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Steuerberatung

Mehrfache Änderung von insoweit fehlerhaftem Einkommensteuerbescheid

FG Köln v. 13.11.2018 - 15 K 1325/17

Wurde der Ge­winn des maßge­ben­den Wirt­schafts­jah­res be­reits ei­ner Steu­er­fest­set­zung oder ei­ner ge­son­der­ten Fest­stel­lung zu­grunde ge­legt, ist der ent­spre­chende Steuer- oder Fest­stel­lungs­be­scheid in­so­weit zu ändern. Das gilt auch dann, wenn der Steuer- oder Fest­stel­lungs­be­scheid be­standskräftig ge­wor­den ist; die Fest­set­zungs­frist en­det in­so­weit nicht, be­vor die Fest­set­zungs­frist für den Ver­an­la­gungs­zeit­raum ab­ge­lau­fen ist, in dem das dritte auf das Wirt­schafts­jahr des Ab­zugs fol­gende Wirt­schafts­jahr en­det.

Der Sach­ver­halt:

Der Kläger war im Streit­jahr 2009 selbständig tätig. In sei­ner im No­vem­ber 2010 durch seine steu­er­li­che Be­ra­te­rin ein­ge­reich­ten Ein­kom­men­steu­er­erklärung hatte er einen Ge­winn aus selbständi­ger Ar­beit i.H.v. 89.174 € erklärt. Hier­bei wurde un­strei­tig ein In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trag nach § 7g Abs. 1 EStG für ge­plante In­ves­ti­tio­nen ge­winn­min­dernd i.H.v. 15.800 € berück­sich­tigt. Das Fi­nanz­amt ver­an­lagte den Kläger am 18.1.2011 an­trags­gemäß ohne Vor­be­halt der Nachprüfung. Am 18.2.2011 und am 18.10.2011 er­gin­gen aus an­de­ren Gründen Ände­rungs­be­scheide.

In der im Jahre 2014 ab­ge­ge­be­nen Ein­kom­men­steu­er­erklärung 2012 teilte der Kläger mit, dass keine In­ves­ti­tion der in 2009 an­ge­ge­be­nen Güter er­folgt sei. Das Fi­nanz­amt be­ab­sich­tigte dar­auf­hin aus­weis­lich der vor­ge­hef­te­ten Un­ter­la­gen zur Bi­lanz­akte "Über­wa­chungs­bo­gen [§ 7g EStG] VZ 2009" die Hin­zu­rech­nung ei­nes Be­trags von 15.800 € in 2009, d.h. die Rückgängig­ma­chung des sei­ner­zeit berück­sich­tig­ten In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trags. Es er­ließ dar­auf­hin am 29.9.2014 einen Ände­rungs­be­scheid. Als Ände­rungs­vor­schrift be­nannte er § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG.

Es hieß, der in 2009 ge­winn­min­dernd ab­ge­zo­gene In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trag nach § 7g EStG i.H.v. 15.800 € werde rückgängig ge­macht, weil keine In­ves­ti­tion bis zum drit­ten auf das Jahr der Rück­stel­lungs­bil­dung fol­gende Jahr (d.h. bis zum Jahr 2012) er­folgt sei. Im Wi­der­spruch zu die­sen An­ga­ben erhöhte die Behörde je­doch nicht den Ge­winn um 15.800 €, son­dern ver­min­derte den Ge­winn aus selbständi­ger Tätig­keit von 89.174 € um 14.200 € auf 74.974 € und setzte hierzu eine Ein­kom­men­steuer i.H.v. 21.242 € fest. Dies be­wirkte beim Kläger eine Er­stat­tung i.H.v. 5.964 € Ein­kom­men­steuer (zzgl. Zin­sen und SolZ; Er­stat­tung ins­ge­samt 7.542,04 €).

Etwa zwei­ein­halb Jahre später be­merkte das Fi­nanz­amt den Feh­ler und setzte mit hier streit­ge­genständ­li­chem Be­scheid vom 21.2.2017 den Ge­winn von 74.974 € auf 104.974 € (d.h. ur­sprüng­lich erklärter Ge­winn 89.174 € zzgl. Rückgängig­ma­chung In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trag von 15.800 €) her­auf. Die Ge­win­nerhöhung be­trug da­mit ins­ge­samt 30.000 € und ent­fiel zu 14.200 € auf die Kor­rek­tur des früheren Feh­lers und zu 15.800 € auf die wohl schon 2014 be­ab­sich­tigte Rückgängig­ma­chung des In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trags. Hier­durch ent­stand eine Nach­zah­lungs­last von 12.600 € Ein­kom­men­steuer zzgl. Zin­sen und SolZ, ins­ge­samt i.H.v. 15.435 €. Als Rechts­grund­lage be­nannte der Be­klagte er­neut § 7g Abs. 3 EStG und führte un­ter Ver­weis auf § 7g Abs. 3 Satz 3 EStG aus, die Fest­set­zungs­frist sei nicht ab­ge­lau­fen. Sie richte sich nach der für den Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2012 (= Jahr, in dem die In­ves­ti­tion endgültig nicht er­folgt ist) gel­ten­den Fest­set­zungs­frist und ende we­gen Erklärungs­ab­gabe im Jahr 2014 erst mit Ab­lauf des 31.12.2018.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage teil­weise statt. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zu­ge­las­sen. Das Ver­fah­ren ist beim BFH un­ter dem Az. VIII R 45/18 anhängig.

