen Be­steue­rungs­ver­fah­rens Mo­der­ni­sie­rungsmaßnah­men zu im­ple­men­tie­ren, die zu ei­ner Er­leich­te­rung in der Steu­er­de­kla­ra­tion bei­tra­gen.

Steu­er­recht und Steu­er­voll­zug ste­hen in einem Wan­del der ge­sell­schaft­li­chen und wirt­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen. Die fort­schrei­tende Tech­ni­sie­rung und Di­gi­ta­li­sie­rung al­ler Le­bens­be­rei­che, eine zu­neh­mende glo­bale wirt­schaft­li­che Ver­flech­tung und die de­mo­gra­fi­sche Ent­wick­lung stel­len das Steu­er­recht und den Steu­er­voll­zug vor große Her­aus­for­de­run­gen. Des­halb hat es der Ge­setz­ge­ber für er­for­der­lich er­ach­tet, zum dau­er­haf­ten Er­halt ei­nes Be­steue­rungs­ver­fah­rens, das wei­ter­hin zeit­gemäß ist und ef­fi­zi­ent seine Auf­ga­ben erfüllt, Maßnah­men zur tech­ni­schen, or­ga­ni­sa­to­ri­schen und recht­li­chen Mo­der­ni­sie­rung zu im­ple­men­tie­ren.

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Das Ge­setz zur Mo­der­ni­sie­rung des Be­steue­rungs­ver­fah­rens vom 18. 7.2016 (BGBl. I S. 1679) soll die Gleichmäßig­keit der Be­steue­rung und die rechts­staat­li­chen Er­for­der­nisse des Steu­er­voll­zugs un­ter den ge­ge­be­nen Be­din­gun­gen si­chern so­wie die büro­kra­ti­sche Be­las­tun­gen ver­rin­gern. Dem Ge­setz­ge­ber geht es da­bei um

  • Die Stei­ge­rung von Wirt­schaft­lich­keit und Ef­fi­zi­enz durch einen verstärk­ten Ein­satz der In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie und einen ziel­ge­naue­ren Res­sour­cen­ein­satz.
  • Die ver­ein­fachte und er­leich­terte Hand­hab­bar­keit des Be­steue­rungs­ver­fah­rens durch mehr Ser­vice­ori­en­tie­rung und nut­zer­freund­li­chere Pro­zesse.
  • Die Neu­ge­stal­tung der recht­li­chen Grund­la­gen, ins­be­son­dere der Ab­ga­ben­ord­nung (AO) im Hin­blick auf die sich stel­len­den Her­aus­for­de­run­gen und die dafür vor­ge­se­he­nen Lösungs­ansätze.

Erweiterung des Amtsermittlungsgrundsatzes um Zweckmäßigkeitserwägungen

Zum einen wurde im Rah­men des Ge­set­zes der Amts­er­mitt­lungs­grund­satz mo­di­fi­ziert. Wei­ter­hin gilt zwar grundsätz­lich, dass die Fi­nanz­behörden den Be­steue­rungs­sach­ver­halt von Amts we­gen er­mit­teln müssen. Die Art und der Um­fang der Er­mitt­lun­gen be­stim­men sich da­bei nach den Grundsätzen der Gleichmäßig­keit, Ge­setzmäßig­keit und Verhält­nismäßig­keit. Das ist ex­pli­zit in § 88 Abs. 2 AO ge­re­gelt. Zusätz­lich konn­ten Zweckmäßig­keits­erwägun­gen berück­sich­tigt wer­den. Diese sind ne­ben Erwägun­gen der Wirt­schaft­lich­keit so­wie all­ge­mei­nen Er­fah­rungs­wer­ten der Fi­nanz­ver­wal­tung der Art und dem Um­fang der Amts­er­mitt­lun­gen zu­grunde zu le­gen.

Neu ein­geführt wurde die Möglich­keit ei­ner grup­pen­be­zo­ge­nen Ent­schei­dung zur Amts­er­mitt­lung. Da­nach können die obers­ten Fi­nanz­behörden für be­stimmte oder be­stimm­bare Fall­grup­pen Wei­sun­gen über Art und Um­fang der Er­mitt­lun­gen so­wie der Ver­ar­bei­tung von er­ho­be­nen oder er­hal­te­nen Da­ten er­tei­len.

Hinweis

Um zu ver­hin­dern, dass Steu­er­pflich­tige ihr Erklärungs­ver­hal­ten an sol­chen An­wei­sun­gen aus­rich­ten, dürfen diese al­ler­dings nicht veröff­ent­licht wer­den, so­weit die Gleichmäßig­keit und Ge­setzmäßig­keit der Be­steue­rung gefähr­det wer­den könnte (§ 88 Abs. 3 AO).

