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Steuerberatung

Klage einer polnischen Unternehmerin auf Erteilung einer Steuernummer

FG Köln 12.10.2017, 10 K 2487/16

Das BMF kann zur Si­cher­stel­lung der Be­steue­rung durch Rechts­ver­ord­nung mit Zu­stim­mung des Bun­des­ra­tes für Un­ter­neh­mer, die Wohn­sitz, Sitz oder Ge­schäfts­lei­tung außer­halb des Gel­tungs­be­rei­ches die­ses Ge­set­zes ha­ben, die ört­li­che Zuständig­keit ei­ner Fi­nanz­behörde für den Gel­tungs­be­reich des Ge­set­zes über­tra­gen.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob die Kläge­rin An­spruch auf Er­tei­lung ei­ner Steu­er­num­mer hat. Die Kläge­rin ist pol­ni­sche Staatsbürge­rin und un­terhält mit ih­rem Ehe­mann in Po­len eine ge­mein­same Woh­nung. Im Ja­nuar 2016 schloss sie mit der C-GmbH einen Ver­trag zur Ver­mitt­lung von Aufträgen im Be­reich Se­nio­ren­be­treu­ung & Haus­halts­dienst­leis­tun­gen ab. Die Kläge­rin si­cherte der C-GmbH zu, ein ei­ge­nes Dienst­leis­tungs­ge­werbe als selbstständi­ger Dienst­leis­ter an­zu­mel­den; sie sollte nicht Ar­beit­neh­mer der C-GmbH sein und die Pflich­ten ei­nes Selbstständi­gen selbst erfüllen (z.B. Ab­gabe jähr­li­cher Steu­er­erklärun­gen). Die C-GmbH ih­rer­seits war ver­pflich­tet, der Kläge­rin für die Ver­trags­lauf­zeit so viele Aufträge wie gewünscht zu ver­mit­teln und da­bei Wünsche der Kläge­rin in Be­zug auf Be­treu­ungs­zeit­punkt, Ein­satz­be­ginn und -dauer beim deut­schen Kun­den zu be­ach­ten.

Gleich­zei­tig mit der An­mel­dung des Dienst­leis­tungs­ge­wer­bes mel­dete die Kläge­rin bei der Ge­meinde P eine Woh­nung an. Diese Adresse gab die Kläge­rin auch als Un­ter­neh­mens­an­schrift im Fra­ge­bo­gen "zur steu­er­li­chen Er­fas­sung" an, den sie im Fe­bruar 2016 beim be­klag­ten Fi­nanz­amt ein­reichte. Die Ge­winn­er­mitt­lung sollte durch Über­schuss­rech­nung er­fol­gen. Außer­dem kündigte die Kläge­rin an, die Klein­un­te­meh­mer-Re­ge­lung des § 19 Abs. 1 UStG in An­spruch zu neh­men. Das be­klagte Fi­nanz­amt bat zur Prüfung, "ob eine Steu­er­pflicht im In­land be­steht und so­mit eine Steu­er­num­mer zu ver­ge­ben ist", um die ergänzende An­gabe, wie lange sich die Kläge­rin im In­land auf­zu­hal­ten ge­denke. Dar­auf erklärte die Kläge­rin, dass für die Tätig­keit in Deutsch­land ein 2-Mo­nats-Rhyth­mus ge­plant sei. In Po­len werde keine Tätig­keit ausgeübt.

Der Be­vollmäch­tigte der Kläge­rin for­derte das be­klagte Fi­nanz­amt zur Er­tei­lung ei­ner Steu­er­num­mer auf. Die­ses lehnte die Er­tei­lung ei­ner Steu­er­num­mer für die Kläge­rin förm­lich ab. Die Kläge­rin sei we­gen feh­len­den Wohn­sit­zes und gewöhn­li­chen Auf­ent­halts im In­land nicht un­be­schränkt ein­kom­men­steu­er­pflich­tig. Es fehle für die An­nahme ei­ner be­schränk­ten Steu­er­pflicht an ei­ner inländi­schen Be­triebsstätte. Um­satz­steu­er­lich sei die Kläge­rin zwar Un­ter­neh­me­rin, der Ort der sons­ti­gen Leis­tung liege aber in Po­len, so­dass die Umsätze im In­land nicht steu­er­bar seien.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde zur Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Zwar ist grundsätz­lich zu­min­dest für um­satz­steu­er­li­che Zwecke von einem An­spruch der Kläge­rin auf Er­tei­lung ei­ner Steu­er­num­mer auch schon vor Ab­gabe von Steu­er­erklärun­gen aus­zu­ge­hen, die­ser An­spruch hätte aber ge­genüber dem zuständi­gen Fi­nanz­amt Q gel­tend ge­macht wer­den müssen. Ein öff­ent­lich-recht­li­cher An­spruch von Un­ter­neh­mern i.S.d. § 2 UStG auf Er­tei­lung ei­ner Steu­er­num­mer für um­satz­steu­er­li­che Zwecke ist zwar we­der im Ge­mein­schafts­recht noch im inländi­schen Recht ausdrück­lich vor­ge­se­hen; ein sol­cher An­spruch er­gibt sich aber mit­tel­bar aus § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG. Der da­nach be­ste­hende An­spruch auf Er­tei­lung ei­ner Steu­er­num­mer der Kläge­rin ist al­ler­dings nicht ge­genüber dem be­klag­ten Fi­nanz­amt, son­dern ge­genüber dem Fi­nanz­amt Q gel­tend zu ma­chen.

