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Keine Kostenerstattung für Prüfung der Erfolgsaussichten einer gegnerischen Nichtzulassungsbeschwerde durch den zweitinstanzlichen Vertreter noch vor deren Begründung

BGH 15.10.2013, XI ZB 2/13

Der dem zweit­in­stanz­li­chen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten er­teilte Auf­trag, die Er­folgs­aus­sich­ten ei­ner geg­ne­ri­schen Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde vor de­ren Begründung le­dig­lich an­hand des bis zum Ab­schluss des Be­ru­fungs­ver­fah­rens an­ge­fal­le­nen Pro­zess­stoffs zu prüfen, kann sinn­voll nicht erfüllt wer­den, weil Grund­lage der Ent­schei­dung über die Zu­las­sung der Re­vi­sion so­wohl in recht­li­cher als auch in tatsäch­li­cher Hin­sicht das Be­schwer­de­vor­brin­gen ist. Die durch einen der­ar­ti­gen Auf­trag ver­ur­sach­ten Kos­ten für die in der "Prüfung" lie­gende Ein­zeltätig­keit sind we­gen Ver­stoßes ge­gen das Kos­ten­scho­nungs­ge­bot nicht zu er­stat­ten.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger nahm die Be­klagte in ers­ter und zwei­ter In­stanz im We­sent­li­chen er­folg­reich auf Scha­den­er­satz in Zu­sam­men­hang mit sei­ner Be­tei­li­gung an einem Film­fonds in An­spruch. Der drit­tin­stanz­li­che Pro­zess­be­vollmäch­tigte der Be­klag­ten legte nach Zu­stel­lung des Be­ru­fungs­ur­teils Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde ein und be­an­tragte Frist­verlänge­rung zu de­ren Begründung. Am glei­chen Tag wies er den zweit­in­stanz­li­chen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers auf diese Umstände hin, bat darum, noch kei­nen beim BGH zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt zu be­auf­tra­gen, und äußerte, er werde den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers vorab un­ter­rich­ten, so­fern das Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de­ver­fah­ren durch­geführt werde.

Der Pro­zess­be­vollmäch­tigte des Klägers gab die Erklärun­gen dar­auf­hin an sei­nen Man­dan­ten wei­ter und fuhr u.a. fort:

"Die Er­folgs­aus­sich­ten ei­ner Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde der Be­klag­ten dürf­ten ge­gen Null ge­hen. Frag­lich ist, ob wir in Ih­rer Sa­che schon einen BGH-An­walt ein­schal­ten soll­ten. Grundsätz­lich ist dies aus mei­ner Sicht der­zeit nicht nötig. In­halt­lich wird ein sol­cher An­walt erst benötigt, wenn die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde an­ge­nom­men würde. Bis da­hin können wir das Ver­fah­ren ohne Wei­te­res be­treuen. Wir ge­hen da­von aus, dass der BGH die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde ein­fach zurück­weist oder die Be­klagte diese doch noch zurück­nimmt. In bei­den Fällen ist die Ein­schal­tung ei­nes BGH-An­walts unnötig und würde nur Kos­ten pro­du­zie­ren. Soll­ten wir eine Ein­schal­tung ei­nes BGH-An­walts zukünf­tig doch als nötig er­ach­ten, würden wir uns kurz­fris­tig mel­den. Bitte tei­len Sie uns mit, ob Sie mit die­sem Vor­ge­hen ein­ver­stan­den sind."

Später nahm der Pro­zess­be­vollmäch­tigte der Be­klag­ten für diese die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde zurück, ohne sie begründet zu ha­ben. Der Kläger be­an­tragte dar­auf­hin, eine 0,8 Ver­fah­rens­gebühr nach §§ 13, 17 Nr. 9 RVG i.V.m. VV RVG Nr. 3403 nebst ei­ner Pau­schale gem. VV RVG Nr. 7002 und der Um­satz­steuer auf die Vergütung gem. VV RVG Nr. 7008 ge­gen die Be­klagte fest­zu­set­zen.

