Der Sachverhalt:
Der Kläger nahm die Beklagte in erster und zweiter Instanz im Wesentlichen erfolgreich auf Schadenersatz in Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einem Filmfonds in Anspruch. Der drittinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten legte nach Zustellung des Berufungsurteils Nichtzulassungsbeschwerde ein und beantragte Fristverlängerung zu deren Begründung. Am gleichen Tag wies er den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers auf diese Umstände hin, bat darum, noch keinen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen, und äußerte, er werde den Prozessbevollmächtigten des Klägers vorab unterrichten, sofern das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren durchgeführt werde.
Später nahm der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für diese die Nichtzulassungsbeschwerde zurück, ohne sie begründet zu haben. Der Kläger beantragte daraufhin, eine 0,8 Verfahrensgebühr nach §§ 13, 17 Nr. 9 RVG i.V.m. VV RVG Nr. 3403 nebst einer Pauschale gem. VV RVG Nr. 7002 und der Umsatzsteuer auf die Vergütung gem. VV RVG Nr. 7008 gegen die Beklagte festzusetzen.
Das LG gab dem Antrag statt; das OLG wies ihn zurück. Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Eine 0,8 Verfahrensgebühr nach VV RVG Nr. 3403 ist dem Kläger nicht zu erstatten, weil die von seinem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten entfalteten Tätigkeiten entweder noch zum Berufungsrechtszug gehörten oder ihre Beauftragung jedenfalls gegen die Obliegenheit verstieß, die Kosten der Rechtsverteidigung möglichst niedrig zu halten.
Es ist höchstrichterlich anerkannt, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte für die Entgegennahme der Nichtzulassungsbeschwerde und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, die Übermittlung der Bitte, mit der Bestellung eines drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten noch zu warten, die Prüfung des fristgerechten Eingangs eines gegnerischen Rechtsmittels, die Besprechung des Berufungsurteils mit dem Auftraggeber und die Belehrung über das zulässige Rechtsmittel keine Vergütung nach VV RVG Nr. 3403 erhält. Diese Tätigkeiten gehören nach § 19 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 9 RVG zum Berufungsverfahren und werden durch die dort anfallende Verfahrensgebühr gem. VV RVG Nr. 3200 abgegolten. Das gilt auch, soweit er in Unkenntnis der noch nicht vorgelegten Nichtzulassungsbeschwerdebegründung den Rat erteilt, einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vorerst nicht zu bestellen.
Die Verpflichtung des Anwalts, die Kosten möglichst niedrig zu halten, ist hier verletzt, da der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Prüfung der Erfolgsaussichten nicht für angezeigt halten durfte. Ein Rechtsmittelgegner kann sich erst nach Vorliegen der Rechtsmittelbegründungsschrift mit Inhalt und Umfang des Angriffs des Rechtsmittelführers sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern. Dies schlägt auf die Erstattungsfähigkeit von Gebühren für solche Tätigkeiten durch, die sinnvoll nur aufgrund einer sachlichen Prüfung des Streitstoffs in der Rechtsmittelinstanz vorgenommen werden können.
Der Grundsatz, dass über die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels tauglich nur anhand der Rechtsmittelbegründung entschieden werden kann, gilt im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren in besonderer Weise, zumal es sich bei ihr nicht um ein Rechtsmittel in Bezug auf die Hauptsache handelt. Grundlage der Entscheidung über die Zulassung der Revision ist sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht das Beschwerdevorbringen. Demgemäß ist der "verfrühte" Auftrag zur "Prüfung" der Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde lediglich anhand des bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens angefallenen Prozessstoffs offensichtlich nutzlos. Eine Erstattung so verursachter Kosten für die in der "Prüfung" liegende Einzeltätigkeit kommt nicht in Betracht.
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