Ausschließlich automationsgestützte Bearbeitung

Eine zen­trale Maßnahme der Mo­der­ni­sie­rung des Be­steue­rungs­ver­fah­rens ist die Verstärkung der aus­schließlich au­to­ma­ti­ons­gestütz­ten Be­ar­bei­tung von dazu ge­eig­ne­ten Steu­er­erklärun­gen durch Ein­satz von Ri­si­ko­ma­nage­ment­sys­te­men. Da­mit wird die Kon­zen­tra­tion der per­so­nel­len Res­sour­cen auf die wirk­lich prüfungs­bedürf­ti­gen Fälle gewähr­leis­tet. Dazu wur­den Re­ge­lun­gen zum Ein­satz von sog. Ri­si­ko­ma­nage­ment­sys­te­men so­wie zu aus­schließlich au­to­ma­ti­ons­gestützt er­las­se­nen oder kor­ri­gier­ten Steu­er­be­schei­den er­las­sen.

Wandlung von Belegvorlagepflichten in Belegvorhaltepflichten

Das Be­steue­rungs­ver­fah­ren wird an­wen­der­freund­li­cher, in­dem bis­lang vor­ge­se­hene Be­leg­vor­la­ge­pflich­ten wei­test­ge­hend in Be­leg­vor­hal­te­pflich­ten mit ri­si­ko­ori­en­tier­ter An­for­de­rung durch die Fi­nanz­ver­wal­tung um­ge­wan­delt wor­den sind.

Neuregelung der Steuererklärungsfristen

Auch wurde eine ge­setz­li­che Frist­verlänge­rung für be­ra­tene Steu­er­pflich­tige ein­geführt. Während bis­her eine Frist­verlänge­rung über den 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res nur auf Grund begründe­ter Ein­zel­anträge möglich ist, können die von der Re­ge­lung er­fass­ten Steu­er­erklärun­gen nun­mehr vor­be­halt­lich ei­ner „Vor­aban­for­de­rung“ oder ei­ner „Kon­tin­gen­tie­rung“ bis zum 28. Fe­bruar des Zweit­fol­ge­jah­res ab­ge­ge­ben wer­den. Hier­mit wird der Tat­sa­che Rech­nung ge­tra­gen, dass ei­ner­seits die Er­stel­lung der Jah­res­steu­er­erklärun­gen und die Ver­an­la­gungs­ar­bei­ten in­ner­halb von zwölf Mo­na­ten ab­ge­schlos­sen sein müssen, an­de­rer­seits aber mit der An­fer­ti­gung der Steu­er­erklärun­gen fak­ti­sch erst ab März und nicht be­reits ab Ja­nuar des Fol­ge­jah­res be­gon­nen wer­den kann, da erst dann er­for­der­li­che Be­schei­ni­gun­gen (z. B. Lohn­steu­er­be­schei­ni­gun­gen) vor­lie­gen.

Datenübermittlungspflichten Dritter

Für Be­steue­rungs­zeiträume nach 2016 oder Be­steue­rungs­zeit­punkte nach dem 31.12.2016 wur­den die bis­lang in den ein­zel­nen Steu­er­ge­set­zen ent­hal­te­nen Be­stim­mun­gen zu Da­tenüber­mitt­lungs­pflich­ten Drit­ter durch das Ge­setz zur Mo­der­ni­sie­rung des Be­steue­rungs­ver­fah­rens in die all­ge­mei­nen Rah­men­re­ge­lun­gen nach § 93c AO überführt.

Darin ge­re­gelt wer­den u. a. die Form und die Fris­ten der Da­tenüber­mitt­lung so­wie die Rechte und Pflich­ten der mit­tei­lungs­pflich­ti­gen Stel­len und der Steu­er­pflich­ti­gen. Dem­nach hat die mit­tei­lungs­pflich­tige Stelle die Da­ten nach Ab­lauf des Be­steue­rungs­zeit­raums bis zum letz­ten Tag des Mo­nats Fe­bruar des Fol­ge­jah­res nach amt­lich vor­ge­schrie­be­nem Da­ten­satz durch Da­ten­fernüber­tra­gung zu er­mit­teln. Der Da­ten­satz hat u. a. den Na­men, die An­schrift und die Steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer der mit­tei­lungs­pflich­ti­gen Stelle so­wie den Na­men, den Ge­burts­tag, die An­schrift und die Steuer-Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer des Steu­er­pflich­ti­gen zu ent­hal­ten.

Hinweis

Wer­den Da­ten durch Dritte tatsäch­lich über­mit­telt, kann der Steu­er­pflich­tige künf­tig auf ent­spre­chende ei­gene An­ga­ben in sei­ner Steu­er­erklärung ver­zich­ten.