Die Gründe:

So­weit das Fi­nanz­amt den Ge­winn aus frei­be­ruf­li­cher Tätig­keit um 14.200 € erhöht hatte und da­mit den im Be­scheid vom 29.9.2014 un­ter­lau­fe­nen Feh­ler ("fal­sche Ände­rungs­rich­tung und fal­scher Ände­rungs­be­trag") rückgängig ge­macht hat, ist der Ände­rungs­be­scheid rechts­wid­rig.

Bezüglich ei­ner Ge­win­nerhöhung von 14.200 € (von ins­ge­samt 30.000 €) man­gelt es an ei­ner Rechts­grund­lage für die Ände­rung, wo­durch der Be­scheid in­so­weit for­mell feh­ler­haft ist. Ent­ge­gen der Rechts­auf­fas­sung des Fi­nanz­am­tes kann die Ände­rung nicht auf § 7g Abs. 3 EStG gestützt wer­den. So­weit der In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trag nicht bis zum Ende des drit­ten auf das Wirt­schafts­jahr des Ab­zugs fol­gen­den Wirt­schafts­jah­res nach § 7g Abs. 2 EStG hin­zu­ge­rech­net wurde, ist der Ab­zug nach § 7g Abs. 1 EStG rückgängig zu ma­chen (§ 7g Abs. 3 Satz 1 EStG 2009). Wurde der Ge­winn des maßge­ben­den Wirt­schafts­jah­res be­reits ei­ner Steu­er­fest­set­zung oder ei­ner ge­son­der­ten Fest­stel­lung zu­grunde ge­legt, ist der ent­spre­chende Steuer- oder Fest­stel­lungs­be­scheid in­so­weit zu ändern (§ 7g Abs. 3 Satz 2 EStG 2009).

Das gilt auch dann, wenn der Steuer- oder Fest­stel­lungs­be­scheid be­standskräftig ge­wor­den ist; die Fest­set­zungs­frist en­det in­so­weit nicht, be­vor die Fest­set­zungs­frist für den Ver­an­la­gungs­zeit­raum ab­ge­lau­fen ist, in dem das dritte auf das Wirt­schafts­jahr des Ab­zugs fol­gende Wirt­schafts­jahr en­det (§ 7g Abs. 3 Satz 3 EStG 2009). Im Streit­fall ge­stat­tet § 7g Abs. 3 EStG da­mit nach Über­zeu­gung des Se­nats, wie auch am Wort­laut ("in­so­weit") er­sicht­lich ist, nur eine auf den sei­ner­zeit gel­tend ge­mach­ten und berück­sich­tig­ten In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trag be­tragsmäßig be­schränkte Ände­rung. Die Ände­rung nach § 7g EStG kann da­mit höchs­tens 15.800 € be­tra­gen und ge­stat­tet keine Ge­win­nerhöhung um wei­tere 14.200 €.

So­weit je­doch die Behörde den Ge­winn aus frei­be­ruf­li­cher Tätig­keit um 15.800 € erhöht hatte und da­mit den sei­ner­zeit in An­spruch ge­nom­me­nen In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trag rückgängig ge­macht hat, ist der Ände­rungs­be­scheid vom 21.2.2017 - trotz der be­reits im Ände­rungs­be­scheid vom 29.9.2014 be­nann­ten Kor­rek­tur­vor­schrift des § 7g Abs. 3 EStG - rechtmäßig. In­so­weit konnte der Ände­rungs­be­scheid auf § 7g Abs. 3 EStG gestützt wer­den. Durch den feh­ler­haf­ten Ände­rungs­be­scheid vom 29.9.2014 wurde ein In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trag bis­lang (ob­jek­tiv) ge­rade nicht rückgängig ge­macht. Die im Ände­rungs­be­scheid vom 21.2.2017 vor­ge­nom­mene Ge­win­nerhöhung um 15.800 € stellt da­mit ob­jek­tiv die erst­ma­lige Rückgängig­ma­chung des ur­sprüng­lich in An­spruch ge­nom­me­nen In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trags dar. Die Fest­set­zungs­frist für eine sol­che Ände­rung be­gann gem. § 7g Abs. 3 Satz 3 EStG mit Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res, in dem die Ein­kom­men­steu­er­erklärung 2012 (d.h. des drit­ten auf das Bil­dungs­jahr fol­gende Jahr) ab­ge­ge­ben wor­den war, d.h. mit Ab­lauf des 31.12.2014. Sie en­det da­mit erst mit Ab­lauf des 31.12.2018.

Al­ler­dings ist bis­lang höchstrich­ter­lich nicht geklärt, ob die spe­zi­elle Kor­rek­tur­vor­schrift des § 7g Abs. 3 EStG eine mehr­fa­che Ände­rung ei­nes Be­scheids ermöglicht und in die­sem Zu­sam­men­hang im Vor­be­scheid un­ter­lau­fene Feh­ler (zusätz­lich zur ei­gent­li­chen Ge­win­nerhöhung um den In­ves­ti­ti­ons­ab­zugs­be­trag) zu­las­ten des Steu­er­pflich­ti­gen kor­ri­giert wer­den dürfen, wes­halb we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che die Re­vi­sion zu­ge­las­sen wurde.

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