Das LG gab dem An­trag statt; das OLG wies ihn zurück. Die Rechts­be­schwerde des Klägers hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Eine 0,8 Ver­fah­rens­gebühr nach VV RVG Nr. 3403 ist dem Kläger nicht zu er­stat­ten, weil die von sei­nem zweit­in­stanz­li­chen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten ent­fal­te­ten Tätig­kei­ten ent­we­der noch zum Be­ru­fungs­rechts­zug gehörten oder ihre Be­auf­tra­gung je­den­falls ge­gen die Ob­lie­gen­heit ver­stieß, die Kos­ten der Rechts­ver­tei­di­gung möglichst nied­rig zu hal­ten.

Es ist höchstrich­ter­lich an­er­kannt, dass der zweit­in­stanz­li­che Pro­zess­be­vollmäch­tigte für die Ent­ge­gen­nahme der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde und ihre Mit­tei­lung an den Auf­trag­ge­ber, die Über­mitt­lung der Bitte, mit der Be­stel­lung ei­nes drit­tin­stanz­li­chen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten noch zu war­ten, die Prüfung des frist­ge­rech­ten Ein­gangs ei­nes geg­ne­ri­schen Rechts­mit­tels, die Be­spre­chung des Be­ru­fungs­ur­teils mit dem Auf­trag­ge­ber und die Be­leh­rung über das zulässige Rechts­mit­tel keine Vergütung nach VV RVG Nr. 3403 erhält. Diese Tätig­kei­ten gehören nach § 19 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 9 RVG zum Be­ru­fungs­ver­fah­ren und wer­den durch die dort an­fal­lende Ver­fah­rens­gebühr gem. VV RVG Nr. 3200 ab­ge­gol­ten. Das gilt auch, so­weit er in Un­kennt­nis der noch nicht vor­ge­leg­ten Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de­begründung den Rat er­teilt, einen beim BGH zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt vor­erst nicht zu be­stel­len.

Die Ver­pflich­tung des An­walts, die Kos­ten möglichst nied­rig zu hal­ten, ist hier ver­letzt, da der zweit­in­stanz­li­che Pro­zess­be­vollmäch­tigte des Klägers eine Prüfung der Er­folgs­aus­sich­ten nicht für an­ge­zeigt hal­ten durfte. Ein Rechts­mit­tel­geg­ner kann sich erst nach Vor­lie­gen der Rechts­mit­tel­begründungs­schrift mit In­halt und Um­fang des An­griffs des Rechts­mit­telführers sach­lich aus­ein­an­der­set­zen und durch einen ent­spre­chen­den Ge­gen­an­trag so­wie des­sen Begründung das Ver­fah­ren fördern. Dies schlägt auf die Er­stat­tungsfähig­keit von Gebühren für sol­che Tätig­kei­ten durch, die sinn­voll nur auf­grund ei­ner sach­li­chen Prüfung des Streitstoffs in der Rechts­mit­tel­in­stanz vor­ge­nom­men wer­den können.

Der Grund­satz, dass über die Er­folgs­aus­sich­ten ei­nes Rechts­mit­tels taug­lich nur an­hand der Rechts­mit­tel­begründung ent­schie­den wer­den kann, gilt im Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de­ver­fah­ren in be­son­de­rer Weise, zu­mal es sich bei ihr nicht um ein Rechts­mit­tel in Be­zug auf die Haupt­sa­che han­delt. Grund­lage der Ent­schei­dung über die Zu­las­sung der Re­vi­sion ist so­wohl in recht­li­cher als auch in tatsäch­li­cher Hin­sicht das Be­schwer­de­vor­brin­gen. Dem­gemäß ist der "verfrühte" Auf­trag zur "Prüfung" der Er­folgs­aus­sich­ten ei­ner Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde le­dig­lich an­hand des bis zum Ab­schluss des Be­ru­fungs­ver­fah­rens an­ge­fal­le­nen Pro­zess­stoffs of­fen­sicht­lich nutz­los. Eine Er­stat­tung so ver­ur­sach­ter Kos­ten für die in der "Prüfung" lie­gende Ein­zeltätig­keit kommt nicht in Be­tracht.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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