Die Vollständig­keit und Rich­tig­keit der ab 1.1.2017 über­mit­tel­ten Da­ten ge­winnt an Be­deu­tung, so­fern diese über das Bun­des­zen­tral­amt für Steu­ern (BZSt) oder die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Bund als zen­trale Stelle nach § 81 EStG an die zuständi­gen Lan­des­fi­nanz­behörden wei­ter­zu­lei­ten sind. Nach bis­he­ri­gem Recht ist das BZSt ver­pflich­tet, die ihm für Be­steue­rungs­zwe­cke über­mit­tel­ten Da­ten an die Lan­des­fi­nanz­behörden wei­ter­zu­lei­ten. Künf­tig kann auf die Wei­ter­lei­tung ver­zich­tet wer­den, so­weit das BZSt oder die zen­trale Stelle die zu­ge­gan­ge­nen Da­ten einem be­stimm­ten Steu­er­pflich­ti­gen oder einem be­stimm­ten Fi­nanz­amt nicht oder nur mit un­verhält­nismäßigem Auf­wand zu­ord­nen kann.

Neue Korrekturvorschrift

Der Über­mitt­lung von Da­ten durch Dritte kommt nicht die recht­li­che Wir­kung von Grund­la­gen­be­schei­den zu, so dass eine Ände­rung des dar­auf auf­bau­en­den, for­mell be­standskräfti­gen Steu­er­be­scheids nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO er­fol­gen kann.

Für Be­steue­rungs­zeiträume nach 2016 wurde je­doch mit § 175b Abs. 1 AO eine neue Kor­rek­tur­vor­schrift ein­geführt. Da­nach ist es möglich, so­weit die von der mit­tei­lungs­pflich­ti­gen Stelle über­mit­tel­ten Da­ten nicht oder nicht zu­tref­fend berück­sich­tigt wur­den oder wenn eine Ein­wil­li­gung des Steu­er­pflich­ti­gen für die Da­tenüber­mitt­lung er­for­der­lich ist, den dar­auf auf­bau­en­den Steu­er­be­scheid ent­spre­chend zu ändern.

Sind die über­mit­tel­ten Da­ten im Steu­er­be­scheid zu Un­guns­ten des Steu­er­pflich­ti­gen berück­sich­tigt, ist der Be­scheid auf­zu­he­ben oder zu ändern, so­fern der Steu­er­pflich­tige keine von den über­mit­tel­ten Da­ten ab­wei­chen­den An­ga­ben in Freitext­fel­dern ge­macht hat.

Flan­kiert wird die neue Kor­rek­tur­vor­schrift durch eine neue Ab­lauf­hem­mung der Fest­set­zungs­frist. So­weit den Fi­nanz­behörden die über­mit­tel­ten Da­ten in­ner­halb von sie­ben Ka­len­der­jah­ren nach dem Be­steue­rungs­zeit­raum zu­ge­gan­gen sind, en­det die Fest­set­zungs­frist nicht vor Ab­lauf von zwei Jah­ren nach Zu­gang der Da­ten.

Länderübergreifender Datenabruf

Schließlich wurde mit Wir­kung ab 1.1.2017 für den länderüberg­rei­fen­den Ab­ruf und die Ver­wen­dung von Da­ten zwi­schen den zuständi­gen Fi­nanz­behörden ver­schie­de­ner Bun­desländer eine ge­setz­li­che Grund­lage ge­schaf­fen. Zur Verhütung, Er­mitt­lung oder Ver­fol­gung länderüberg­rei­fen­der Steu­er­verkürzun­gen bzw., Steu­er­verkürzun­gen von in­ter­na­tio­na­ler oder er­heb­li­cher Be­deu­tung können von Fi­nanz­behörden im Be­steue­rungs- oder Steu­er­straf­ver­fah­ren ge­spei­cherte Da­ten zum Da­ten­ab­ruf be­reit­ge­stellt und von der zuständi­gen Fi­nanz­behörde un­ge­ach­tet des Steu­er­ge­heim­nis­ses ab­ge­ru­fen und ver­wen­det wer­den.

Die Frage der Zuständig­keit der Fi­nanz­behörden auf Lan­des­ebene wird noch durch ent­spre­chende Rechts­ver­ord­nun­gen der Lan­des­re­gie­run­gen geklärt.

Die Neu­re­ge­lung ermöglicht es, Da­ten au­to­ma­ti­siert zwi­schen den Fi­nanz­ver­wal­tun­gen des Bun­des und der Länder nicht nur ab­zu­ru­fen, son­dern auch ab­zu­glei­chen, zu überprüfen, zu ver­wen­den und zu spei­chern. Vor­aus­set­zung hierfür ist le­dig­lich die Verhütung, Er­mitt­lung oder Ver­fol­gung von be­stimm­ten Steu­er­verkürzun­gen. Da­mit droht der Ein­zug ei­ner an­lass­lo­sen Ras­ter­fahn­dung in das Steu­er­ver­fah­rens­recht.

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