Gem. § 21 Abs. 1 S. 1 AO ist für die Um­satz­steuer das Fi­nanz­amt ört­lich zuständig, von des­sen Be­zirk aus der Un­ter­neh­mer sein Un­ter­neh­men im Gel­tungs­be­reich des Ge­set­zes ganz oder vor­wie­gend be­treibt. Nach Satz 2 der Vor­schrift kann das BMF al­ler­dings zur Si­cher­stel­lung der Be­steue­rung durch Rechts­ver­ord­nung mit Zu­stim­mung des Bun­des­ra­tes für Un­ter­neh­mer, die Wohn­sitz, Sitz oder Ge­schäfts­lei­tung außer­halb des Gel­tungs­be­rei­ches die­ses Ge­set­zes ha­ben, die ört­li­che Zuständig­keit ei­ner Fi­nanz­behörde für den Gel­tungs­be­reich des Ge­set­zes über­tra­gen. Von die­ser Ermäch­ti­gung wurde Ge­brauch ge­macht durch die Um­satz­steu­er­zuständig­keits­ver­ord­nung (USt­ZustV). Nach § 1 Nr. 20 Buchst. b) USt­ZustV ist für die Um­satz­steuer der in Po­len ansässi­gen Un­ter­neh­mer mit der Buch­sta­ben­gruppe der Kläge­rin ört­lich zuständig i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 2 AO das FA Q.

Die Kläge­rin ist auf­grund ih­res Haupt­wohn­sit­zes in Po­len eine in Po­len ansässige Un­ter­neh­me­rin. Die zen­trale Zuständig­keit nach § 21 Abs. 1 S. 2 AO gilt be­reits dann, wenn auch nur ein Anknüpfungs­punkt der ge­setz­li­chen Kri­te­rien Wohn­sitz, Sitz oder Ge­schäfts­lei­tung im Aus­land ge­ge­ben ist und hat Vor­rang vor § 21 Abs. 1 S. 1 AO (AEAO zu § 21 AO). Ein mögli­cher­weise zusätz­lich im In­land beim Dienst­leis­tungs­empfänger be­ste­hen­der wei­te­rer Wohn­sitz lässt die Ansässig­keit der Kläge­rin Po­len nicht ent­fal­len. Eine an­dere Aus­le­gung würde die Durchführung der Be­steue­rung von Steu­er­pflich­ti­gen wie der Kläge­rin in der Pra­xis unnötig er­schwe­ren. Sollte nämlich die Kläge­rin ihre je­weils zwei­mo­na­ti­gen Dienst­zy­klen in un­ter­schied­li­chen Fi­nanz­amts­be­zir­ken ab­leis­ten, wären für ihre Um­satz­be­steue­rung bzw. die Er­tei­lung ei­ner Steu­er­num­mer je­weils un­ter­schied­li­che Fi­nanzämter zuständig.

Ge­nau dies sollte durch die Schaf­fung der spe­zi­el­len Zuständig­keits­re­ge­lung ver­mie­den wer­den und gilt je­den­falls so lange, wie die Kläge­rin keine Steu­er­erklärun­gen ein­ge­reicht hat, die den Be­klag­ten er­trag­steu­er­lich zur Be­ar­bei­tung zwin­gen würden. Einem da­nach denk­ba­ren Aus­ein­an­der­fal­len der ört­li­chen Zuständig­kei­ten für die Er­trags- und die Um­satz­be­steue­rung, wel­ches zu einem er­schwer­ten Ver­wal­tungs­voll­zug führen könnte, kann ohne wei­te­res durch Her­beiführung ei­ner Zuständig­keits­ver­ein­ba­rung nach § 27 AO be­geg­net wer­den. Ein An­spruch ge­gen das be­klagte Fi­nanz­amt auf Er­tei­lung ei­ner Steu­er­num­mer für er­trag­steu­er­li­che Zwecke lässt sich - je­den­falls vor Ab­gabe ei­ner ent­spre­chen­den Steu­er­erklärung - nicht her­lei­ten. Ein An­spruch der Kläge­rin auf Er­tei­lung ei­ner Steu­er­num­mer für er­trag­steu­er­li­che Zwecke be­steht nicht. Die Er­tei­lung ei­ner Steu­er­num­mer hat or­ga­ni­sa­to­ri­sche Gründe; bin­dende Ent­schei­dun­gen für das Ver­wal­tungs­ver­fah­ren wer­den durch die Zu­tei­lung da­mit nicht ge­trof­fen.

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