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Steuerberatung

EuGH-Vorlage: Stellt ein Messestand in einer Halle einen unbeweglichen oder einen beweglichen Gewerberaum dar?

BGH 13.7.2017, I ZR 135/16

Han­delt es sich bei einem Mes­se­stand in ei­ner Halle, den ein Un­ter­neh­mer während ei­ner für we­nige Tage im Jahr statt­fin­den­den Messe zum Zweck des Ver­kaufs sei­ner Pro­dukte nutzt, um einen un­be­weg­li­chen Ge­wer­be­raum i.S.v. Art. 2 Nr. 9 Buchst. a der Richt­li­nie 2011/83/EU oder um einen be­weg­li­chen Ge­wer­be­raum i.S.v. Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richt­li­nie 2011/83/EU? Dies ist eine von drei Fra­gen, die der BGH dem EuGH zur Ent­schei­dung vor­ge­legt hat.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist die Ver­brau­cher­zen­trale Ber­lin. Die Be­klagte ist eine Ver­triebs­ge­sell­schaft, die auf der in Ber­lin statt­fin­den­den Messe "Grüne Wo­che" Pro­dukte aus­stellt. Nach ih­rer Be­haup­tung ver­treibt sie ihre Pro­dukte aus­schließlich auf Mes­sen.

Im Ja­nuar 2015 hatte ein Kunde am Aus­stel­lungs­stand der Be­klag­ten auf der Messe "Grüne Wo­che" einen Dampf­staub­sau­ger zum Preis von 1.600 € be­stellt. Die Be­klagte be­lehrte ihn da­bei nicht über ein Wi­der­rufs­recht bzw. Mus­ter­wi­der­rufs­for­mu­lar nach § 312d BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB. Der Kunde wandte sich dar­auf­hin an die Kläge­rin. Diese war der An­sicht, die Be­klagte hätte den Kun­den über ein Wi­der­rufs­recht in­for­mie­ren müssen, da die­ser den Kauf­ver­trag außer­halb von Ge­schäftsräumen ab­ge­schlos­sen habe. Bei dem Mes­se­stand der Be­klag­ten han­dele es sich nicht um einen Ge­schäfts­raum i.S.d. § 312b BGB. Er stelle ins­be­son­dere kei­nen be­weg­li­chen Ge­schäfts­raum dar, an dem die Be­klagte ihre Tätig­keit für gewöhn­lich ausübe.

Die Kläge­rin be­an­tragte ge­richt­lich, die Be­klagte zu ver­ur­tei­len, es zu un­ter­las­sen, im Rah­men ge­schäft­li­cher Hand­lun­gen mit Ver­brau­chern auf der Messe "Grüne Wo­che" in Ber­lin Kauf­verträge über die Lie­fe­rung von Dampf­staub­sau­gern ab­zu­schließen, ohne über das Wi­der­rufs­recht nach §§ 312g, 355 BGB und das Mus­ter­wi­der­rufs­for­mu­lar zu in­for­mie­ren. LG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin setzte der BGH das Ver­fah­ren aus und legte dem EuGH Fra­gen zur Aus­le­gung von Art. 2 Nr. 9 der Richt­li­nie 2011/83/EU des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.10.2011 über die Rechte der Ver­brau­cher, zur Abände­rung der Richt­li­nie 93/13/EWG des Ra­tes und der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes so­wie zur Auf­he­bung der Richt­li­nie 85/577/EWG des Ra­tes und der Richt­li­nie 97/7/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes zur Vor­ab­ent­schei­dung vor.

Gründe:
Ohne Be­ant­wor­tung der Vor­la­ge­fra­gen kann nicht be­ur­teilt wer­den, ob die Be­klagte bei dem Ver­kauf ei­nes Dampf­staub­sau­gers auf der Messe "Grüne Wo­che" in Ber­lin im Ja­nuar 2015 Un­ter­rich­tungs­pflich­ten nach § 312d Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB ver­letzt hat und der Kläge­rin der gel­tend ge­machte Un­ter­las­sungs­an­spruch und der An­spruch auf Er­stat­tung der Ab­mahn­kos­ten zu­steht. Die In­for­ma­ti­ons­pflich­ten der Be­klag­ten hängen zunächst da­von ab, ob sie ihre Tätig­keit in un­be­weg­li­chen oder in be­weg­li­chen Ge­wer­beräumen ausübt. Hier­auf zielt die er­ste Vor­la­ge­frage:

Han­delt es sich bei einem Mes­se­stand in ei­ner Halle, den ein Un­ter­neh­mer während ei­ner für we­nige Tage im Jahr statt­fin­den­den Messe zum Zweck des Ver­kaufs sei­ner Pro­dukte nutzt, um einen un­be­weg­li­chen Ge­wer­be­raum i.S.v. Art. 2 Nr. 9 Buchst. a der Richt­li­nie 2011/83/EU oder um einen be­weg­li­chen Ge­wer­be­raum i.S.v. Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richt­li­nie 2011/83/EU?

Sollte es sich bei dem Stand der Be­klag­ten um einen be­weg­li­chen Ge­wer­be­raum i.S.d. Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richt­li­nie 2011/83/EU u. § 312b Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB han­deln, stellt sich wei­ter die Frage, nach wel­chen Kri­te­rien zu be­ur­tei­len ist, ob der Un­ter­neh­mer seine Tätig­keit für gewöhn­lich in die­sen Ge­wer­beräumen ausübt. Dies ist Hin­ter­grund der zwei­ten Vor­la­ge­frage:

Für den Fall, dass es sich um einen be­weg­li­chen Ge­wer­be­raum han­delt:

Ist die Frage, ob ein Un­ter­neh­mer seine Tätig­keit "für gewöhn­lich" auf Mes­seständen ausübt, da­nach zu be­ant­wor­ten,

  • wie der Un­ter­neh­mer seine Tätig­keit or­ga­ni­siert oder
  • ob der Ver­brau­cher mit dem Ver­trags­schluss über die in Rede ste­hen­den Wa­ren auf der kon­kre­ten Messe rech­nen muss?

Sollte bei der Frage, ob der Un­ter­neh­mer seine Tätig­keit in be­weg­li­chen Ge­wer­beräumen gewöhn­lich ausübt, auf die Sicht des Ver­brau­chers ab­zu­stel­len sein, wäre im Streit­fall zu prüfen, ob es sich bei der Messe "Grüne Wo­che" in Ber­lin um eine Messe han­delt, bei der der Ver­brau­cher mit dem An­ge­bot ei­nes Dampf­staub­sau­gers rech­nen muss. Da­bei stellt sich die wei­tere Frage, wie die Ver­brau­cher­sicht zu be­stim­men ist. Dar­auf zielt die dritte Vor­la­ge­frage:

Für den Fall, dass es bei der Ant­wort auf die zweite Frage auf die Sicht des Ver­brau­chers an­kommt:
Ist bei der Frage, ob der Ver­brau­cher mit dem Ver­trags­schluss über die kon­kre­ten Wa­ren auf der in Rede ste­hen­den Messe rech­nen muss, dar­auf ab­zu­stel­len, wie die Messe in der Öff­ent­lich­keit präsen­tiert wird, oder dar­auf, wie die Messe sich dem Ver­brau­cher bei Ab­gabe der Ver­trags­erklärung tatsäch­lich dar­stellt?

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für den Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.
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